Hamburg/Berlin. Der US-Internethändler verkauft ab sofort frische Lebensmittel in der Hansestadt. Die Ware kommt von Berlin an die Elbe.
Das Angebot ist durchaus üppig: Erdbeeren aus Deutschland, Rumpsteaks aus Südamerika, bayerischer Emmentaler oder Hamburger Spezialitäten wie Fritz-Kola. Mit dem Verkauf frischer Lebensmittel greift der US-Internethändler Amazon die Supermärkte in der Hansestadt an. Seit Mittwoch ist der neue Lieferdienst Fresh in den meisten Hamburger Bezirken verfügbar.
„Nach unseren guten Erfahrungen in Berlin wollen wir jetzt auch möglichst viele Hamburger mit frischen Lebensmitteln versorgen“, sagt der Deutschlandchef von Amazon Fresh, Florian Baumgartner, dem Abendblatt. Das Liefergebiet reicht für den Anfang von Altona über Eimsbüttel bis nach Wandsbek und Mitte. Nicht angesteuert werden dagegen Bezirke wie Bergedorf oder Harburg. „Wir sind aber zuversichtlich, dass wir schon bald das gesamte Hamburger Stadtgebiet beliefern können“, so Baumgartner.
Artikel kommen aus Berlin
Amazon Fresh war Anfang Mai in Berlin und Potsdam mit einem Sortiment von rund 85.000 Artikeln gestartet. Inzwischen ist das Angebot auf rund 300.000 Produkte gestiegen, weil auf Kundenwunsch nun auch mehr Waren aus dem Non-Food-Sortiment zur Fresh-Bestellung hinzugefügt werden können. Dem Dienst wird zugetraut, dem etablierten Lebensmittelhandel in Deutschland starke Konkurrenz zu machen und damit den Markt umzukrempeln. Zunächst bietet Amazon den neuen Service allerdings nur den Kunden seines zahlungspflichtigen Abo-Dienstes Prime für zusätzlich 9,99 Euro im Monat an. Ab einer Bestellsumme von 40 Euro ist die Lieferung dann kostenfrei, sonst kommen noch einmal 5 Euro Gebühr hinzu.
Die Kunden in Hamburg werden nicht aus der Hansestadt direkt, sondern vom Fresh-Depot aus Berlin beliefert. Dies gilt auch für sensible Artikel wie frischen Fisch, Fleisch oder Tiefkühlprodukte. „Wir verwenden isolierte Liefertaschen mit Kälteakkus oder Trockeneis, um die Einhaltung der Kühlkette sicherzustellen“, sagt Fresh-Chef Baumgartner. Den Transport nach Hamburg übernimmt dann die Pakettochter der Deutschen Post, DHL. Spezielle Kühlfahrzeuge kommen bei dem mehrere Stunden dauernden Transport aber nicht zum Einsatz.
Für die Kunden bedeutet der längere Weg, dass sie ihre Bestellungen etwas früher als in Berlin abschicken müssen: bis 22 Uhr für die Lieferung ab 5 Uhr am nächsten Tag. Zudem können 13.000 Artikel bei Bestellung bis 10.30 Uhr am selben Tag geliefert werden. In der Hauptstadt reicht die Order bis Mittag.
Produktspezialisten überprüfen Qualität
Das Fresh-Depot, das Amazon in Berlin aufgebaut hat, ist nach den Worten Baumgartners besonders auf die Handhabung von Lebensmitteln ausgelegt. Die eingehende Frischware, die zunächst komplett im Kühlbereich landet, werde von ausgebildeten Produktspezialisten begutachtet, um eine optimale Qualität sicherzustellen.
Unabhängig davon wirkt die Halle im Norden der Hauptstadt ähnlich wie ein ganz normaler Supermarkt. Zwischen langen Metallregalen sind sogenannte Picker unterwegs, die die Kundenpakete zusammenstellen. Jeder von ihnen schiebt einen Wagen mit den markanten grünen Amazon-Zustelltaschen vor sich her. Eine Software übernimmt die Routenplanung. Direkt auf dem Bildschirm eines Barcode-Scanners wird den Mitarbeitern angezeigt, zu welchem Produkt es als Nächstes geht. Der Weg führt von den schweren Sachen, die nach unten kommen, zu den zerbrechlicheren wie Nudeln sowie frischem Obst und Gemüse, das in der Tasche ganz oben landet.
Ob Amazon mit dem neuen Angebot tatsächlich in der Lage ist, den etablierten Supermarktketten Paroli zu bieten, darüber gehen die Meinungen von Experten auseinander. „Wir wissen, dass die Messlatte im deutschen Lebensmittelhandel sehr hoch liegt“, sagt Baumgartner. Bislang wollen die Deutschen Äpfel, Karotten und Bananen vor dem Kauf noch in die Hand nehmen und begutachten, bevor sie diese in ihren Einkaufswagen packen. Der Umsatz mit Lebensmitteln aus dem Internet wuchs laut Branchenverband bevh zwischen April und Juni zwar um 28,9 Prozent auf 272 Millionen Euro. Insgesamt liegt der Anteil in Deutschland aber gerade einmal bei einem Prozent.
Noch hat Rewe die Nase vorn
Von den deutschen Supermarktketten ist bislang Rewe am besten auf die neue Konkurrenz eingestellt. Mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro betrachten sich die Kölner im Augenblick als führend im Onlinehandel mit Lebensmitteln. In gut 75 deutschen Städten ist Rewe mit eigenen Kühlwagen unterwegs und liefert Äpfel, Joghurts, Margarine oder Milch direkt bis an die Haus- oder Wohnungstür. Als Depots dienen im Gegensatz zu Amazon die lokalen Supermärkte, was die Lieferkette deutlich verkürzt.
In Hamburg kommt dieses Angebot mittlerweile weitgehend ans Sortiment eines normalen Rewe-Markts heran. Bestellt wird ähnlich per Webseite oder Smartphone-App, die Kunden können zwischen unterschiedlichen Lieferfenstern wählen. Wer seine Lebensmittel in einem eng gefassten Zeitraum wie 8 bis 10 Uhr bekommen möchte, zahlt eine Liefergebühr von 4,90 Euro, bei der Wahl eines längeren Zeitraums wird 1 Euro weniger fällig. Enthalten in der Gebühr ist auch die Lieferung von bis zu zwei Getränkekisten, wer mehr bestellt, muss noch extra zahlen. Eine Abogebühr wie bei Amazon gibt es aber nicht.
Um 60 Prozent hat Rewe den Umsatz in Onlinebereich im vergangenen Jahr erhöhen können, schreibt in dem noch jungen Geschäftszweig aber rote Zahlen. Zu aufwendig ist die Logistik, zu preissensibel sind die Verbraucher.
Die Hamburger Edeka-Gruppe, Deutschlands größte Supermarktkette, experimentiert derzeit zwar mit diversen Onlinekonzepten, eine einheitliche Strategie wie bei Rewe ist aber nicht erkennbar. Die Angebote reichen von der Lieferung von Lebensmitteln in spezielle Aufbewahrungsboxen am Stuttgarter Bahnhof bis zu traditionellen Bringdiensten einzelner Kaufleute.
Seit der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann gehört zwar der Onlinesupermarkt Bringmeister zur Edeka-Gruppe, doch der ist bislang ausschließlich in Berlin und München aktiv. Edeka-Chef Markus Mosa will erst das Angebot perfektionieren, bevor eine weitere Expansion denkbar ist. Im Augenblick gibt es nach seiner Ansicht noch niemanden, der mit dem Verkauf frischer Lebensmittel im Internet Geld verdient.