Hamburg. Lida Gustava Heymann widmete ihr Leben dem Frauenwahlrecht und der Frauenbewegung. Ihre Geschichte wurde nun wiederentdeckt.

„Besitz und Vermögen hatte man uns stehlen können, nicht aber geleistete Arbeit im Kampf um Freiheit, Recht und Frieden.“ Diese stolzen Worte schreibt die am 15. März 1868 in Hamburg geborene Lida Gustava Heymann 1941 in ihren Memoiren im Schweizer Exil. Zwei Jahre später starb eine der ersten Frauenrechtlerinnen Hamburgs.

Das Leben der wohlhabenden Kaufmannstochter beginnt behütet. Gouvernanten und Hauslehrer erziehen die Hamburgerin und ihre vier Schwestern. Mit 14 geht sie für zwei Jahre auf die vornehme Höhere Töchterschule und äußert sich wenig begeistert über die Qualität der angebotenen Lerninhalte. Anschließend besucht sie ein Internat in Dresden und blüht dort auf – wird selbstsicherer und selbstständiger. Diese Zeit wird ihr als wertvoll in Erinnerung bleiben, in der ihr „inneres Leben ... unend­liche Bereicherung an Wissen und Bildung“ erfahren hat.

Fühlt sich als Frau gefangen

Von Dresden geht sie für die nächsten elf Jahre in ihr Elternhaus zurück, unterrichtet an einer Armenschule und gründet eine Nähschule. Ihre weitere Bildung nimmt sie selbst mit Eigen­studien in die Hand und baut sich einen vom Elternhaus unabhängigen Freundeskreis auf. Dennoch hadert sie mit den Umständen und fühlt sich in ihrer Rolle als Frau gefangen und gehindert in ihrem Schaffensdrang. „Es waren Jahre, wo jeder Mensch, ob Mann oder Frau, aus der Fülle seiner Kraft zu gestalten bestrebt ist, leben und schaffen will. Mir aber waren überall Grenzen gesteckt, und an diesen Grenzen rieb ich mich innerlich wund und krank.“

Durch den Tod ihres Vaters 1896, der sie als Nachlassverwalterin bestellt und ihr ein kleines Vermögen hinterlässt, fühlt sie sich trotz Trauer befreit. Sie erkennt, dass die finanzielle Unabhängigkeit „die erste Voraussetzung für Selbstbehauptung und unbeeinflußte Weiterentwicklung nicht nur der Frau, sondern überhaupt jedes Menschen“ ist.

Rechts- und Sozialberatung für Frauen

Lida Heymann bleibt nicht untätig, sondern ruft einen Mittagstisch für arbeitende Frauen ins Leben und einen Kinderhort. Während des Hafenarbeiterstreiks 1896/1897 organisiert sie für die Frauen und Kinder der betroffenen Arbeiter ein kostenloses Mittagessen. Doch damit nicht genug, 1896 wird sie Gründungsmitglied der Hamburger Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins, besucht den Internationalen Frauenkongress in Berlin. Dort lernt sie ihre spätere Lebensgefährtin Anita Augspurg kennen.

1897 kauft sie ein Haus in der Hamburger Innenstadt, wo sie unter anderem eine Rechts- und Sozialberatung betreibt, die überwiegend von Frauen genutzt wird. Die Gespräche erzeugen in ihr den tiefen Wunsch, für die Rechte dieser Frauen einzutreten. Ausbeutung durch den Arbeitgeber war wenig erfreulich, aber die durch den Ehemann geradezu verzweiflungsvoll.

Sie forderte 1923 die Ausweisung Hitlers

1900 brachte sie sich mit der Gründung des Vereins Frauenwohl noch stärker in die Frauenbewegung ein, 1902 rief sie den Deutschen Verein für das Frauenstimmrecht mit ins Leben. Den Titel „verrücktes Frauenzimmer“ bringt ihr eine Auseinandersetzung mit der Hamburger Sittenpolizei ein. Denn sie setzt sich vehement für eine Abschaffung der gängigen Kasernierung der Prostitution ein. Ihre Eingaben bei den Gerichten werden jedoch allesamt abgelehnt.

Lida Gustava Heymann zieht wegen der ständigen Streitigkeiten mit der Obrigkeit mit ihrer Lebensgefährtin weg von Hamburg und geht nach Bayern. Dort engagiert sie sich weiter für Frauenbewegung und Frauenwahlrecht. Nach der Revolution 1918/1919 wird sie Mitglied der provisorischen Regierung in Bayern. Die Zeitschrift „Frau im Staat“ gibt sie während der Weimarer Republik 1919 bis 1933 mit heraus. Auf der Versammlung der Internationalen Frauen­liga für Frieden und Freiheit fordert die Wahlbayerin 1923 die Ausweisung des „Österreicher Hitler“.

Aus Furcht vor Repressalien kehren Lida Heymann und Anita Augspurg 1933 nicht von einer Auslandsreise zurück, sondern gehen ins Exil in die Schweiz. Bayern zieht 1934 ihr Vermögen ein, zerstört ihr Archiv. Die beiden Frauen veröffentlichen zwei Jahre vor dem Tod am 31. Juli 1943 von Lida Gustava Heymann ihre Biografie mit dem Titel: „Erlebtes – Erschautes: deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Frieden“.