Hamburg. SPD-Kanzlerkandidat machte auf Bundestagswahlkampftour Abstecher ins Schanzenviertel – Anwohner genervt.
Nun hat auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz die G20-Krawalle im Schanzenviertel für den eigenen Bundestagswahlkampf entdeckt. Donnerstag, am späten Nachmittag entschied der 61-Jährige sich zu einer Stippvisite in dem Quartier, in dem es während des G20-Gipfels mehrere Nächte hintereinander zu schweren Ausschreitungen linksautonomer Gewalttäter gekommen war.
Viel Zeit hatte Schulz allerdings nicht mitgebracht. Keine 60 Minuten dauerte der Besuch, bei dem der Kanzlerkandidat eine Reihe von Journalisten aus Berlin mit im Schlepptau hatte und vom Altonaer SPD-Bundestagsabgeordneten Matthias Bartke begleitet wurde. Rasch wurde allen klar: Martin Schulz ging es bei seiner Stippvisite vor allem um symbolträchtige Bilder.
Rundgang startete am Neuen Pferdemarkt
Seinen Rundgang startete Schulz am Neuen Pferdemarkt. Dort hatten die Krawalle zumeist ihren Ausgang genommen oder waren eskaliert. Zwei Beamte vom Kommunikationsteam der Hamburger Polizei, sie hatten ihren Stand direkt an der Kreuzung aufgebaut, berichteten, dass in den vergangenen Tagen viele Bewohner des Viertels gekommen seien, um danke zu sagen. Zwischen 80 und 90 Prozent der Reaktionen seien positiv gewesen, meinten sie.
Dann wechselten Schulz und der Tross die Straße und steuerten die Apotheke am Neuen Pferdemarkt an. Inzwischen hatte sich Aydan Özoğuz, die sozialdemokratische Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, hinzugesellt.
Nach und nach bemerkten Passanten die größere Menschenansammlung und entdeckten Martin Schulz. Die Reaktionen von Schaulustigen auf seinen Besuch waren jedoch nicht besonders positiv „Schulz hau’ ab“ oder „Verräter“ wurde gerufen. Je länger der Spaziergang durchs Viertel dauerte, desto unangenehmer wurde die Stimmung. Schulz indes schien das nicht zu beeindrucken. Gut zehn Minuten unterhielt er sich mit dem Inhaber der Apotheke, der sein Geschäft in den Krawallnächten mit aller Kraft verteidigt hatte.
Auf dem Weg zu seiner nächsten Station wurde der Schulz von einem Ladeninhaber angesprochen. „Martin, es ist nicht gut, dass du hier bist“, sagte dieser und fügte hinzu: „Scholz hätte zurücktreten müssen.“ Der SPD-Kanzlerkandidat hielt einen Moment inne, als wollte er das Gespräch annehmen, ging dann aber weiter.
Die Krawallnacht in Hamburg:
"Welcome to Hell" – die Krawallnacht in Hamburg
Auf die Frage, was er hätte dem Mann antworten wollen, sagte Schulz später: „Bevor man wohlfeile Rücktrittsforderungen stellt, sollte man aufarbeiten, was tatsächlich geschehen ist.“ Hamburgs Erster Bürgermeister habe am Mittwoch mit einer differenzierten Regierungserklärung zur „Versachlichung der Debatte“ beigetragen. Mit dieser Erklärung beginne jetzt die Phase der Aufarbeitung.
„Es gibt ein großes Dialogbedürfnis“
Als Fazit seines Besuches sagte Schulz: „Es gibt ein großes Dialogbedürfnis.“ Sowohl Polizeibeamte als auch betroffene Anwohner gingen sehr differenziert mit den Ereignissen während des G20-Gipfels um. „Ich würde mir wünschen, eine so rationale und auf Verständigung und Dialog ausgerichtete Form der Aufarbeitung würde bundesweit stattfinden.“
Kritik übte Schulz daran, dass sich nach dem Gipfel viele Menschen zur Taktik der Polizei äußern würden. „Ich stelle auch fest, dass wir mehrere Millionen Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten und Einsatzführer in Deutschland haben, die alles besser wissen und vorher schon wussten, wie es hätte laufen müssen.“