Die Linkspartei redet sich in ihrer Kritik am G20-Gipfel um Kopf und Kragen

Die Nerven vor dem G20-Gipfel liegen blank. In einer Eskalationsspirale aus Drohungen, Warnungen und Zuspitzungen, aus Verboten und Klagen schaukeln sich derzeit radikale Gegner des G20-Gipfels und die Sicherheitskräfte hoch. Immer neue Befürchtungen immer krasserer Sabotageakte und Gewaltexzesse heizen die Stimmung zusätzlich an. Vieles ist Außenstehenden nur noch schwer zu vermitteln – warum etwa so vielen Gruppen kein klares Nein gegen Gewalt über die Lippen kommt. Aber auch, warum die Polizei auf Entenwerder den Aufbau eines Camps verhindern will, das Hamburger Richter am Sonnabend genehmigt hatten. Das Einzige, was in diesen Tagen deeskalierend wirkt, ist das Hamburger Wetter.

Es hat viel Ritualhaftes – und manchmal fühlt man sich an Schlachten erinnert, die schon vor einigen Jahrzehnten zwischen Staatsmacht und Widerstand geschlagen wurden. Im Angesicht der real existierenden Terrorbedrohung durch Islamisten wirken sie ohnehin aus der Zeit gefallen. Dabei geht es nicht um den gewaltfreien Protest, der am Sonntag in einem bunten Aufmarsch berechtigte Forderungen kundtat. Dabei geht es vielmehr um den radikalen Rest, dessen Interessen nur in der Eskalation liegen. Allein die Meldung der versprengten Truppe um die Interventionistische Linke, sie würden Zelte auf dem Rathausmarkt errichten, heizte die Stimmung dort kurzzeitig an.

Es ist ein in den vergangenen Wochen häufig gesehenes Bild: Die Militanz der wenigen reicht, um den Protest der vielen zu überlagern, ja ihn zu diskreditieren. Man möchte den Radikalen die Frage zurufen, wem sie eigentlich mehr nutzen: ihrer angeblichen Sache einer besseren Welt oder nur den verhassten Autokraten? Jeden Prügelaufmarsch werden Regierungschefs wie Donald Trump, Recep Tayyip Erdoğan oder Wladimir Putin dankbar als Beleg werten, dass ihre Politik die richtige ist.

Hamburg hingegen hat – allen anderslautenden Vorwürfen zum Trotz – mehr Protest erlaubt als die Gipfelgastgeber zuvor und die Gegner näher an den Tagungsort gelassen. Bei den internationalen Gipfeln in Heiligendamm 2007 beziehungsweise in Elmau 2015 wurden die Demonstranten nach Rostock und München ausgesperrt. Trotzdem schwafeln einige radikale G20-Gegner nun vom „Polizeistaat“, einem „Putsch der Polizei“, einer „totalitären Diktatur“. Wer sich so äußert, verabschiedet sich aus jeder vernünftigen Debatte und kündigt den demokratischen Konsens.

Interessant ist dabei, dass auch eine Partei völlig aus der Rolle fällt – und aus der Zeit. In den vergangenen Jahren meinte man, die Nachfolgepartei der SED sei in der Bundesrepublik angekommen. Seit dem G20-Gipfel darf, ja muss man daran wieder zweifeln: Die Linke schmiegt sich geradezu an Radikale an; der Linken-Politiker Jan van Aken meldet eine Großdemo am kommenden Sonntag an, bei der Linksextremisten zu den Erstunterzeichnern gehören. Die Furcht vor Ausschreitungen beim G20-Gipfel hält van Aken für übertrieben, die Gewaltdebatte sei „hochgeschrieben“ worden.

Nun, vielleicht sollte er sich die Parolen mancher Mitstreiter mal genauer anhören. Geradezu degoutant ist der Satz der linken Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, die nun die Hansestadt als „Enklave à la Nordkorea“ geschmäht hat. Oder war das am Ende gar nicht böse gemeint?