Hamburg. Der Bezirk soll angewiesen werden, die Nachverdichtung am Mühlenkampkanal zügig zu genehmigen. Kritik kommt nicht nur von den Linken.
Mal sind es Pläne für zusätzliche Wohnhäuser in Innenhöfen, dann wieder sollen Grünflächen im Stadtteil bebaut werden: An vielen Stellen in Hamburg führt das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm des Senats zu Anwohnerprotesten. Manchmal melden diese dann ein Bürgerbegehren an, um eine Änderung der Pläne zu erreichen.
So geschehen bei der geplante Nachverdichtung zwischen Dorotheenstraße und Mühlenkampkanal. Hier will die Robert Vogel KG das Projekt Dorotheen-Kai realisieren und zwischen drei bestehenden Hochhäusern insgesamt 120 Wohnungen errichten. Gegen das Vorhaben hatte die Initiative „SOS Mühlenkamp“ am 25. Juli ein Bürgerbegehren angemeldet.
"Sperrwirkung von Bürgerbegehren vermeiden"
Dagegen will der Senat jetzt offenbar rigoros vorgehen: Die Fraktionen im Bezirk Hamburg-Nord haben bereits den Entwurf für eine noch in Abstimmung befindliche Anweisung der Stadtentwicklungsbehörde erhalten. Darin werden sie aufgefordert, Maßnahmen für eine „zügige Genehmigung des Bauvorhabens“ zu schaffen. „Um die wohnungspolitischen Ziele des Senats zur Genehmigung von 10.000 Wohneinheiten pro Jahr... zu erfüllen, soll dieser Senatsdrucksachenentwurf ... die Sperrwirkung eines Bürgerbegehrens vermeiden“, heißt es in einem Begleitschreiben. Es erscheine geboten, das Bezirksamt „anzuweisen, den Bebauungsplan Winterhude 23 zügig durchzuführen und festzustellen“.
Die Linksfraktion in Hamburg-Nord kritisiert sowohl das Vorgehen des Senats als auch die Kurzfirstigkeit. „Wir müssen innerhalb von zwei Tagen eine Stellungnahme abgeben. Normalerweise haben wir vier Wochen Zeit, uns mit einer Senatsdrucksache auseinanderzusetzen“, sagt Rachid Messaoudi, Stadtentwicklungs-Sprecher der Fraktion. Eine politische Debatte auf Bezirksebene wäre damit nicht mehr möglich. Der Bezirks habe keine wirkliche Entscheidungskompetenz mehr.
Sanierungsbedarf schon 2009 bekannt
Auch die vom Senat genannten Gründe für die Anweisung beanstanden die Linken. So werde in der Drucksache auf eine „besondere zeitliche Dringlichkeit“ hingewiesen, da eine Sanierung der Tiefgarage dringend notwendig und für die Durchführung des Bauvorhabens unerlässlich sei. „Diese Argumentation ist für uns nicht hinnehmbar, denn ein dringender Sanierungsbedarf war schon 2009 bekannt“, heißt es. Wenn eine Gefahr bestehe, müsste man die Garage sperren und dann das Bürgerbegehren abwarten.
Die Behauptung des Senats, bei dem Vorhaben werde bezahlbarer Wohnraum geschaffen, wird ebenfalls angezweifelt. Die Robert Vogel KG habe ausdrücklich bekundet, eine Nettokaltmiete von weniger als neun Euro pro Quadratmeter nur für die ersten fünf Jahre zu erheben, so die Linken. „Danach könnten sich alle Neuvermietungen und alle anderen Mieten nach dem Hamburger Mietenspiegel richten“, so Messaoudi. Es werde also nicht unbedingt langfristig günstiger Wohnraum für Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen geschaffen.
SPD, Grüne und CDU lehnen Vorgehen ab
Kritik kommt auch von den Grünen.„Wir unterstützen das Bauvorhaben Dorotheen-Kai, sehen aber die Senatsanweisung sehr kritisch“, sagt Fraktionschef Michael Werner-Boelz. „Eine solche Weisung des Senats sollte immer nur als letztes Mittel genutzt werden und nur im Ausnahmefall bei übergeordnetem gesamtstädtischen Interesse eingesetzt werden.“ Das sei aber bei dem vergleichsweise kleinen Bauprojekt nicht zu erkennen.
Auch die SPD, die mit den Grünen in Hamburg-Nord die Regierungskoalition bildet, ist mit dem Vorgehen des Senats nicht einverstanden. Vielmehr aber stört Parteichef Thomas Domres, dass Baulandplanung überhaupt Gegenstand von Bürgerbegehren sein kann. „Das hätte die Bürgerschaft schon längst gesetzlich regeln können.“
Die CDU empfindet es als "Missachtung der bezirklichen Gremien", die Anweisung in der Sommerpause zu erlassen. Zudem sei sie völlig überraschend gekommen. "Auf ein Bürgerbegehren mit der Weisung an das Bezirksamt zu reagieren, Planrecht zu schaffen,widerspricht dem Gedanken der Bürgerbeteiligung und ist im höchsten Maße undemokratisch", so Elisabeth Voet von Vormizeele, Sprecherin für Stadtentwicklung.
Auch Bürgerbegehren in Altona ausgehebelt
Es ist nicht das erste Mal, dass in Hamburg-Nord Bürgerbegehren "kassiert" werden. Trotz eines erfolgreichen Bürgerentscheids der Initiative „Rettet das Freibad Ohlsdorf“ von 2009 hält das Bezirksamt an Wohnungsbau auf dem Gelände fest. Ein Bürgerentscheid der Initiative „Stoppt Langenhorn 73“, die die Umgestaltung der Wulffschen Siedlung verhindern wollte, wurde vom Senat 2011 außer Kraft gesetzt. 2015 wurden mit „Eden für jeden“ (gegen die Vernichtung von Kleingärten für das Pergolenviertel) und der „Initiative Stockflethweg“ (gegen den Ausbau der Langenhorner Chaussee und das Fällen etlicher Bäume) gleich zwei Bürgerbegehren ignoriert.
Auch in Altona wurde im Mai diesen Jahres ein Bürgerbegehren per Anweisung ausgehebelt: Dort hatte sich Nachbarn gegen die Nachverdichtung eines Hinterhofes an der Stresemannstraße in Bahrenfeld ausgesproche.
Um dieses Vorhaben geht es:
Auf dem Grundstück Dorotheenstraße 10 – 16 am Mühlenkampkanal in Winterhude stehen drei 13-geschossige Hochhäuser, die abweichend vom Baustufenplan Winterhude im Jahr 1961 errichtet wurden. Weil sie das Maß der vorgegebenen baulichen Nutzung sprengten, so die Initiative SOS Mühlenkamp, sei als Ausgleich der frei bleibende Teil des Grundstücks als offene Grünfläche angelegt worden. Zudem wurden im Bebauungsplan Winterhude 18 die Baugrenzen festgelegt, die keine weitere Gebäude zuließen.
Nun plant die Robert Vogel KG entlang des Ufers des Mühlenkampkanals den Bau von Riegeln mit bis zu sechs- und siebengeschossigen Häusern. Ermöglichen soll das der neue, vorhabenbezogene Bebauungsplan-Entwurf Winterhude 23. Die Initiative „SOS-Mühlenkampkanal“, die von Anwohnern gegründet wurde, will diesen „unmäßigen Eingriff in die Gewässer- und Erholungslandschaft“ verhindern.