Hamburg. E-Mobilität auf dem Wasser: Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir testen sie. Heute: Anglerboot mit Batterie.
Unternehmensgründer Johann Daniel Wuppermann betrieb einst den Verkauf und die Produktion von „Eisen-Waaren“, sein Geschäft eröffnete er am Rödingsmarkt, denn die Kunden waren Schiffbauer, Kapitäne und Reeder. Das ist gut 270 Jahre her. Eisenprodukte hat das 1742 gegründete Unternehmen immer noch im Sortiment. Und obwohl sich das Geschäftsmodell und die Kundschaft eines der ältesten Hamburger Handelshäuser mehrmals stark verändert haben, geht es immer noch um Wasserfahrzeuge: A.W. Niemeyer ist heute Deutschlands größter Yacht- und Bootsausrüster.
Neuerdings hat das Unternehmen auch eigene Boote im Sortiment. Im Januar präsentierte A.W. Niemeyer bei der Bootsmesse in Düsseldorf seine neue Marke OceanBay. Zur Marke gehören drei unterschiedliche lange Kunststoffboote, für den Betrieb mit Benzin-Außenborder oder Elektromotor. Auf den aus Batterien gespeisten Antrieb setzt die Firma Hoffnungen: Im Set kostet das 4,26 Meter lange OceanBay MM430 inklusive Trailer mit einem etwa fünf PS starken Torqeedo-Außenborder, Batterie und Ladegerät 11.774 Euro und damit 1000 Euro weniger als die Einzelkomponenten insgesamt.
Konkurrenz vom Onlinehandel
„Ein Boot für Angler und Einsteiger“, sagt Christian Hofmann. Der geschäftsführende Gesellschafter führt seit 2013 das operative Geschäft des Unternehmens. Das steht gerade vor großen Herausforderungen und die eigenen Boote sind eine der Antworten darauf. Zuletzt hatte A. W. Niemeyer sich Anfang der 1960er-Jahre neu erfunden, als die Firma sich vom Ausrüster für die Berufsschifffahrt zum reinen Yachtausrüster wandelte. „Die Herausforderungen sind heute mindestens genauso groß wie damals“, sagt Hofmann.
Für eine Kurskorrektur gibt es vielerlei Gründe, zwei sind besonders wichtig: Die Zahl der potenziellen Kunden sinkt. 2007 gab es in Deutschland noch mehr als 500.000 private Boots- und Yachteigner, 2016 waren es nach aktuellen Erhebungen noch etwas mehr als 470.000. Für 2035 werden nurmehr knapp 400.000 Eigner prognostiziert. Und: Auch in der Ausrüstungsbranche verschiebt sich das Geschäft mehr und mehr Richtung Onlinehandel.
„Seit zwei bis drei Jahren stagniert der Umsatz im stationären Handel“, sagt der Geschäftsführer. A.W. Niemeyer aber hat in den vergangenen Jahrzehnten stark in neue Läden und Shops investiert. Das Unternehmen zog nach mehr als 250 Jahren vom Rödingsmarkt um an den Holstenkamp in Bahrenfeld und eröffnete dort Europas größtes Ausrüstergeschäft, das Filialnetz wuchs auf heute 13 Läden und Shops in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Ersatzteile und Zubehör auf Lager
Mehr als 20.000 unterschiedliche Artikel hat das Unternehmen in Bahrenfeld auf Lager. „Wir sind Vollsortimenter“, sagt Hofmann. Für Kunden bedeutet das, dass sie ziemlich sicher und schnell auch ausgefallene Zubehörteile bekommen. Für das Unternehmen bedeutet das auch, dass es Artikel vorhält, von denen bisweilen nur ein oder zwei pro Jahr verkauft werden.
Für mittlerweile elf europäische Länder betreibt der Ausrüster eigene Internetshops in Landessprache. „Der Onlinehandel ist unser Wachstumskanal, er wächst im zweistelligen Prozentbereich“, sagt der Geschäftsführer. Wie viel das Unternehmen pro Jahr insgesamt erlöst, wird hanseatisch zurückhaltend beantwortet: Etwas mehr als zehn Prozent des Ausrüster-Gesamtmarktes in Deutschland, heißt es. Der hat ein Volumen zwischen 250 und 300 Millionen Euro.
Neben dem Onlinehandel baut die Firma mit 150 Mitarbeitern, die seit Anfang des vergangenen Jahrzehnts zur Ahrensburger Kroschke-Gruppe gehört, ihr Eigenmarkengeschäft stark aus. Kleine Tender-Schlauchboote, Fender oder Schiffsfarben-Töpfe tragen schon lange die Abkürzung AWN. In jüngerer Vergangenheit sind zudem etwa ein Dutzend Marken wie OceanOne (maritime Mode), OceanPro (Wassersport-Funktionskleidung) oder OceanCraft (Außenbordmotoren) hinzugekommen. Und nun die OceanBay-Boote.
Anteil der Motorboote in der Freizeitflotte steigt
Sie sind bis zu fünf Meter lang, die maximale Motorisierung beträgt zwischen 30 und 50 PS. Die Preisliste beginnt bei 5199 Euro für das fahrbereite kleine Modell inklusive führerscheinfreiem 15-PS-Benzinaußenborder. Gefertigt werden die Boote in Deutschland. „Wir haben sie mit dem Hersteller speziell für die Erfordernisse der Zielgruppe entwickelt“, sagt Hofmann. Bislang seien etwa 20 Exemplare verkauft worden.
Elektromotoren werden im Wassersport zwar schon länger eingesetzt, doch als alleinige Antriebsquelle für Motorboote sind sie eher noch die Ausnahme. Das wird sich ändern, ist der Geschäftsführer überzeugt. „Wir wollen in der Vorreiterrolle sein.“ Ihm sind die Elektromotorboote auch deshalb sympathisch, weil sie – ähnlich wie ein Segelboot – ein fast geräuschloses Naturerlebnis ermöglichten.
Und die Marktentwicklung zeigt, dass die Nachfrage steigen könnte: Mehr Freizeitskipper als früher behalten ihre Yacht bis ins hohe Alter. Und wenn es weit jenseits der 70 mit dem Segeln nicht mehr so gut klappt, sind manche dann doch bereit, sich statt mit Windes- mit Motorkraft auf dem Wasser zu bewegen. Der Anteil der Motorboote in Deutschlands schrumpfender Freizeitflotte jedenfalls steigt.
Das Elektroboot OceanBay im Test
Das Produkt: Getestet hat das Abendblatt das OceanBay MM 430 mit einem Zehn-kW-Torqeedo–Elektroaußenborder, der von vier Lithium-Akkus gespeist wird auf der Elbe vor Finkenwerder. Das ist hinsichtlich Laufzeit und Kraft das Premiummodell, vom Preis auch: etwa 25.000 Euro. Der Listenpreis aller Teile für den E-Antrieb beträgt etwa 19.000 Euro, ein vergleichbar starker Benzinmotor kostet um 3500 Euro. Bei günstigeren Varianten des E-Außenborders muss man Abstriche bei Motorleistung und Batteriekapazität hinnehmen.
Erster Eindruck: Der Motor wiegt 60 Kilo. Die Leistung entspricht laut AWN einem Benzin-Außenborder mit etwa 20 PS. Das Verhältnis Gewicht/Leistung ist mit einem Viertakter vergleichbar. Batterien und Ladegeräte sind unter den Sitzbänken untergebracht. Gleich nach dem Ablegen fällt das hohe Drehmoment auf. Die Kraft steht fast augenblicklich zur Verfügung. Das Motorengeräusch ist viel leiser als beim Benziner und nur als Surren zu vernehmen.
Fahreigenschaften: Boot und Motor vermitteln einen guten Eindruck, im Hafen lässt es sich handlich manövrieren. Auf der Elbe kommt der Motor mit seiner großen Schraube auch gegen starken Ebbstrom gut voran. Bei Vollgas hebt sich der Bug – und man vergisst, dass hinten ein E-Motor hängt.
Praxis: Die Akkus lassen sich am Steg einfach mit einem Kabel am Stromnetz aufladen. Die Laufzeit der vier Lithium- Akkus beträgt laut AWN bei mittlerer Geschwindigkeit fünf bis sechs Stunden. Bei Vollgas ist der Spaß kürzer. Ein Display unter dem Steuerrad zeigt Tempo und verbleibende Fahrzeit. Der Monitor ist etwas ungünstig platziert – hier sollte nachgebessert werden.
Fazit: Boot und Motor passen gut zusammen. Die Leistung des E-Außenborders ist mit der eines Benziners vergleichbar. Vorteil: geringer Geräuschpegel, Nachteil: der vergleichsweise hohe Preis. Ein Boot für solvente Freunde und Förderer der Elektromobilität.
Das Abendblatt-Urteil: 4 von 5 Sternen.
Die Testserie finden Sie jeden Dienstag im Wirtschaftsteil. Alle bisherigen Tests lesen Sie online unter www.abendblatt.de/testserie