Hamburg. Es gibt auffällige Parallelen zur Täterbeschreibung des Unbekannten. Generalbundesanwalt prüft Fall Ahmad A.
Ahmad A. hatte ein Toastbrot kaufen wollen und den Edeka-Supermarkt bereits wieder verlassen. Dann kehrte er unvermittelt zurück und ging mit einem großen Küchenmesser bewaffnet zielgerichtet auf zufällig anwesende Passanten los.
Der 26-jährige in den Vereinigten Arabischen Emiraten geborene Palästinenser, der am Freitag in Barmbek einen Mann tötete und sieben Menschen zum Teil schwer verletzte, war – so die Sicherheitsbehörden – ausreisepflichtig, islamistisch motiviert und psychisch labil.
Mitbewohner beschrieben den Angreifer als Außenseiter
Mitbewohner aus dem Flüchtlingsheim Kiwittsmoor beschrieben den Angreifer als Außenseiter. Der Mann habe früher viel Alkohol getrunken, Haschisch geraucht, Kokain konsumiert und Fußball gespielt. Zuletzt habe er jedoch sein Zimmer kaum noch verlassen. Er sei „verrückt“, habe oft „Allahu Akbar“ über den Flur gerufen.
Diese Beschreibung deckt sich mit Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden. So habe sich im September vergangenen Jahres ein Freund des Täters bei der Polizei gemeldet und erklärt, er habe bei dem 26-Jährigen eine Radikalisierung bemerkt, sagte Verfassungsschutzchef Torsten Voß. Demnach habe Ahmad A. in Flüchtlingscafés in traditioneller Kleidung lautstark Koran-Suren rezitiert.
Ahmad A. kam aus Norwegen nach Deutschland
Auf den Hinweis des Freundes hin führten Beamten des Verfassungsschutzes im November vergangenen Jahres ein Gespräch mit dem Mann. Man habe anschließend jedoch nicht geglaubt, dass von ihm eine Gefahr ausgehe, berichtete Innensenator Andy Grote (SPD). Er sei als Islamist, aber nicht als Dschihadist“ in die entsprechenden Datenbanken aufgenommen worden.
Voß verwies darauf, dass der Angreifer einer von 800 in Hamburg gespeicherten Islamisten sei. Bei dem Gespräch mit Mitarbeitern seiner Behörde habe dieser den Eindruck vermittelt, eine „destabilisierte und verunsicherte Persönlichkeit“ zu sein. Zudem habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass der Mann in die Hamburger Islamistenszene eingebunden sei.
Er lebte in Norwegen, Schweden und Spanien
Eine Überprüfung des Mannes ergab nun, dass er im März 2015 aus Norwegen kommend in Deutschland einreiste und sich in Dortmund meldete. Von dort sei er nach Hamburg verteilt worden, wo er im Mai 2015 – also noch vor der Flüchtlingskrise – einen Antrag auf Asyl gestellt habe, sagte Innenstaatsrat Bernd Krösser.
Zuvor habe der Mann mehrere Jahre in mehreren europäischen Ländern – Norwegen, Schweden und Spanien – gelebt und dort teilweise gearbeitet. Einer seiner Brüder wohnt in Skandinavien, seine Familie in Palästina. Er habe auf Asyl in Deutschland gehofft, nachdem ihm in Norwegen mitgeteilt wurde, dass er dort keine Chance habe.
Verfahren für den Täter war „idealtypisch“
Warum es vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine Rückfrage in Norwegen gegeben habe und der Mann nicht gemäß der europaweit geltenden Dublin-Vereinbarung umgehend wieder abgeschoben worden sei, sei bislang unklar, sagte Krösser. Allerdings habe es keine Zweifel an seiner Identität gegeben, da der Mann, der sehr gut Englisch, Norwegisch und Schwedisch sprechen soll, eine Geburtsurkunde vorlegen konnte. Sein Antrag auf Asyl sei im Dezember 2016 abgelehnt worden, sagte der Innenstaatsrat. Seitdem liefe das Ausreiseverfahren.
Nach Krössers Worten war das Verfahren für den Täter „idealtypisch“. So sei er sehr kooperativ gewesen. „Der Mann hatte sich noch am Freitag bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob seine Passpapiere eingetroffen seien“, ergänzte Innensenator Andy Grote. Die Palästinensische Mission in Berlin habe an der Erstellung von Ausweisersatzpapieren mitgewirkt. „Das war ein Fall, der eher ganz gut gelaufen ist und der in den kommenden Wochen zu einer Ausreise geführt hätte“, sagte Grote.
Warum war Ahmad A. nicht in psychiatrischer Behandlung?
Unklar blieb am Wochenende, warum der Mann nicht in psychiatrischer Behandlung war. Das hatte der Verfassungsschutz empfohlen, es war aber von der Polizei bis zur Bluttat am Freitag nicht umgesetzt worden. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer räumte ein, dass er dazu auch noch Fragen habe.
Gegen den Täter wurde inzwischen von einem Richter Haftbefehl wegen des Verdachts auf vollendeten Mord und fünffachen versuchten Mord erlassen. Es hätten sich „keine belastbaren Hinweise“ für eine verminderte Schuldfähigkeit ergeben, sagte die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Zum Tathergang oder seinem Motiv habe der Mann keine Angaben gemacht, wohl aber zur Person.
Neue Ermittlungsansätze im Fall Viktor E.
Die Tat von Barmbek gibt auch neue Ermittlungsansätze im Fall Viktor E. Der 16-Jährige war am 16. Oktober 2016 an der Kennedybrücke erstochen worden. Der Täter war aus dem „Nichts“ gekommen, hatte die Freundin des Opfers in die Alster geschubst und dann den Jugendlichen durch Messerstiche getötet.
„Es gibt auffällige Parallelen bei der Beschreibung und dem Aussehen des im Zusammenhang mit der Tat in Barmbek festgenommenen Mannes“, sagt ein Beamter. Der Messerstecher von der Kennedybrücke wurde als 23 bis 25 Jahre alter Südländer beschrieben. Ahmad A., der jetzt in Barmbek festgenommen wurde, ist ein 26 Jahre alter Palästinenser. Jetzt wird unter anderem sein Handy eine Rolle bei den Ermittlungen spielen. Seine Nummer wird mit den Handynummern abgeglichen, die am 16. Oktober rund um den Tatort eingeloggt waren. Auch andere Ermittlungsansätze werden untersucht. Das Handy und weitere elektronische Geräte wurden am Freitag sichergestellt.
Der Generalbundesanwalt will noch am Dienstag darüber entscheiden, ob er den Fall Ahmad A. an sich zieht.