Hamburg. Die Bundestagswahl 2017 im September dürfte Hamburgs FDP-Chefin Katja Suding ins Zentrum der Macht führen.

Katja Suding lächelt oft. Mal ist es ein selbstbewusstes Lächeln, mal ein verschmitztes und mal ein spöttisches. Zu Beginn des Gespräches an diesem Sommertag ist es eines, das si­gnalisieren soll: Ich bin mir meiner sicher. „Der Sprung nach Berlin wird wohl nicht so groß“, antwortet die 41-Jährige auf die Frage, wie sich ihr Leben nach dem 24. September verändern wird.

Dass die FDP die Fünfprozenthürde bei der Bundestagswahl überspringen wird, daran hegt Katja Suding keinen Zweifel. Ja, es sei noch nichts entschieden und der Wahlkampf stehe erst ins Haus, gibt sie zu. Doch bundesweite Umfragen sagen den Liberalen schon über einen längeren Zeitraum zwischen acht bis neun Prozent voraus.

Zur Person

Noch aber ist sie Vorsitzende der FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft – und in dieser Position unangefochten. Ist ein Thema wichtig, kommentiert sie es. Ist sie in einer strategischen Frage unentschlossen, gilt ihre Unentschlossenheit auch für die Partei.

Erst mochte sie nach dem G20-Desaster den Rücktritt von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nicht fordern, wie es ihr CDU-Kollege Andre Trepoll tat. Dann meinte sie in der Bürgerschaft: wenn der Senatschef ein anständiger Kerl wäre, würde er sein Amt aufgeben.

Rennen um ihre Nachfolge läuft längst

In der Frage, wer von Katja Suding den Fraktionsvorsitz übernehmen wird, gilt ihre Ansage: Das Fell des Bären darf erst verteilt werden, wenn dieser erlegt ist. Diese Frage werde nach der Wahl im September entschieden, sie halte sich da raus, sagt sie und lächelt wieder.

Diesmal wirkt es rätselhaft. Als Hamburger FDP-Chefin wird sehr wohl ein Wörtchen mitreden. Zumal der künftige Fraktionschef als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 2020 infrage kommt. Und so hat hinter den Kulissen längst ein Wettrennen um die Gunst der Königin begonnen.

Beiden Suding-Stellvertretern, Anna von Treuenfels-Frowein und Michael Kruse, werden Ambitionen nachgesagt. Die Entscheidung, wer am Ende gewinnt, dürfte knapp ausgehen. Die Noch-Chefin soll lieber eine Nachfolgerin haben wollen, heißt es. Die Frage danach perlt an ihr und ihrem Lächeln ab. „Ich bin überzeugt, dass die Fraktion nach dem 24. September einvernehmlich eine gute Lösung finden wird. Bis dahin gibt es auch nichts zu besetzen.“

Geschacher in Hinterzimmern

Was wie Geschacher in Hinterzimmern aussieht, ist für Hamburgs Liberalen ein Fortschritt. Noch vor zehn Jahren galt die Partei als Chaostruppe. Parteitage, auf denen die verschiedenen Fraktionen sich offen bekriegten, ein Spitzenkandidat, der kurz vor der Wahl hinwarf – all das führte dazu, dass die einst drittstärkste politische Kraft in Hamburg bei den Bürgerschaftswahlen 2004 und 2008 an der Fünfprozenthürde scheiterte.

Dann kam Katja Suding. Ihre Anhänger bezeichnen sie gern als Retterin. Sie führte die Partei 2011 – mit dem besten Ergebnis seit 37 Jahren – in die Bürgerschaft zurück und sicherte vier Jahre später deren Verbleib im Parlament. Das Bemerkenswerte: Ihre Wahlkämpfe waren extrem auf ihre Person fixiert. Noch heute fragen manche Hamburger, wenn sie auf die FDP-Chefin angesprochen werden: „Ist das nicht die Politikerin mit dem Ostfriesennerz?“ 2011 trug Katja Suding auf vielen Wahlplakaten eine quietschgelbe Regenjacke.

„Authentisch sein“

„Politische Kommunikation findet heute zu jeder Zeit an jedem Ort statt. Sie zu personalisieren, die Botschaften mit einem Kopf zu verbinden, macht mehr Sinn denn je. Das war hier in Hamburg der richtige Weg und das ist es jetzt auch im Bund.“ Wieder lächelt sie, dieses Mal stolz. Christian Lindner, der Spitzenkandidat der Bundes-FDP, setzt allerdings derart auf seine Person, dass selbst Parteimitglieder fragen, ob es bei der FDP auch politischen Inhalt gibt.

„Person und Kampagne müssen authentisch sein“, sagt Suding. Sie weiß, wovon sie spricht. In Anlehnung an die Hollywood-Serie „Drei Engel für Charlie“ posierte sie vor gut eineinhalb Jahren unter dem Motto „Drei Engel für Lindner“ im Magazin „Gala“ – als Engel natürlich. „In der Politik hilft es, wie ein Engel zu wirken“, sagte Suding seinerzeit, wohl wissend, dass viele Menschen sie als attraktiv beschreiben dürften. Allerdings hätten schöne Menschen es schwerer, als intelligent wahrgenommen zu werden, fügte sie hinzu.

Der gelbe Friesennerz machte Katja
Suding 2011 bekannt
Der gelbe Friesennerz machte Katja Suding 2011 bekannt © dpa

„Ich hatte nie den Plan, in die Politik zu gehen“, sagt die 41-Jährige heute – dieses Mal mit einem gewinnenden Lächeln. Das klingt nicht unplausibel, denkt man an 2008 oder 2009 zurück, an jene Zeit also, in der ihr politischer Stern aufging. Unsicher wirkte Katja Suding seinerzeit. Wenn sie eine Rede ablas, traf sie oft nicht den richtigen Ton. Wer damals auf eine politische Karriere der Seiteneinsteigerin – sie war 31 Jahre alt, als sie der FDP beitrat - gewettet hätte, der hätte viel Geld gewonnen.

Heute ist die Wirkung von Katja Suding eine andere. Sie strahlt Souveränität aus und wirkt selbstsicher. Eine mitreißende Rednerin mag sie noch immer nicht sein. Verstecken muss sich die 41-Jährige aber keineswegs. Wer ihr begegnet, erlebt Distanz, manchmal sogar Unnahbarkeit. So etwas kommt in Hamburg aber gut an. Katja Suding hat etwas zerbrechlich Zartes an sich, das viele in ihren Bann zieht. Aber: Diese Fragilität verdeckt auch Eigenschaften, ohne die sie es nie so weit gebracht hätte.

Führungsstreit mit Silvia Canel

Wenn Katja Suding heute von einem Team in Partei und Fraktion spricht, das gut zusammenarbeite und davon, „dass wir einander vertrauen“, klingt das überaus freundlich. Ihr Satz „Es ist nicht ein einziges Mal passiert, dass Inhalte aus einem vertraulichen Gespräch an die Öffentlichkeit gerieten“, besagt aber auch: Keiner will es sich mit der Chefin verscherzen.

Auch mag Katja Suding an diesem Sommertag sagen, „mein Leben hat sich gar nicht so verändert“, sie habe gute Freunde und daher „zu Misstrauen keinen Grund“. Wer aber mit Weggefährten spricht, erfährt, dass sie hartnäckig und zielgerichtet ihre Ziele verfolge und sehr wohl wisse, „die eigenen Truppen“ zu nutzen.

Für die Öffentlichkeit sichtbar gewann sie den Führungsstreit mit der Ex-Bundestagsabgeordneten Silvia Canel, die längst in politischer Bedeutungslosigkeit versunken ist. Im Rennen um die aktuelle FDP-Spitzenkandidatur schlug sie den Ex-Bundestagsabgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen deutlich.

Künftige Bundesministerinin: „Echt jetzt?“

Katja Suding wird also wohl präpariert in das Berliner „Haifischbecken“ wechseln. „Inhaltlich habe ich mich noch nicht festgelegt“, sagt sie. „Möglicherweise konzentriere ich mich auf Verkehrspolitik. Das ist ein für Hamburg wichtiges Thema.“ Angesichts der anhaltenden Flüchtlingskrise könne sie sich allerdings auch ein Engagement in der Entwicklungshilfe und bei Fragen der Menschenrechte vorstellen.

Auf den Hinweis, im Falle einer schwarz-gelben Bundesregierung gebe es reichlich Bedarf an FDP-Ministerinnen, reagiert Katja Suding wie üblich: mit einem Lächeln. Dieses Mal soll es dem Gegenüber aber sagen: „Echt jetzt?“ Die Ungewissheit über ihre Chance, Bundesministerin zu werden, ist wahrscheinlich nicht einmal gespielt. Diese hängt davon ab, was der FDP-Frontrunner Christian Lindner von seinem „Hamburger Engel“ wirklich hält. In der Politik zählen öffentliche Sympathiebekundungen oft genauso wenig wie hinter vorgehaltener Hand erzählte und von Neid geprägte Geschichten.

Am Ende hängt gerade in der Politik vieles von (glücklichen) Umständen ab. Ihre politische Karriere habe sie jetzt dahin geführt, wo sie stehe, sagt Katja Suding und fügt hinzu: „Ich würde aber nicht jeden Preis zahlen um voranzukommen.“ Ihr Lächeln in diesem Moment ist unbezahlbar.