Hamburg/Berlin. Der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder fordert, diese Gruppe zu isolieren. Hamburg war für Gewalttäter „besonders anziehend“.

Sie warfen Steine auf Anwohner, zündeten Barrikaden an und plünderten Geschäfte – was ist zu tun gegen militante Linksextremisten wie jene, die im Schanzenviertel für Angst und Schrecken sorgten? „Gemäßigte und radikale Linke müssen sich deutlich von solchen Taten distanzieren und klarmachen, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung sein darf. Das würde die militanten Linksextremisten isolieren“, sagt der Politikwissenschaftler und Extremismusforscher Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin. Es gebe zwar Linken-Politiker, die Kritik an den Gewalttätern übten. „Aber es fehlt an dem Mut, einen Trennungsstrich zu den militanten Linken zu ziehen.“

Nach Ansicht von Schroeder wird der Linksextremismus von Teilen der Gesellschaft verharmlost. „Man hat sich fixiert auf den Rechtsextremismus, seine Bekämpfung und die Prävention, aber dabei den Linksextremismus aus dem Blick verloren.“

Militante wollen bürgerlichen Staat zerschlagen

Das habe auch damit zu tun, dass sich am Kampf gegen den Rechtsextremismus auch viele Linksextremisten beteiligten, was ihnen eine gewisse Sympathie beschere, sagt Schroeder. „Der antifaschistische Kampf vereint die Linke aller Schattierungen. Deshalb möchten viele nicht sagen, dass es auch linke Gewalt gibt.“ Nach der jüngsten Statistik des Bundeskriminalamtes liegen die Zahlen linker und rechter politisch motivierter Gewalttaten auf gleichem Niveau, so der Forscher.

Nach Ansicht einiger Beobachter würden durch staatliche Anti-rechts-Programme auch linksextremistische Gruppen finanziert. Das lasse sich aber nicht belegen, eine Studie sei nötig.

Hamburg habe beim G20-Gipfel wohl besonders anziehend auf Gewaltbereite gewirkt. „Sicherlich wären etliche militante Linksextremisten ohnehin gekommen, aber vielleicht nicht so viele“, sagt Schroeder. „Hamburg ist verheißungsvoll. In der Stadt gibt es eine harte militante Szene. Es war für Linksextreme von außerhalb zu erwarten, dass es heftig zur Sache gehen wird.“

Bei den Randalierern handele es sich um kleine Gruppen aus Deutschland und dem europäischen Ausland. „Sie nennen sich Antifa oder Autonome, sie wollen den Kapitalismus abschaffen und gleichzeitig den bürgerlichen Staat zerschlagen, um eine neue Gesellschaft – sei es eine kommunistische oder anarchistische – aufzubauen.“

Camps können Gewalttätern helfen

Wie ist die Zerstörungswut der Randalierer zu erklären? Viele der militanten Linksextremisten seien „aggressiv aufgeladen“, sagt Schroeder. Das könne individuell begründet sein oder mit Gruppenprozessen zu tun haben. „Dahinter kann etwa die Wut stecken, ausgeschlossen zu sein vom System, nicht erreicht zu haben, was man erreichen wollte.“ Ein weiterer Grund könne Wohlstandsverwahrlosung sein.

Gemeint ist mit diesem Begriff, dass etliche Kinder und Jugendliche zwar in Wohlstand aufwachsen, aber nicht genügend emotionale Zuwendung bekommen. „Außerdem gibt es die simple Lust an der Zerstörung – auch in der rechten Szene“, erläutert der Wissenschaftler. „Einige sind nur auf Gewalt und Krawall aus. Es ist in, dabei zu sein; es hat für die Beteiligten Abenteuercharakter.“

Camp-Anmelder müssen Auflagen erhalten

Wie hätten militante Linksextremisten reagiert, wenn das Schanzenviertel von der Polizei besser gesichert gewesen wäre? „Dann wären die Gewaltbereiten und Randalierer woanders hingegangen“, sagt Schroeder.

Helfen Camps wie das im Altonaer Volkspark Randalierern? Ja, sagt Schroeder. „In einem Camp kann man sich absprechen und Material wie Eisenstangen und Zwillen lagern.“ Für ein Verbot solcher Camps ist der Forscher aber nicht grundsätzlich. „Man muss vielmehr den Anmeldern Auflagen machen und dafür sorgen, dass sie Gewalttäter nicht aufnehmen“, sagt Schroeder.