Hamburg . Im Juni fielen in der Hansestadt 133,6 Liter Regen pro Quadratmeter – 70 Prozent mehr als im langjährigen Mittel von 1981 bis 2010.
Grillfest auf der Terrasse, Sonnenbad an der Elbe, Radtour ins Grüne – all das konnte man in Hamburg in den vergangenen Wochen vergessen, sofern man nicht klitschnass werden wollte. Im Juni fielen in der Hansestadt 133,6 Liter Regen pro Quadratmeter – etwa 70 Prozent mehr als im langjährigen Mittel von 1981 bis 2010 (79 l/m2). Zugleich war der Juni mit einer mittleren Temperatur von 16,6 Grad sechs Prozent wärmer als die Juni-Monate im Durchschnitt (15,6 Grad) und es gab 224,8 Sonnenstunden (197 Stunden im langjährigen Mittel), wie eine Auswertung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für das Abendblatt zeigt.
Nicht ganz so verregnet war der Juli, wobei der DWD nur die Daten bis zum 26. Juli diesen Monats berücksichtigen konnte. Aber schon bis dahin gab es mit 89,4 Litern etwa 16 Prozent mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel (77 l/m2). Die Temperatur lag mit durchschnittlich 16,8 Grad bis zum 26. Juli zwar noch unter dem langjährigen Mittel von 18,1 Grad – aber schon auf dem Niveau beispielsweise der gesamten Juli-Monate 2011 und 2007.
Regen ließ kein Sommer-Gefühl aufkommen
Nicht nur in Hamburg, auch in weiten Teilen Deutschlands waren der Juni und auch Teile des Julis zumindest bei Temperaturen und Sonnenscheindauer deutlich überdurchschnittlich – aber der ungewöhnlich lang anhaltende Regen ließ trotzdem kein Sommer-Gefühl aufkommen.
Wie sind diese teils heftigen Schauer zu erklären? Wir leben Mitteleuropa im Übergangsbereich zwischen polarer Luft im Norden und wärmerer Luft im Süden. Einen maßgeblichen Einfluss auf das Wetter hat der Jetstream, ein Starkwindband. Diese Höhenströmung entsteht, weil Tiefdruck auf Hochdruck stößt, was die Natur permanent ausgleichen will.
Wetterlage nennt sich "Trog Mitteleuropa"
Der Jetstream schwingt hin und her, er „flattert“ und bildet immer neue Ausbuchtungen. „Mal liegen wir nördlich einer Ausbuchtung, dann bekommen wir eher feucht-kühles Wetter. Dann liegen wir südlich einer Ausbuchtung und es wird wärmer“, erläutert Gerd Müller, Meteorologe von der Universität Hamburg. So erklärt sich grundsätzlich das wechselhafte Wetter, das typisch ist für unsere Breiten
Alle paar Jahre kommt es zu einer Wetterlage, die Meteorologen „Trog Mitteleuropa“ nennen. Dabei beult sich eine Windung des Jetstreams besonders stark aus. In dieser Ausbuchtung ist der Druck so niedrig, dass Luft von unten angesogen wird. Dadurch entsteht in Bodennähe ein hartnäckiges Tiefdruckgebiet – so geschehen auch in Hamburg.
Tief „Alfred“ kam einfach nicht mehr voran. Es war von Westeuropa bis nach Deutschland gezogen, flankiert von Hochdruckgebieten, die es schließlich blockierten. Also drehte sich „Alfred“ an Ort und Stelle, zog dabei feuchtwarme Luft an und drückte sie gegen die Kaltluft, was für Dauerregen sorgte. Dieser traf Teile Niedersachsens und Mitteldeutschlands noch erheblich heftiger als den Norden. „Wir hatten einfach Pech, weil es relativ viel feucht-warme Luft gab, die von dem Tief angezogen werden konnte“, sagt Gerd Müller. „Deshalb war es in Teilen Deutschlands, auch im Norden, für die Jahreszeit deutlich zu nass.“ In Süditalien dagegen sei es außergewöhnlich trocken gewesen.
Klimawandel sind die Wassermassen nicht eindeutig anzulasten
Auch wenn man „Alfred“ außen vor lässt, dürfe man sich grundsätzlich über Regen im Sommer nicht wundern, sagt Wetterexperte und Unternehmer Jörg Kachelmann. „Die groteske Wahrnehmung bei vielen Menschen im Lande ist, dass es normal wäre, wenn es jetzt wochenlang Sonne und Hitze gäbe.“ Doch Juni und Juli seien „in Deutschland die Monate mit dem meisten Regen im Durchschnitt“.
Wie wechselhaft das Wetter in diesen Monaten von Jahr zu Jahr auch in Hamburg ist, zeigt ein 10-Jahres-Vergleich. Beispiel Niederschlag: 133,6 Liter pro Quadratmeter im Juni 2017 in der Hansestadt sind ein hoher Wert, aber 2007 fielen im Juni sogar 210 Liter Regen pro Quadratmeter. Im Juni 2015 dagegen waren es nur 33,6 Liter, in den Juli-Monaten der Jahre 2011 bis 2013 lag der Niederschlag zwischen 72 und 77 Litern pro Quadratmeter.
Zunahme von Extremregenfällen
Und wer weiter zurückblickt, lernt: Seit 1936 kam es im Juni immerhin drei Mal vor, dass mehr als 133,6 Liter Niederschlag fielen, wie DWD-Meteorologin Natascha Rösler für das Abendblatt recherchierte.
Beim Juli zeigt sich im 10-Jahres-Vergleich, dass es seit 2007 in sechs Jahren mehr Niederschlag gab als im Juli 2017, als 89,4 Liter Regen niedergingen. Lässt man den Juli diesen Jahres heraus, weil die Daten unvollständig sind, nimmt sich den Juli 2017 mit 116,9 Liter Regen pro Quadratmeter und geht für einen Vergleich vor 2007 zurück, zeigt sich, dass es seit 1936 in Hamburg im Juli 18-mal vorkam, dass mehr als 116,9 Liter Regen fielen.
Dem Klimawandel sind die Gewitter in den vergangenen Wochen zwar nicht eindeutig anzulasten. Schon die Frage, ob viele und heftige Gewitter innerhalb eines kurzen Zeitraums eine Folge des Klimawandels seien, lasse sich „aufgrund der starken Zufallskomponente im Wettergeschehen in der Regel nicht einfach mit ja oder nein beantworten, sondern bestenfalls mit Wahrscheinlichkeiten“, schreibt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in dem Blog „Klimalounge“. „Sinnvoll ist vor allem die Frage, ob und wie der seit vielen Jahrzehnten fortschreitende Klimawandel die Häufigkeit oder Stärke bestimmter Wetterextreme verändert.“
Wird das noch was mit diesem Sommer?
Bei „allen verbleibenden Unsicherheiten“ deuteten nicht nur Klimamodelle, sondern auch die Summe der Beobachtungsdaten darauf hin, dass eine Zunahme von Extremregenfällen bereits stattfinde – „auch bei uns“. Der Wasserdampfgehalt sei im Zuge der globalen Erwärmung weltweit um rund fünf Prozent gestiegen – „eine erwartete Folge der Tatsache, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann“, erläutert Rahmstorf. „Im Gewitter steigt die Luft auf, der Wasserdampf kondensiert, und dabei wird Wärme frei. Je feuchter die Luft war, desto mehr Energie steht daher im Gewitter zur Verfügung.“
Ähnlich schätzt das der DWD ein, der bereits 2015 in Hamburg eine Studie präsentierte, für die erstmals die Klimaentwicklung Hamburgs und der Metropolregion bis zum Jahr 2050 simuliert wurde. Dafür berechneten Forscher auch den voraussichtlichen Niederschlag – ältere Studien konzentrierten sich auf die Temperatur. Das Hauptergebnis: „Hamburg wird wärmer und nasser“, heißt es.
Soweit die Prognosen bis 2050. Bleiben wir im hier und jetzt: Wird das noch was mit diesem Sommer? Der DWD hob am vergangenen Donnerstagmorgen alle bestehenden Unwetterwarnungen vor ergiebigem Dauerregen auf. Tief „Alfred“ ziehe nach Osten ab, hieß es. Der Regen höre damit zwar nicht auf, aber die Intensität lasse nach. Immerhin.