Hamburg . Ob Aldi, Lidl oder Primark: Billiganbieter sind aktuell deutlich erfolgreicher als die normale Konkurrenz. Neue Läden in Hamburg.
Eine Zeit lang schien es, als habe das Motto „Geiz ist geil“ in Deutschland an Zauber verloren. Angesichts der guten Konjunktur zeigten sich die Bundesbürger spendabel. Sie kauften wieder öfter im Supermarkt ein und seltener beim Discounter. Sie gaben in Umfragen ganz generell zu Protokoll: Qualität sei ihnen wichtiger als der Preis. Doch war das vielleicht nur ein Strohfeuer. Das Branchenmagazin „Der Handel“ jedenfalls urteilte kürzlich: „Geiz ist geiler denn je“ und malte das Bild einer „Bundesrepublik Discount“ an die Wand.
Tatsächlich boomt billig in Deutschland wieder. Beispiel Lebensmittel: Lagen die Discounter 2016 beim Umsatzwachstum noch deutlich hinter den Supermärkten, so haben Aldi, Lidl und Co. in diesem Jahr wieder die Nase vorn. In den ersten fünf Monaten 2017 steigerten sie die Umsätze nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) um 4,9 Prozent. Die klassischen Supermärkte konnten da nicht mithalten. Sie kamen lediglich auf ein Plus von 2,8 Prozent. Und die großen Hypermärkte kämpften sogar mit Umsatzrückgängen.
Discounter veredelten sich
Um die Rückkehr zu alter Stärke zu schaffen, haben die Discounter an vielen Schrauben gedreht. Sie investierten Milliarden in die Modernisierung ihrer Läden, bemühten sich um attraktive Angebote für jüngere Kunden – und Aldi nahm sogar immer mehr Markenartikel in sein Angebot auf. Mit Erfolg: In der Wachstumsdynamik seien die Discounter der Supermarktkonkurrenz „aktuell schon einmal voraus“, heißt es in der GfK-Studie.
Allein die Kette Aldi Nord, die auch viele Filialen in Hamburg betreibt, steckt mehr als fünf Milliaden Euro in den Umbau der eigenen Märkte – das größte Projekt der Unternehmensgeschichte. Die neuen Filialen wirken insgesamt großzügiger als bisher. Vor allem das Angebot und die Präsentation von Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch wurde verbessert.
Textilhandel im Billigfieber
Vielleicht noch deutlicher ist die Begeisterung der Deutschen für Schnäppchen im Textilhandel. Mittelpreisige Anbieter wie Esprit oder die Hamburger Kette Tom Tailor haben es schwer. Während große Teile des Modehandels über Umsatzrückgänge stöhnen und immer mehr Boutiquen und auch traditionsreiche Modehäuser schließen müssen, eröffnen Billiganbieter wie Primark, Kik oder H&M immer neue Läden und bauen ihren Marktanteil damit weiter aus.
Primark hat es wie kaum ein anderer Anbieter verstanden, Design und extrem günstige Preise miteinander zu verbinden. Im Hamburger Billstedt- Center ist die Kette zum neuen Publikumsmagneten geworden. Während in anderen Einkaufszentren, die von dem Betreiber ECE gemanagt werden, die Umsätze eher stagnieren, legen sie dank des Billiganbieters in Billstedt deutlich zu. Insgesamt gebe es Kundenzuwächse im zweistelligen Prozentbereich, sagte ECE-Chef Alexander Otto jüngst dem Abendblatt. „In anderen Städten wie Dortmund erleben wir, dass Primark ein junges Publikum über alle Kaufkraftschichten hinweg anzieht.“
Neues Designer-Outlet
Und mit dem Designer-Outlet Saks Off 5th des Kaufhof-Mutterkonzerns HBC drängt jetzt sogar noch ein neuer Wettbewerber in die Innenstädte. Rund 40 der Schnäppchenläden sollen in den nächsten Jahren in deutschen Fußgängerzonen entstehen. In der Hansestadt könnte ein solches Geschäft beispielsweise an Galeria Kaufhof an der Mönckebergstraße angedockt werden.
„Konzepte, die den Preis in den Mittelpunkt stellen, werden vom Verbraucher gut angenommen“, ist der Branchenkenner Joachim Stumpf von der Handelsberatung BBE überzeugt. Vor allem klassische Modehändler müssten dadurch Umsatzeinbußen befürchten. Denn durch neue Konzepte wie Saks Off 5th werde nicht mehr verkauft. „Der Verdrängungswettbewerb im deutschen Textilhandel wird lediglich noch weiter verstärkt.“
Immer neue Billigketten
Doch ist damit die Liebe der Deutschen zu Schnäppchenangeboten offenbar immer noch nicht ausgereizt. In immer mehr Straßen vor allem abseits der Fußgängerzonen öffnen zurzeit sogenannte Non-Food-Discounter. Läden wie Tedi, Action, MacGeiz oder Black.de bieten ein auf den ersten Blick verwirrendes Sortiment, das von Dekoartikeln über Haarshampoo bis zu Süßigkeiten reicht und von Kette zu Kette stark variiert.
Für den Handelsexperten Markus Hepp von der Unternehmensberatung Boston Consulting füllen sie eine Lücke in den Handelssegmenten, wo sich bisher noch kein spezialisierter Billiganbieter hervorgetan hat. Die Billigketten seien „eine Art Sammel-Discounter für Haushalts-, Party- und Elektroartikel, Schreib- und Spielwaren, aber auch Drogerie- und Kosmetikprodukte“. Und sie wachsen ausgesprochen schnell. Allein Marktführer Tedi will in diesem Jahr im Schnitt in Deutschland pro Woche drei neue Filialen eröffnen, wie ein Mitglied der Geschäftsführung dem „Handelsblatt“ verriet.