Hamburg. Mehr als 300.000 Menschen sollen zum Schlagermove gekommen sein. 270 Mal mussten Rettungskräfte helfen, 35 Menschen im Krankenhaus.

In der U-Bahn stimmen Menschen, die sich noch nie gesehen haben, zusammen Lieder an und prosten sich mit Sektflaschen über die Sitzreihen hinweg zu. Sie tragen neonfarbene Perücken, balancieren riesige Sonnenbrillen auf ihren Nasen und ihre Stimmen klingen schon etwas heiser. Mehr als 300.000 Fans sind laut Veranstalter am Sonnabend nach Hamburg gereist, um den 21. Schlagermove zu feiern.

Nach den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel zieht die Kult-Parade ein knallbuntes Band durch St. Pauli. Am Heiligengeistfeld warten schon die 45 fahrenden Schlagerbühnen. „Das ist so eine geile Party“, schwärmt Sina (24) aus Freiburg. Die Studentin ist mit ihren Freunden zum vierten Mal dabei. Viel Zeit zum Plaudern bleibt nicht - denn schon rollt eine Polizeikolonne durch die Menge. Jemand stimmt eine Laola-Welle an, Tausende machen mit. Sie verneigen sich vor den vorbeifahrenden Beamten, eine kleine Erinnerung an das zurückliegende G20-Wochenende.

Die Sonne knallt auf Polyester-Perücken und Pailetten-Hüte

Schlager-Star Christian Anders führt den bunten Tross im ersten Truck an. „Komm hol' das Lasso raus“, tönt es an den Landungsbrücken. Die Feiernden empfangen die Parade mit tosendem Applaus. Bässe wummern über den Hafen, Zuschauer zünden Konfettikanonen. Im Takt der Bässe hüpfen auch die umgebauten, tonnenschweren Lastwagen: Die Besatzungen springen herum - man kann nur hoffen, dass die Achsen das aushalten.

Weinen „wenn der Regen fällt (dam dam)“ muss zu Beginn der Parade noch niemand: Sobald die Wolken Platz machen, knallt die Sonne auf Polyester-Perücken und Pailletten-Hüte. Kinder turnen am Rand des Zuges im Gras, Biene Maja summt mit Bart und Bierbauch vorbei. „Der Schlagermove ist ein Fest für alle“, freut sich Maria (48), die mit ihrem Mann und den drei kleinen Kindern aus Oldenburg gekommen ist.

Für viele Hamburger ist der Schlagermove eine Geduldsprobe

Für nicht wenige Hamburger aber ist der Schlagermove eine Woche nach dem Ausnahmezustand rund um den G20-Gipfel eine Geduldsprobe. Zusätzlich zur Kult-Parade ist am Samstag auch der Triathlon-Weltcup in Hamburg ausgetragen worden. Innensenator Andy Grote (SPD) kündigte an, diese Veranstaltungen in den kommenden Jahren zu entzerren.

Viele Anwohner von St. Pauli und der Neustadt würde das freuen. „Hamburg macht einfach zu viel“, sagt Jochen (35). Er wohnt im kleinen Portugiesenviertel hinter den Landungsbrücken und ist „total genervt, weil gefühlt alle zwei Wochen die Straßen dicht sind“.

Wer in der Großstadt wohnt, muss mit Lärm klarkommen. Aber ab wann sind es zu viele Megaevents, zu viele gesperrte Straßen und zu viele Touristen, die bis spät in die Nacht vor den Bars grölen? Spricht man am Rande dieses Schlagermoves mit Anwohnern, fragt man sich, wann Hamburg genug davon hat, Kulisse von Megaevents zu sein.

270 Einsätze für den Rettungsdienst bis zum Abend

Nina aus der Neustadt macht es anders: Sie steht mit gepacktem Koffer vor ihrer Haustür - zum Schlagermove tauscht die 29-Jährige ihre Zweizimmerwohnung mit der ihrer Eltern in Lübeck.

Wenn die Parade am Abend vorbei ist, treffen sich die Fans zur Aftermove-Party auf dem Heiligengeistfeld. In fünf Zelten feiern sie bis tief in die Nacht, und wahrscheinlich darüber hinaus. Für einige war die Party aber schon vorher vorbei: Laut Lagedienst der Feuerwehr zählten die Rettungskräfte vor Ort bis 21 Uhr rund 270 so genannte Hilfeleistungen, 35 Menschen mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Die Polizei hatte bis zum Abend noch keine genaue Einsatzzahl.