Kritische Kampagne des Hamburger Getränkeherstellers provoziert Veranstalter. Expansion in Europa und neue Sorten geplant.
Das fängt ja gut an. Der Chef von Fritz-Kola kommt, und es gibt keine einzige Flasche der Hamburger Koffeinbrause in der Abendblatt-Redaktion. Also, auf zum gemeinsamen Einkauf im Supermarkt gegenüber. Zielsicher holt Mirco Wolf Wiegert die Flasche mit dem charakteristischen Gründerkonterfei im Logo aus dem Regal – für das spätere Foto. Zum Gespräch nimmt er dann aber doch lieber Kaffee mit Milch. „Morgens immer, Kola trinke ich eher ab mittags“, sagt der 42-Jährige. Jetzt ist es kurz nach acht Uhr. Wiegerts Tage sind derzeit ziemlich durchgetaktet. Das liegt auch am bevorstehenden G20-Gipfel in Hamburg. Aber dazu später mehr.
Seit dem überraschenden Ausstieg von Mitgründer Lorenz Hampl vor einem halben Jahr führt Mirco Wolf Wiegert als geschäftsführender Gesellschafter allein die Fritz-Kulturgüter GmbH – und hat in kurzer Zeit ziemlich viel bewegt. Neue Gesellschafter, ein weiterer Geschäftsführer mit Erfahrung in der Getränkebranche, Expansionspläne in europäischen Metropolen, zum Jahresende steht der Umzug vom jetzigen Standort in Billbrook in eine zentrale Innenstadtlage an. Wiegert, eigentlich eher so etwas wie der Punk unter den Hamburger Unternehmern, sagt zu den Veränderungen: „14 Jahre nach der Gründung ist es okay.“
Fritz Kola nur in Mehrwegflaschen aus Glas
2003 sei es eine Revolution gewesen, eine neue Cola auf den Markt zu bringen. Jetzt gehe es darum, „mit echten Werten zu überzeugen“. Aber welche Werte braucht man für die Produktion von Brause? Für ihn sind das: konzernunabhängig zu bleiben. Aber auch, das Sortiment der Szenemarke weiterhin ausschließlich in Mehrwegflaschen aus Glas abzufüllen. „Wir sind in dieser Unternehmensgröße die Einzigen, die keine PET-Flaschen haben“, sagt er. Wichtig ist ihm zudem, bei der Einrichtung des neuen Büros auf 600 Quadratmetern am Steintorplatz Holz statt Plastik einzusetzen.
Wiegert, sanftes Lächeln, Rucksack, schwarzes Fritz-Kola-Shirt, hatte bereits im Februar zwei gestandene Manager als Investoren an Bord geholt. Florian Rehm aus der Unternehmerfamilie Mast (Jägermeister) und Dirk Lütvogt, Chef des Abfüllbetriebs Auburg Quelle, stiegen bei Fritz-Kola ein. Gründer Wiegert bleibt mit zwei Dritteln Mehrheitseigner. Normalerweise verkaufen junge Unternehmen Anteile, weil sie Geld brauchen. Das war auch bei Fritz-Kola nach dem Ausstieg von Mitgründer Hampl nicht anders. Außerdem, sagt Wiegert, habe er einen qualifizierten Austausch auf Gesellschafterebene gesucht. Er verantwortet das operative Geschäft, vom Herbst an zusammen mit Winfried Rübesam als Co-Geschäftsführer. Während er Neupartner Lütvogt bereits seit Jahren kennt, sei der Kontakt zu Rehm über eine Agentur zustande gekommen. Die Entscheidung sei für „echte Unternehmer“ gefallen, mit denen er „das Verständnis teile“, über Themen wie Verantwortung, Engagement, Respekt und Nachhaltigkeit. Zur Höhe der Beteiligung gibt er keine Auskunft. „Über Zahlen reden wir nicht so gern“, ist eine Standardantwort des als äußerst verschwiegen geltenden Firmenchefs. Begründung: „Das lenkt ab.“
Wiegert dementiert Gerüchte über Börsengang
In einem anderen Punkt wird er deutlicher: Weitere Anteilsverkäufe seien nicht geplant, sagt Wiegert und dementiert damit auch Gerüchte über einen Börsengang des Limonaden-Herstellers. Zwar habe es Überlegungen in die Richtung gegeben, diese habe er aber verworfen. „Das Geschäft an der Börse ist sehr hektisch und kurzfristig orientiert“, sagt der Brause-Brauer. Dabei forciert Fritz-Kola vor allem die Expansion. Nach dem erfolgreichen Markteintritt in Warschau, Wien, Kopenhagen oder Amsterdam habe man weitere Großstädte im Blick. „Wir wachsen in den europäischen Metropolen um unseren Kernmarkt in Deutschland herum“, sagt Wiegert. 2016 sei der Anteil des Europageschäfts (ohne Deutschland) am Gesamtumsatz von 3,5 auf fünf Prozent gewachsen. Zahlen für das Geschäftsjahr sind noch nicht veröffentlicht. 2015 hatte das Unternehmen laut Jahresabschluss einen Überschuss von 2,57 Millionen Euro nach Steuern erwirtschaftet. Im Jahr 2014 waren es nur 1,33 Millionen Euro gewesen.
Auch eine Weiterentwicklung des Sortiments ist in Planung. „Da sind wir dran“, sagt Wiegert. Aktuell produziert der Hersteller 13 verschiedene Softdrinks, darunter auch Varianten mit Melone, Orange oder Mate. „Noch ein zartes Pflänzchen“ ist dagegen die Marke Anjola, die das Unternehmen vor einigen Jahren wieder reanimiert hat – mit dem Anspruch, sie in Bioqualität und über Fair Trade anzubieten. „Wir nehmen uns die Freiheit und die Zeit, das auszuprobieren“, sagt Wiegert, dem die Ananas-Brause hörbar am Herzen liegt. Der Grundstoff wird inzwischen in Sri Lanka produziert. Das soll so bleiben, auch wenn Anjola offensichtlich nicht den Massengeschmack trifft.
G20-Kampagne zeigt schlafende Staatschefs
Da schimmert er kurz durch, der Revoluzzergeist aus der Gründungszeit. In der vergangenen Woche hat das Hamburger Unternehmen unter dem Motto „Mensch, wach auf“ eine Werbekampagne gestartet. Auf riesigen Plakatwänden sind deutschlandweit die umstrittenen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan, Donald Trump und Wladimir Putin zu sehen – und zwar schlafend. Rechts unten ist das Logo des Brauseherstellers mit dem Werbeslogan „vielviel koffein“ zu sehen. „Wir wollen zur politischen Auseinandersetzung anregen“, sagt Fritz-Kola-Chef Wiegert. Die Resonanz ist nicht nur positiv.
Vor allem von Unterstützern des türkischen Staatspräsidenten habe es heftige Reaktionen gegeben. Andere kritisieren die Aufmerksamkeit heischende Verbindung zwischen politischer Botschaft und Marketingmaßnahme. „Mir ist wichtig: eine Haltung zu haben und zu zeigen“, verteidigt der Firmenchef das Engagement, das mit einer Spendenaktion für Obdachlose verbunden ist. Es gebe kontroverse Diskussionen, damit sei das Ziel erreicht. So bedeutsame Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung oder Ausbeutung dürften keine Randthemen bleiben. Sein Terminplan wird in den nächsten Tagen wohl noch etwas enger sein. Er wolle seine demokratischen Rechte wahrnehmen, sagt Wiegert. „Ich werde da sein, wo es friedlich ist.“ In dem Fall als Privatperson.
Trotzdem hat er auch als Unternehmer mit dem Gipfeltreffen zu tun. Die Hamburger Brause-Brauer wollten die Getränke für die Journalisten im Medienzentrum kostenlos zur Verfügung stellen. Die Lieferung wurde aber kurzfristig vom Bundespresseamt storniert. Ein Sprecher sagte auf Anfrage: „Das Bundespresseamt hat sich entschlossen, auf jegliches Sponsoring beim G20-Gipfel zu verzichten.“ Nach Informationen des Abendblatts hat die politische Ausrichtung der Fritz-Kola-Kampagne bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt. Alle Getränke kommen jetzt aus Bayern, von Neumarkter Lammsbräu. Und zwar gegen Bezahlung.