Hamburg. Präses greift zu einem schrägen Vergleich – und macht sich damit angreifbar. Eine Betrachtung von Matthias Iken.
Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich. Und nicht alles, was auf den ersten Blick lustig ist, bleibt es auch noch nach dem zweiten. Die aktuelle Ausgabe des „Spiegel“ gewährt dem neuen Handelskammer-Präses unter der hübschen Zeile „Einschlag ins Kontor“ den ganz großen Auftritt. Mit Tobias Bergmann beginnt die Geschichte, die ihn zudem auf einem großen halbseitigen Foto zeigt.
Dort verrät der Wahlsieger der Kammerwahlen: „Es gab und gibt in Hamburg eine Kaufmannsaristokratie, mit ihren Windsors und Orléans. Und die wurden mit dieser Wahl herausgefegt“, sagt der Präses. „Jetzt ist der Robespierre in diesen Räumlichkeiten eingezogen.“ Der Maximilien Robespierre? Warum nicht gleich Stalin? Oder Mao? Oder Pol Pot?
Aufbruch gipfelt in Willkürherrschaft
Was für ein seltsamer Vergleich. Mit dem Verweis auf das lückenhafte Hamburger Abitur jedenfalls wird sich Tobias Bergmann nicht herausreden können – er ist Niederbayer. Aber fragen möchte man schon, wie Bergmann ausgerechnet auf den Terrorfürsten der Französischen Revolution kommen konnte. Werden bald im Börsensaal Guillotinen aufgestellt? Sind die Handelskammer-Rebellen in Wahrheit ein „Club der Jakobiner“? Und bekommt Hamburg bald einen Wohlfahrtsausschuss?
Schauen wir doch mal in die turbulenten Revolutionsjahre in Frankreich: Dort hatte Robespierre bis 1789 das Leben eines honorigen Anwalts geführt, der als Gegner der Todesstrafe und als Freund der Armen galt. Mit der Revolution aber radikalisierte sich Robespierre in atemberaubender Geschwindigkeit. Als Mitglied des Wohlfahrtsauschusses ließ er Hunderte Menschen festnehmen und auf der Guillotine hinrichten – darunter auch alte Weggefährten wie Georg Danton. Bei Georg Büchner lässt sich wunderbar nachlesen, wie ein freiheitlicher Aufbruch in einer Willkürherrschaft gipfelt.
Der Gottvater des Terrors
Robespierre ist der Gottvater des Terrors, der Erfinder von „Säuberungswellen“. Ein Satz zeigt sein wahres Denken: „Ich behaupte, dass, wer immer in diesem Augenblick zittert, schuldig ist, denn die Unschuld hat von der öffentlichen Überwachung nichts zu befürchten.“ Und auch sonst taugt Robespierre nicht wirklich zum politischen Vorbild, denn er ist der Erfinder des totalitären Staates und scheitert am Ende total – am 28. Juli 1794 wird Robespierre enthauptet.
Was das britische Königshaus Windsor in der Aufzählung sucht, weiß wohl nur Tobias Bergmann. Geradezu drollig ist hingegen das Haus Orléans. Was machten die französischen Revolutionäre nach der Julirevolution von 1830? Sie ernannten den revolutionsfreundlichen Louis-Philippe III. de Bourbon, Duc d’Orléans zum „König der Franzosen“. 36 Jahre nach dem Tod von Robespierre bestieg das Haus Orléans den Thron. Dürfen die Traditionalisten in der Kammer also wieder hoffen? Gemach: Das ist noch nicht entschieden. Nur eins ist eindeutig: Augen auf bei historischen Vergleichen – sie gehen oft ins Auge!