Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir prüfen, wie gut sie sind. Heute: Die Ristorante Dolce al Cioccolato.

Fünfmal am Tag kommt in der Versuchsküche des Dr. Oetker-Werks in Wittenburg aufgebackene Pizza auf den Tisch. Um die weißen Tische versammeln sich Schichtführer aus der Produktion und Qualitätssicherer. Die wenige Stunden zuvor hergestellten Pizzen sind für das Testessen zu handlichen Achtelstücken geschnitten. „Das ist kein gemütliches Pizzaessen, sondern harte Arbeit“, sagt Werksleiter Detlef Förster.

Seit Ende Februar wird in diesen Runden immer mal wieder eine Sorte serviert, die so ganz anders ist als das, was sonst die Tiefkühllager des Werks verlässt: Schokoladen-Pizza. Genauer: Dr. Oetkers Pizza Ristorante Dolce al Cioccolato. Dünner, kurzgebackener Hefeteigboden mit süßem Belag, insgesamt 300 Gramm schwer, knapp die Hälfte davon Schokosoße, -pulver und -stücke. Ende des Winters begann im Mecklenburgischen an der Autobahn Hambug–Berlin die Produktion. Seit – kein Scherz – 1. April ist das Produkt im Handel, und bei Dr. Oetker sind sie sehr zufrieden mit der Kundenresonanz.

Idee entstand in Großbritannien

„In den ersten drei Monaten wurden in Deutschland etwa zwei Millionen Stück abgesetzt“, sagt Matthias Hanigk aus der Öffentlichkeitsarbeit des Bielefelder Konzerns. Werksleiter Förster weiß: „In einigen Supermärkten wurden zeitweise mehr verkauft als von unserem Klassiker, der Ristorante Salame.“ Großabnehmer hätten – vergeblich – angeboten, selbst einen Kühllaster nach Wittenburg zu schicken, um die Tiefkühltruhen ihrer Supermärkte aufzufüllen, und sogar im Mitarbeitershop auf dem Werksgelände sei die Schoko-Pizza zeitweise nicht mehr zu haben gewesen.

Die Idee, eine Pizza mit ausschließlich süßem Belag zu kreieren, entstand in Oetkers britischem Werk bei Manchester. „Die englischen Kollegen haben ursprünglich an Marshmallows als Teil der Auflage gedacht“, sagt Förster. 2016 kam dann auf der Insel aber doch eine Schoko-Pizza auf den Markt. Der Wittenburger Werksleiter findet die ungewöhnliche Kombination gar nicht so ungewöhnlich. „In Frankreich und Italien ist warmer Schokoladenkuchen ja sehr verbreitet.“

Gedacht ist die Aufbackware als Dessert

Gedacht ist die Aufbackware als Dessert, nicht als schnelle Mahlzeit. „Das ist eine Sharing-Pizza, die man sich zu dritt oder viert nach einem guten Essen teilt“, sagt Förster. Das tun Kunden des deutschen Tiefkühlpizza-Marktführers offenbar gern. Rechnet man die Verkaufszahlen der ersten drei Monate hoch, könnte das warme Dessert fast ein Prozent Marktanteil erreichen. Eine Milliarde Tiefkühlpizzen – so die Faustregel in der Branche – werden in Deutschland pro Jahr verspeist. Pro Kopf der Bevölkerung also etwa eine im Monat. Allein Oetker schickt um die 50 Pizza-Varianten ins Rennen um die Gunst der deutschen Kunden.

Neue Geschmackserlebnisse

Die Cioccolato soll auch den Hunger der Pizza-Gemeinde auf neue Geschmackserlebnisse stillen – und den des Handels auf hohen Umsatz mit Artikeln aus den energiefressenden Tiefkühltruhen. Oetker belegt Pizzen inzwischen auch mit Seelachsstücken, Nüdelchen und Hähnchenbrust. Im Herbst 2016 kam eine Variante mit Räucherschinken, weißer Soße und Kartoffelchips auf den Markt. „Auch mit dem Feedback der Verbraucher zu dieser Sorte sind wir sehr zufrieden. Sie ist aber noch nicht so erfolgreich wie die Schoko-Pizza“, sagt Pressesprecher Hanigk. Was beim Verbraucher nicht mehr so gut geht, muss weichen. Ende 2015 ereilte die traditionsreiche Ristorante Margherita dieses Schicksal.

Die Ristorante Pizza Salame dagegen ist und bleibt die Beliebteste. Sie gab es schon, als der promovierte Tiermediziner Förster vor der Werkseröffnung 1992 als Hygieneexperte in Wittenburg anheuerte, und eine Salame war die erste dort hergestellte Pizza. Damals gab es noch zwei Produktionslinien und um die 80 Mitarbeiter. Heute produzieren fast 1000 Beschäftigte an fünf Linien und in drei Schichten bis zu 700.000 Pizzen pro Tag. Für den Export in islamische Länder gibt es auch Halal-Varianten, die den dortigen Ernährungsvorschriften entsprechen.

Export auch nach Arabien

Die eine süße Sorte zwischen all den herzhaften herzustellen, sei nicht schwierig, sagt der Werksleiter. Es gibt nur einen Unterschied: Weil dem Teig des Cioccolato-Bodens Schokopulver beigemischt ist, ist er deutlich dunkler. Die optischen Kontrollsysteme vor dem Backen erkannten nicht gut, ob in den runden, schwarzen Formen tatsächlich Teig liegt. „Da mussten wir ein bisschen tüfteln.“ Im Übrigen eignen sich die Maschinen ebenso dafür, Schoko- statt Tomatensoße auf den Teig zu spritzen und dunkle und weiße Schokostücke drüberzustreuen statt Paprikawürfel und Thunfisch.

Trotzdem liegen die Schoko-Pizzaschichten immer am Ende einer Woche, bevor die Produktionsstraßen in der Nacht zu Sonnabend ohnehin besonders intensiv gereinigt werden. Die Zahl dieser Schichten dürfte steigen: Denn nachdem die Neuerung in Deutschland ein großer Erfolg ist, kommt das Aufbackdessert gerade in vielen weiteren Ländern auf den Markt. In Wittenburg werden bereits Kartons befüllt, deren Rückseiten mit arabischen und chinesischen Schriftzeichen bedruckt sind und die in Kühlcontainern über Hamburg in die Emirate und nach Hongkong exportiert werden. Auch dort leckt man sich nach der Schoko-Pizza die Finger.

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Die Schoko-Pizza im Test:

Das Produkt: Die Pizza Ristorante Dolce al Cioccolato von Dr. Oetker ist die einzige Schoko-Pizza auf dem deutschen Markt, der Belag besteht ausschließlich aus verschiedenen Schokoladen: Der Boden ist mit Schokosoße überzogen, darauf liegen Stücke von weißer und dunkler Schokolade sowie gehobelte Vollmilchschokolade. Zudem wird dem Hefeteig des Bodens Schokopulver beigemischt. Der Gewichtsanteil der Schokoladenzutaten beträgt knapp 50 Prozent. Mit 300 Gramm wiegt die Cioccolato weniger als die zumeist 360 Gramm schweren, herzhaften Ristorante-Pizzen. Der Preis unterscheidet sich im Handel nicht. Üblich sind 2,69 Euro.

Die Zubereitung: Weicht leicht von den herzhaften Varianten ab. Für den normalen Backofen wird bei Ober- und Unterhitze eine etwas geringere Temperatur (200 Grad) und etwas kürzere Backzeit (10 bis 11 Minuten) empfohlen.

Die Kalorien: Dr. Oetker gibt pro 100 Gramm Schoko-Pizza 319 Kilokalorien an, 14 Gramm Fett und 40 Gramm Kohlenhydrate. Für 100 Gramm Ristorante Salame sind es 273 Kilokalorien, 13,7 Gramm Fett, 25,9 Gramm Kohlenhydrate.

Der Geschmack: Eher herb als (zu) süß. Die Soße ist zähflüssig, die weißen und dunklen Stückchen obendrauf bleiben in Form, sind aber kaum herauszuschmecken. Die Mehrheit der Tester fremdelt mit der Kombination von Pizza-Hefeboden und süßlichem Belag. Zitat: „Lecker und mächtig, aber eher ein Kuchen, und dazu passt der Boden nicht.“ Nach einem Viertel ist es genug, und es stellt sich das Bedürfnis nach etwas Herzhaftem ein.

Fazit: Pizza? Kuchen? Irgendwas dazwischen. Das ist neu und witzig. Kann man gut finden, muss man aber nicht. Das Abendblatt-Urteil: 3,5 von 5 Sternen.

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