Hamburg. Der DAX nimmt einen neuen Anlauf auf die Marke von 13.000 Punkten. Mittelfristig gesehen bieten sich trotz hoher Kurse noch Chancen.

Bis auf rund 110 Zähler hat sich der Deutsche Aktienindex (DAX) kürzlich der Schwelle von 13.000 Punkten genähert. Zwar musste der Markt dann erst einmal Atem holen. Ein neuer Anlauf, auch die neue Rekord­marke zu überwinden, dürfte nach Einschätzung von Analysten aber in den nächsten Wochen bevorstehen.

Trotz des hohen Kursniveaus steht für Anlageexperten fest, dass es zum Aktienmarkt angesichts der voraussichtlich noch länger anhaltenden Niedrigzinsphase kaum eine Alternative gibt. Das Abendblatt fragte bei Hamburger Banken nach, welche Titel für Anleger, die nicht auf schnelle Gewinne setzen, sondern mit einer Perspektive von mehreren Jahren investieren, besonders interessant sind.

Gerresheimer

Zu den Titeln, die das Expertenteam des Hamburger Privatbankhauses Berenberg für besonders aussichtsreich hält, gehören die Papiere des Düsseldorfer Glasverpackungsherstellers Gerresheimer. Mit seiner umfassenden Produktpalette und der globalen Präsenz könne das Unternehmen vom weltweiten Wachstum des Verbrauchs von pharmazeutischen Erzeugnissen profitieren; die Berenberg-Analysten schätzt hierfür ein Plus von drei bis vier Prozent pro Jahr. Das kapitalintensive Geschäft, die hohe Qualität und die genauen Kenntnisse der Regulatorik sorgten dafür, dass die Hürden, die potenzielle Wettbewerber zu überwinden hätten, immer höher werden.

Asos

Asos gehört in Deutschland sicher nicht zu den bekanntesten Namen im Online-Bekleidungshandel – da liegt zum Beispiel Zalando deutlich weiter vorn. Doch die Berenberg-Analysten sehen für das britische Unternehmen, das sich auf modebewusste Menschen in den 20-ern konzentriert, erhebliches internationales Wachstumspotenzial. Erst im März eröffnete ein neues Versandlager in Berlin. Rund 50 Prozent des Umsatzes macht Asos mit Produkten der eigenen Marke, die deutlich höhere Gewinnmargen erzielen. Die Analysten erwarten eine Steigerung der Erlöse (2016: umgerechnet 1,6 Milliarden Euro) in diesem Jahr um 34 Prozent und um 29 Prozent im kommenden Jahr.

Cisco Systems

Die Papiere des im Dow-Jones-Index gelisteten IT-Konzerns Cisco Systems gehören nach Einschätzung von Sönke Niefünd, Leiter der Vermögensverwaltung beim Hamburger Bankhaus Otto M. Schröder, zum festen Bestandteil eines Dividendenaktien-Portfolios: Die Dividendenrendite des Netzwerkspezialisten liegt bei 3,7 Prozent – und „die Kontinuität der Dividende erscheint wahrscheinlich“, so Niefünd. Cisco sei deutlich niedriger bewertet als der Durchschnitt der Technologie-Branche und könne mit weltweiten Spitzenwerten im Hinblick auf die Nachhaltigkeit – gemessen an ökologischen und sozialen Kriterien sowie den Grundsätzen guter Unternehmensführung – punkten. Auch wenn die Quartalsergebnisse zuletzt etwas schwächer ausfielen, „wird Cisco unseres Erachtens bei der Infrastruktur des Internets weiter einen essenzieller Beitrag leisten“, so Niefünd.

Roche

Sönke Niefünd hat auch die Aktie des schweizerischen Pharmakonzerns Roche auf seine Kaufliste gesetzt. Roche weise nicht nur eine hohe operative Gewinnmarge und eine mit 3,8 Prozent „solide Dividendenrendite“ auf, sondern auch gute Werte im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Zudem stünden 29 der von Roche entwickelten Medikamente auf der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstellten Liste der unentbehrlichen Arzneien.

Fuchs Petrolub

Die im MDAX enthaltene Mannheimer Firma ist für Jörg Rahn, Leiter Vermögensverwaltung beim Bankhaus M.M. Warburg & CO, einfach ein „tolles Unternehmen“. Der Mannheimer Hersteller von Schmierstoffen sei Weltmarktführer in einem Wachstumsmarkt. „Mir gefällt sehr gut, dass hohe Eintrittsbarrieren für potenzielle Wettbewerber bestehen“, erklärt Rahn. Fuchs Petrolub habe viele für Industriekunden maßgeschneiderte Produkte im Programm, die für große Chemiekonzerne von der Menge her nicht attraktiv seien, von kleineren Firmen aber mangels technologischer Kompetenz kaum nachgeahmt werden könnten.

Marine Harvest

Die Verschmutzung der Weltmeere wird der Hochseefischerei künftig immer stärker zu schaffen machen. Davon profitiert Marine Harvest aus Norwegen, der größte Zuchtlachskonzern der Welt. „Der Bedarf an den hochwertigen Nährstoffen, die Fische bieten, wächst schnell und beständig“, sagt Rahn. Mithilfe von Aquakulturen könne ein Teil der Nachfrage gedeckt werden. „Dennoch ist die Aktie relativ günstig bewertet und weist eine Dividendenrendite von fast acht Prozent auf.“

Visa

Rund 14 Millionen Deutsche nutzen eine Kreditkarte des US-Konzerns Visa. „Weltweit dominieren Visa und MasterCard dieses Geschäft“, sagt Rahn, „ihre Karten werden von vielen Millionen Händlern rund um den Globus akzeptiert.“ Damit sei die Marktposition der beiden Konzerne schwer angreifbar. „Visa profitiert aber auch vom Wandel zum digitalen Bezahlen und gestaltet ihn mit“, so Rahn. In den vergangenen fünf Jahren ist der Kurs von Visa bemerkenswert stetig gestiegen – etwa doppelt so stark wie der Dow-Jones-Index.

Deutsche Wohnen AG

Der Wettbewerber Vonovia ist bereits ein DAX-Unternehmen, mit einem Börsenwert von fast 17 Milliarden Euro steht die Deutsche Wohnen AG an der Schwelle zur Aufnahme in den Standardwerte-Index. „Der Konzern hat einen großen Wohnungsbestand in der Boomstadt Berlin, wo sich immer mehr Wachstumsunternehmen ansiedeln und die Steigerung der Mieten noch viele Jahre anhalten wird“, sagt Rahn. Zudem setze Deutsche Wohnen auf „Premium-Immobilien“ und genieße verglichen mit Konkurrenten einen guten Ruf.

Agrana

Ein echter Nischenwert ist die Aktie der österreichischen Südzucker-Tochter Agrana. Die Firma bietet nach Einschätzung der Berenberg-Analysten mittelfristig eine der besten Wachstumsperspektiven im Sektor der Nahrungsmittelproduzenten. Agrana betreibt Zuckerfabriken in Österreich, in Rumänien, in der Slowakei, in Tschechien sowie in Ungarn. Dabei profitiert Agrana als Kartoffelstärkeproduzent den Experten zufolge auch von dem Trend, Verpackungen auf Basis von Stärke anstatt aus Kunststoff herzustellen. Die Dividendenrendite beträgt 3,8 Prozent.

Daimler

Die Befürchtung einer Ausweitung des Dieselskandals sowie der erwartete Trend zur Elektromobilität belasteten zuletzt auch den Kurs von Daimler. „Aber die Elektromobilität wird sich nicht so schnell am Markt durchsetzen wie von vielen erhofft, und die Innovationskraft von Daimler wird nach unserer Auffassung unterschätzt“, sagt Björn Göppel, persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Goyer & Göppel. Die Aktie spiegele die derzeitige Ertragskraft nicht wider, mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von weniger als acht und einer Dividendenrendite von 5,4 Prozent sei das Papier günstig.

SAP

Der Walldorfer Softwarekonzern ver­eine auch die Zukunftstrends Cloud-Computing und Künstliche Intelligenz (KI), argumentiert Göppel. In der Form digitaler Assistenten auf dem Smartphone wie Siri (Apple), Alexa (Amazon) und Cortana (Microsoft) seien KI-Vorboten schon da. „Für die Fertigungs­industrie und Maschinenbauer sind aber vorausschauende Maschinen wichtiger, und diesen Markt besetzt SAP“, so Göppel: „Wenn eine Fertigungsanlage selbst erkennt, wann sie am besten gewartet werden kann, verbessert sich die Anlagennutzung um ein Fünftel.“

ProSiebenSat.1

Das Münchner Unternehmen werde, meint Bernd Göppel, von vielen nur als klassischer TV-Anbieter wahrgenommen: „Die Beteiligungen im digitalen Bereich werden dagegen eher unterschätzt.“ Dazu gehören unter anderem die Online-Videothek Maxdome und das Vergleichsportal Verivox. Mit einer Dividendenrendite von fast sechs Prozent sei ProSiebenSat.1 für mittelfristig orientierte Anleger interessant.