Hamburg. Die Hamburger Sparkasse investiert 30 Millionen Euro in die Niederlassungen. Niendorf-Nord macht am Freitag den Anfang.

Immer wieder bleiben Kunden, die sich im Vorraum an den Automaten mit Bargeld versorgt haben, an der Glasscheibe stehen, blicken interessiert ins Innere der Filiale und sprechen mit anderen über das, was sie dort sehen. Seit drei Wochen ist die Haspa-Niederlassung in Niendorf-Nord geschlossen. An diesem Freitag eröffnet sie wieder – als allererste der 148 Filialen umgestaltet auf das neue Geschäftsstellenkonzept.

Drinnen riecht es noch sehr neu. Der Tresen direkt am Eingang lässt eher an eine Hotelrezeption denken als an einen Bankschalter. Auf einer großen Milchglasscheibe dahinter prangt, aufgeklebt in weißer Folie, ein Niendorfer Wahrzeichen: Die achteckige Kirche am Markt. In einem der Besprechungsräume hängt eine Darstellung des Niendorfer Bahnhofsportals in Grau auf weißer Leinwand. Geschaffen hat das Bild der syrische Künstler Mehyar Mahmud, der vor eineinhalb Jahren nach Deutschland flüchtete und in seiner Heimat eine eigene Galerie besaß.

„Das sieht aus wie ein Wohnzimmer“

Ein bedeutendes Element des neuen Niederlassungskonzepts sei eine noch stärkere Vernetzung mit dem Umfeld vor Ort, sagt Darko Mavrak, Leiter der Filiale in Niendorf-Nord. „Deshalb freuen wir uns besonders, wenn sich auch Künstler aus der Nachbarschaft einbringen.“ Mavrak ist schon „sehr gespannt, wie gut die erste ,Filiale der Zukunft‘ bei den Niendorfern ankommt.“ Gelegentlich bekommt er allerdings bereits erste Reaktionen mit. Als Mavrak am Mittwochabend die Filiale verließ, hörte er, wie sich draußen zwei junge Männer über ihren Eindruck davon unterhielten. „Wow, das sieht hier ja aus wie ein Wohnzimmer“, habe einer der Männer gesagt.

Angesichts der Sofas in einem der mit Glaswänden abgeteilten Besprechungsräume liegt ein solcher Kommentar tatsächlich nicht fern. Der lange Holztisch im hinteren Teil der 300 Quadratmeter großen und äußerst luftig wirkenden Filiale würde zwar in die wenigsten Wohnzimmer hineinpassen. Doch auch er trägt zu dem „wohnlichen“ Charakter bei.

75-Zoll Touchscreen in der Mitte der Regalwand

Das markante Möbelstück aus hellem Holz stammt aus einer nicht weit entfernten Tischlerwerkstatt, deren Chef ein Kunde von Mavrak und seinem Team von 15 Mitarbeitern ist. „Hier am Tisch wollen wir gar nicht unbedingt über Bankgeschäfte sprechen“, sagt der Filialleiter. „Hier soll man sich wohlfühlen.“ Von den Regalfächern der sogenannten „Stadtteilwand“ am Ende des Tisches wird eines für den von Filialmitarbeitern organisierten Büchertausch genutzt, in einem anderen Fach stellt sich jeweils ein Partnerunternehmen des Haspa-Joker-Programms vor – in diesem Fall ist es Hagenbeck. In der Mitte der Regalwand ist ein 75-Zoll-Touchscreen installiert, auf dem man regionale Nachrichten oder eine Wettervorhersage ebenso abrufen kann wie eine kurze Vorstellung aller Beschäftigten der Niederlassung.

Auf einer Ausstellungsfläche neben dem langen Tisch präsentieren sich Firmen oder Organisationen aus der Nachbarschaft. Den Anfang macht die Buchhandlung „Büchereck“, auch der Sportverein NTSV wird noch in diesem Jahr sein Angebot vorstellen. „Unsere Filiale soll ein neuer Treffpunkt für die Menschen in Niendorf werden“, sagt Haspa-Chef Harald Vogelsang. „Damit machen wir die regionale Verankerung der
Haspa noch erlebbarer.“

Haspa-Chef fallen störende Kleinigkeiten auf

Schon vor sechs Monaten haben Mavrak und seine Mitarbeiter mit den Überlegungen für die Umgestaltung begonnen. Das Projektteam in der Haspa-Zentrale hatte zuvor eine Art Katalog zusammengestellt, aus dem sich die Filialbeschäftigten für die von ihnen bevorzugte Ausstattung und Farbgestaltung bedienen können. „Im Schanzenviertel wird das dann sicher anders aussehen als hier in Niendorf“, sagt eine Sprecherin der Sparkasse. Doch über eines macht sich Mavrak keine Illusionen: „Nicht alle Kunden werden unser neues Konzept sofort verstehen.“ Er sieht das jedoch als Chance, mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen.

Am Tag vor der Wiedereröffnung fallen dem Haspa-Chef Vogelsang noch einige störende Kleinigkeiten auf – etwa, dass in den Besprechungszonen die Lampen niedriger gehängt werden sollten, damit sie nicht blenden. Insgesamt zeigt er sich aber angetan von der Umsetzung des Konzepts in Niendorf: „Ich glaube, die Reaktionen unserer Kunden werden sehr positiv sein.“

Die Inspiration für das Konzept kam aus den USA

Rund 30 Millionen Euro investiert die Haspa in die Modernisierung des Filialnetzes. Die Sparkasse reagiert damit auf den grundlegenden Wandel des Kundenverhaltens in der Branche. „Wir sind realistisch und wissen, dass heute auch im Bankgeschäft fast alles mit dem Smartphone zu erledigen ist“, hatte Vogelsang bei der Vorstellung der Pläne im Februar gesagt. Standard-Dienstleistungen wie der Zahlungsverkehr spielen in den Filialen eine immer kleinere Rolle.

Bei einer Regionalbank in den USA holte sich die Haspa Inspirationen für das neue Konzept. In einer Halle im schleswig-holsteinischen Witzhave testete man es anhand eines originalgroßen Modells mit Beschäftigten, ausgewählten Kunden und Nichtkunden.

In diesem Jahr soll noch mindestens eine weitere Haspa-Filiale im neuen Erscheinungsbild eröffnen, voraussichtlich in Sasel. Bis 2020 sollen alle Niederlassungen umgestellt sein. Dann sind es aber längst nicht mehr 148. Denn auch die Haspa baut Filialen ab.