Hamburg. Veranstalter der Großdemo gegen G20 an der Binnenalster sprechen von 18.000 Protestlern, die Polizei von 8000. Zelten Menschenrecht.
Der schwarze Block war auch da. Als riesiger, aufblasbarer, würfelartiger Schwimmkörper trieb er mit der Aufschrift „Nur ein schwarzer Block ist ein guter Block“ über die Binnenalster. Bei der „G20 Protestwelle“, dem friedlichen Demonstrationsauftakt der Gipfelwoche, sollte er wohl die weniger friedlichen Grüße der autonomen Szene übermitteln.
Mit seinem kantigen Design wurde der Block allerdings schnell zum unkontrollierbaren Schwimmobjekt und schließlich vom Winde verweht. Humor haben sie ja, die Leute von ganz links außen. Einerseits. Andererseits war das wohl nur der harmlose Vorbote einer absehbar aufgeregten Gipfelwoche in Hamburg.
Mehr als 18.000 Menschen, 130 Boote und ein schwarzer Block haben sich am Sonntag gegen die Politik der G20 zur friedlichen Demonstration „Protestwelle“ rund um die Alster zusammengeschlossen. Die Polizei zählte zwar nur 8000 Demonstranten des breiten Bündnisses aus Umwelt-, Landwirtschafts- und Verbraucherschutzorganisationen sowie Gewerkschaften, Bürgerrechts- und kirchlichen Verbänden. Aber wie dem auch sei: „Wir freuen uns, dass trotz des schlechten Wetters so viele Menschen gekommen sind“, sagte eine Sprecherin der Veranstalter, die am Ende die Teilnehmerzahl auf 25.000 nach oben korrigieren sollte. Die Wahrheit lag augenscheinlich in der Mitte.
Platitüdenreicher Politiktalk
Es waren Menschen wie Matthias Karl aus Bergedorf, die mit Frau, Kindern und Spruchbändern auf die Straße gingen. Dem Hamburger Wissenschaftler ging es „,vor allem darum, für den Klimaschutz einzutreten“. Grundsätzlich wurden auch inakzeptable Handelspolitik, soziale Ungerechtigkeit oder die bisweilen zu beobachtende Demokratieferne der führenden Staats- und Regierungschefs angeprangert.
Ihrem Ärger machten die Demonstranten mit der gewohnten Protestfolklore Luft – Trillerpfeifen, Schilder, Musik. Botschaften wie „Planet Earth first“, „Kohle stoppen“, „Armut bekämpfen“, „Truck Fump“ oder „Trumpeltier“ waren eindeutig.
Nach der etwa einstündigen Auftaktveranstaltung, zu der auch ein plattitüdenreicher Polittalk mit den Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen, „Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht der Kohleausstieg klar geregelt ist“), Jan van Aken (Die Linke) und Niels Annen (SPD) gehörte, zogen die Teilnehmer durch die Innenstadt. Gleichzeitig waren etwa 120 mit Spruchbändern geschmückte Kanus, Kajaks und Surfbretter auf der Binnenalster unterwegs. Dazu kamen der aufblasbare schwarze Block und ein selbst gebasteltes Riesenfloß von Greenpeace. Die Umweltschutzorganisation war neben BUND, Campact, dem Verein Mehr Demokratie und dem DGB Nord Hauptausrichter der Demo.
Signal an die Politik
Angst vor Randale? „Hatte heute nur meine Frau“, sagt Matthias Karl mit Blick auf seine zwei Söhne. Tatsächlich hatten sich viele Familien in den friedlichen Protestzug gereiht. Begleitet wurde er von einem beachtlichen, aber dezent agierenden Polizeiaufgebot. Ob diese klassische Form der Demonstration noch zweckmäßig sei, wisse er allerdings auch nicht, so Matthias Karl. Wichtig sei ihm die Botschaft: „Ich glaube, dass die gesamte zivilgesellschaftliche Bewegung in dieser Woche wahrgenommen wird“, sagt der Familienvater. „Es ist ein Signal, das die Politik nicht ignorieren kann.“
In die sonnenbeschienene, fast zweistündige Schlusskundgebung auf dem Rathausmarkt platzten am Ende nicht nur erstaunte chinesische Reisegruppen, sondern auch Aktivisten der „Yes we camp“-Bewegung. Sie fordern das Menschenrecht aufs Zelten, konkret ein bislang verweigertes Anti-G20-Camp mit Übernachtungsmöglichkeit während der Gipfeltage. Mit dem spontanen Lager aus einem Dutzend Zelten solidarisierten sich die Protestler mit dem unterbundenen Zeltlager auf Entenwerder.
Von der Bühne gab es für die Zeltenden viel Zuspruch. Kritik musste sich dagegen Polizeipräsident Ralf Martin Meyer für die Entscheidung zu Entenwerder gefallen lassen. Gleichwohl sei die Zusammenarbeit der Polizei mit der „G20-Protestwelle“ gut gewesen, wie die Veranstalter betonten. Zuvor hatte schon Campact-Gründer Christoph Bautz die Stadt zur Aufhebung der Demonstrationszone während des G20-Gipfels aufgefordert.