Hamburg. Die Rentenerhöhung führt bei vielen Hamburgern dazu, dass Abgaben auf ihre Altersbezüge fällig werden. Wie man Geld sparen kann.

An Steuern dachte Helga G. nicht, als sie das Finanzamt Hamburg Nord aufsuchte. Sie wollte ihre Nichtveranlagungsbescheinigung für Zinseinkünfte verlängern. „Die brauchen Sie jetzt nicht mehr“, sagte die Finanzbeamtin­ nach Durchsicht der Unterlagen. „Denn Sie müssen eine Steuererklärung abgeben.“ Sprachs – und schickte die 85 Jahre alte Rentnerin mit den Formularen nach Hause.

„Es ist eine bittere Pille, dass zahlreiche Rentner durch Rentenerhöhungenerstmals Steuern zahlen müssen“, sagt Tom Zedler von der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer in Hamburg. Das trifft auch immer mehr Hamburger, schätzt er. Es gibt zwar nach Auskunft der Finanzbehörde keine Zahlen für Hamburg, weil sie nicht erhoben werden, aber die Hansestadt kann sich dem Bundestrend nicht entziehen.

„In diesem Jahr wird es durch die Rentenanhebung etwa 4,25 Millionen Steuerpflichtige mit Rentenbezug geben“, sagt eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums. Statistisch genaue Zahlen gibt es nur bis zum Jahr 2012. Seit der Neuregelung der Rentenbesteuerung im Jahr 2005 hat der Anteil der Steuerzahler mit überwiegend Renteneinkünften von sechs auf 41 Prozent im Jahr 2012 zugenommen. Im Schnitt zahlten die Betroffenen knapp 300 Euro Steuern.

Mit jeder Rentenerhöhung steigt die Gefahr, im Alter doch noch steuerpflichtig zu werden. Das liegt an der komplizierten Besteuerung. In diesem Jahr wurden die Renten im Juli um 1,9 Prozent angehoben, im Jahr zuvor waren es sogar 4,25 Prozent. „Seit 2005 steigt der Anteil der zu versteuernden Rente kontinuierlich an“, sagt Zedler. Noch hat jeder Rentner einen Anteil seiner Rente, die steuerfrei ist – bis zum Jahr 2040. Wer in diesem Jahr in den Ruhestand geht, für den bleiben 26 Prozent der Rente steuerfrei, 74 Prozent sind also steuerpflichtig (siehe Grafik).

Allerdings bezieht sich der steuerfreie Anteil nicht auf die jeweils aktuelle Rente, sondern wird anhand der Rente im ersten vollen Bezugsjahr ermittelt. Beispiel: Olaf M. geht im September 2017 in Rente. Im Folgejahr bezieht er jeden Monat 1250 Euro Rente. Macht 15.000 Euro. Davon sind 3900 Euro (26 Prozent) steuerfrei. Das ist sein lebenslanger Rentenfreibetrag. Bei Renten, die schon vor 2005 gezahlt wurden, ermittelt man den Rentenfreibetrag auf Basis der gesetzlichen Altersbezüge im Jahr 2005. Die Hälfte davon ist steuerfrei.

Reihe von Abzugsmöglichkeiten

„Für jeden Rentnerjahrgang kann man nur abschätzen, bis zu welcher Rentenhöhe voraussichtlich keine Steuern fällig werden“, sagt Uwe Rauhöft Geschäftsführer des Bundesverbandes der Lohnsteuerhilfevereine (BVL). Die vom BVL in der Grafik erstellte Tabelle bezieht sich auf das Jahr 2017, für das erst 2018 eine Steuererklärung abgegeben werden muss. „Nur wer keine weiteren Einkünfte hat, kann sich daran orientieren“, sagt Rauhöft.

Am Ende muss Steuern bezahlen, wer mit seinen steuerpflichtigen Einkünften über dem Grundfreibetrag von 8820 Euro (2017) liegt. Da es aber eine Reihe von Abzugsmöglichkeiten gibt und nur ein Teil der Rente besteuert wird, kann die Rente auch deutlich über dem Grundfreibetrag liegen, ohne dass Steuern fällig werden. Zusammen veranlagte Ehepaare können die Beträge in der Tabelle verdoppeln, wenn sie beide Rentner sind.

Viele Neurentner müssen Steuern zahlen

Aber viele Senioren beziehen Betriebsrenten oder Pensionen, private Rentenversicherungen, Mieteinnahmen oder Kapitaleinkünfte. „Dann gelten die Werte in der Tabelle nicht mehr“, sagt Rauhöft. Die Finanzverwaltung habe einen immer besseren Überblick über die Einkünfte der Rentner. „Das erklärt, dass die Rentner vom Finanzamt zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert werden“, sagt Rauhöft. „In Hamburg informieren die Informations- und Annahmestellen der Finanzämter da­rüber, ob Rentner eine Einkommensteuererklärung abgeben müssen“, sagt ein Sprecher der Finanzbehörde. Bei komplexen Steuerfällen sollte aber ein Steuerberater oder ein Lohnsteuerhilfeverein konsultiert werden.

Die Abgabe einer Steuererklärung bedeutet nicht, dass automatisch auch Steuern fällig werden. Aber viele Neurentner, die gut verdient haben, kommen um Steuern nicht umhin. Siegfried M. ist seit Januar 2016 Rentner und bezog insgesamt 15.282 Euro. Davon bleiben wegen des Rentenbeginns 2016 nur noch 28 Prozent steuerfrei, also 4280 Euro. „Nach Abzug des Freibetrags, 1643 Euro für die Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Pauschalen in Höhe von 102 Euro (Werbungskosten) und 36 Euro (Sonderausgaben) ergibt sich ein Einkommen von 9221 Euro“, rechnet Rauhöft vor. Dafür muss er nach der Steuertabelle rund 83 Euro Einkommensteuer für 2016 bezahlen.

Riester-Rente ist voll steuerpflichtig

Richtig kompliziert wird es, wenn noch andere Renten bezogen werden, denn sie werden unterschiedlich besteuert. Eine Riester-Rente ist voll steuerpflichtig. Bei der Rürup-Rente gelten dagegen wieder die Regeln der gesetzlichen Rente. Eine Betriebsrente gilt als nachträglicher Arbeitslohn und wird voll besteuert. Dafür gibt es aber eine Entlastung in Form eines Versorgungsfreibetrags.

Das Problem auch hier: Jeder Rentnerjahrgang hat seinen eigenen Betrag. Je später man in Rente geht, desto niedriger fällt er aus. Steuerlich am günstigsten sind Renten von privaten Versicherungen. Solche Bezüge werden mit dem sogenannten Ertragsanteil besteuert, der vom Alter bei Rentenbeginn abhängt. Wer mit 65 Jahren in den Ruhestand geht, muss 18 Prozent seiner Privatrente versteuern.

Medikamente und Versicherungen absetzen

„Einkünfte wie Zinsen, Mieten oder Bruttolöhne können um den Altersentlastungsbetrag gemindert werden“, sagt Rauhöft. Das heißt, Rentner können einen Teil ihrer zusätzlichen Einnahmen behalten, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen. Für Renten und Pensionen kann er nicht in Anspruch genommen werden. Die Höhe des Altersentlastungsbetrags hängt davon ab, wann das 64. Lebensjahr vollendet wurde. Auch hier gilt, jeder Jahrgang hat seinen eigenen Altersentlastungsbetrag, der von Jahr zu Jahr geringer ausfällt.

Mit Belegen für Medikamente und Brillen lässt sich die Steuer drücken, wenn eine bestimmte Grenze der zumutbaren Belastung überschritten wird. Die liegt bei Verheirateten mit Einkünften bis zu 15.340 Euro bei vier Prozent (Alleinstehende fünf Prozent), bei höheren Einkünften bei fünf Prozent (Alleinstehende sechs Prozent).

Viele Möglichkeiten

Die abzugsfähigen Versicherungsbeiträge sind auf maximal 1900 Euro im Jahr begrenzt. Ein großer Teil davon wird bereits von der Krankenversicherung aufgebraucht. Dennoch sollten weitere Prämien für Haftpflicht- oder Unfallversicherungen angegeben werden. Denn Rentner können von einer sogenannten Günstigerprüfung profitieren, nach der für 2016 bis zu 3201 Euro anerkannt werden. Der Betrag sinkt von Jahr zu Jahr.

Neben haushaltsnahen Dienstleistungen wie Gartenpflege oder Fensterputzen kann auch der Arbeitslohn von Handwerkerrechnungen direkt von der Steuerschuld abgezogen werden. Pro Jahr sind das 20 Prozent des Arbeitslohns, maximal 1200 Euro. Zu den begünstigten Handwerkerarbeiten gehören Malerarbeiten oder die Wartung der Heizungsanlage.

Es gibt also auch für Rentner viele Möglichkeiten, die Steuerlast zu senken. Aber wegen der vielen jahrgangsbezogenen Freibeträge ist die Rentenbesteuerung komplizierter als die Steuererklärung für einen Arbeitnehmer. Für die 85-jährige Helga G. war die Steuer überschaubar. 68 Euro musste sie bezahlen.