Hamburg . Zwei Tage Elbjazz Festival – und dann ist noch lange nicht Schluss. Ein Überblick über Hamburger Clubs, in denen die Musik spielt.

Der Jazz sei nicht tot, er rieche nur etwas seltsam, hat Frank Zappa einmal gesagt. Tatsächlich ist der Jazz – auch in Hamburg – ein zartes Pflänzchen, das gehegt und gepflegt werden muss. Geld, also staatliche Förderung, ist die eine Sache. Noch wichtiger: das unablässige Engagement einiger Jazzverrückter, die all die Clubs, Konzerte und Minifestivals erst möglich machen. Die sich nicht in erster Linie dafür interessieren, was finanziell, sondern was künstlerisch herauskommt. Die, wie im Birdland und Cotton Club, die Tradition pflegen oder wie im Golem und Hafenbahnhof präsentieren, was unkonventionell und gegen den Strich gebürstet ist.

Vom Oldtime Jazz bis zur im Free Jazz verankerten Avantgarde findet sich in den Hamburger Clubs, die hier vorgestellt werden, für jeden Jazz-Geschmack etwas. Und das ist nur ein Teil des großen Hamburger Jazzkuchens: Regelmäßiger Publikumsmagnet, jedenfalls wenn das Wetter mitspielt, ist das „Jazz Open“-Festival in Planten un Blomen, das in diesem Jahr am 2./3. September stattfindet und wie immer keinen Eintritt kostet.

Groß auch das Engagement privater Konzertveranstalter, allen voran Karsten Jahnke, dessen JazzNights mit Stars wie Pat Metheny oder Branford Marsalis natürlich Geld in die Kasse spülen aber eben auch Herzensangelegenheit sind. Nicht zu vergessen: der NDR, dessen Bigband nicht erst auf hohem internationalen Niveau spielt, seit Dirigent Geir Lysne dort im September 2016 das Kommando übernommen hat. Ausgesprochen beliebt und regelmäßig ausverkauft ist auch die NDR-Aboreihe mit Jazzkonzerten im Rolf-Liebermann-Studio, bei denen es Stars wie Thomasz Stanko oder Don Byron für kleines Geld (18 Euro!) zu hören gibt. Klar: Mehr geht immer, aber in Sachen Jazz muss Hamburg sich nicht verstecken.

Birdland

Als das Birdland im Juni 2013 schloss, weil die Betreiber Dieter und Heidi Reichert endlich ihr Rentnerdasein genießen wollten, trauerte die Hamburger Jazzszene. Doch im Oktober 2014 gab es wieder Grund zur Freude: Ralph und Wolff, die Söhne der Reicherts, eröffneten den traditionsreichen Kellerclub, der maximal 150 Besucher fasst, neu. Stars wie Art Blakey, Chet Baker und Diana Krall haben hier schon auf der Bühne gestanden. Klasse: die regelmäßigen Vocal- und Jam-Sessions, die bei freiem Eintritt dem Nachwuchs eine Chance bieten und gut besucht sind. Der Schwerpunkt liegt im Birdland auf Modern Jazz, immer mal wieder sind in verschiedenen Formationen auch die Reichert-Söhne oder Jazz-Professor Buggy Braune zu hören. „Don’t look at the time. Have a drink and enjoy real music“ steht an einer Wand neben der Bar, und tatsächlich lädt das Birdland zum Verweilen ein. Hier atmet jedes schwere Holzmöbel Jazz-Geschichte; dass eine Uhr die lokale New Yorker Zeit anzeigt, passt, gibt es dort doch schon seit 1949 einen legendären Club gleichen Namens.

Jazz ist im Birdland in der Regel mittwochs, donnerstags und sonnabends zu hören, freitags präsentiert das Team des Clubs freundlich+kompetent regelmäßig einen Singer-Songwriter-Abend. „Am Anfang mussten wir etwas durchhalten, aber jetzt läuft’s toll“, sagt Wolff Reichert. Verdienter Lohn!

Birdland Jazz am Mi/Do/Sa, Einlass: 19.30, Konzertbeginn: 21.00, Gärtnerstraße 122, Eintritt: ca. 10,-; www.birdlandhamburg.de

Golem

Pianist Alexander von Schlippenbach, Saxofonist Evan Parker, Pianistin Aki Takase: Wer internationale Legenden des freien Jazz live erleben will, kommt am Golem in der Großen Elbstraße nicht vorbei. Hier kuratiert der Hamburger Saxofonist Gabriel Coburger seit mehr als drei Jahren die „Fatjazz“-Reihe, deren Anfänge sogar acht Jahre zurückgehen und bis in die Bar 227 an der Sternbrücke reichen. Doch nicht nur die würdig gealterten Großmeister spielen im Golem regelmäßig, auch viele junge skandinavische Bands kommen – und natürlich trifft sich auf der Bühne das Who’s-who der Hamburger Jazzszene, deren Keimzelle oft die Hochschule für Musik und Theater ist.

Fast immer gibt es nach dem 20.30-Uhr-Konzert noch eine Late-Night-Show, viele Besucher bleiben auch danach noch und genießen zur Musik vom Plattenteller eine der selbst gemachten, superleckeren Limonaden oder exquisite Cocktails. Wie auch in den anderen Hamburger Jazzclubs ist hier für Bands und Organisatoren kaum etwa zu verdienen: In der Hauptsache geht es darum, Modern und Avantgarde Jazzern eine Bühne zu bieten. Vom 12. Juli bis 7. September macht „Fatjazz“ Sommerpause, danach geht es mittwochs munter weiter. Schon mal vormerken: Am 29.11. kommen Alexander von Schlippenbach, Evan Parker und Paul Lytton.

Golem Fatjazz: immer mittwochs, 20.30 Uhr, Große Elbstraße 14, Eintritt: 10,-, Sonderkonzerte 14,-; www.golem.kr

Cotton Club

„Hamburgs erster Jazzkeller“, wie er sich stolz nennt, ist der Cotton Club tatsächlich. Die Anfänge reichen zurück bis in das Jahr 1959, seit 1961 führt Wolf Dieter Roloff (73) die Geschäfte, der mit seinem Club 1971 an den heutigen Standort am Großneumarkt zog. An fast jedem Tag im Jahr ist hier Programm, sorgen Bands wie die Jailhouse Jazzmen oder Harlem Jump für eine Oldtime-Jazz- oder Hot-Swing-Vollbedienung. Konzertbeginn ist jeweils gegen 20.30 Uhr, doch auch wer erst um zehn die Treppenstufen in den urigen Keller heruntersteigt, bekommt noch etwa zwei Stunden Live-Musik zu hören.

Inhaber Dieter Roloff im Cotton Club
Inhaber Dieter Roloff im Cotton Club © ddp images/Roland Magunia | Roland Magunia

Stammgäste haben oft Stammplätze, für Gelegenheitsbesucher und Touristen finden sich aber bei 130 Sitzmöglichkeiten auch noch ein paar freie Plätzchen. Zwar haftet Oldtime Jazz das Image an, vor allem etwas für Menschen in der zweiten Lebenshälfte zu sein, doch Nachwuchssorgen kennt Roloff nicht. Publikum wie Musiker verjüngen sich immer wieder – auch weil das Cotton-Club-Programm längst durch eine ordentliche Portion Blues ergänzt wird. Wie traditionsreich der Cotton Club ist, lässt sich an den Konzertplakaten ablesen, die die Wände pflastern. Und auf Tradition setzt auch die Speisekarte: Neben Flammkuchen in verschiedenen Variationen (6,90 Euro) gibt’s unter anderem Salamibrote, Käsewürfel und Salzstangen für den kleinen Hunger am langen Jazzabend.

Cotton Club Mo-Sa 20.30, So 11.30, Alter Steinweg 10, Eintritt: ca. 8,-, Sonderkonzerte teurer; cotton-club.de

Stage Club

Die Jazz-Zeit in der Cascadas Bar geht ihrem Ende entgegen: Ab September, also nach der Sommerpause, finden die Veranstaltungen der 400 Mitglieder starken Jazz Federation nicht mehr dort, sondern im Stage Club in der Neuen Flora statt. Man habe sich auseinandergelebt, sagt der stellvertretende Vereinsvorsitzende Günter Muncke. Nun also der Neustart mit fünf bis sechs Konzerten pro Monat; zum Auftakt am 17. September ist eine Bigband um Wolf Kerschek und Gabriel Coburger angekündigt. Wie bisher soll Modern Jazz den Spielplan dominieren, gelegentliche Ausflüge in Avantgarde-Gefilde nicht ausgeschlossen. Der eher edle Stage Club, in dem auch jetzt schon regelmäßig Konzerte stattfinden, vor allem aus dem Funk- und Soul-Bereich, verfügt über zwei miteinander verbundene Räume, die sich aber trennen lassen. Geplant ist ein separater Raucherraum, in den das jeweilige Konzert live übertragen wird. Die bisher regelmäßig organisierten Jamsessions soll es nicht mehr geben – das Birdland ist eine zu große Konkurrenz. Hatten Jazz-Federation-Mitglieder bei Konzerten bisher freien Eintritt, zahlen sie künftig die Hälfte des regulären Preises. Für den 27./28. Oktober ist ein deutsch-polnisches Jazzfestival geplant – allerdings nicht im Stage Club, sondern im Miralles Saal am Mittelweg.

Stage Club Eröffnung der Reihe mit Jazzkonzerten am So 17.9., 20.00, danach jeweils dienstags 20.00, Stresemannstraße 163, Eintritt: ca. 10,- bis 15,-; www.jazzfederation.de

Hafenbahnhof

Schon die Anreise zum Hafenbahnhof ist ein Traum: Aus Richtung Innenstadt geht es immer an der Elbe entlang, bis irgendwann ein Haus in einer Senke auftaucht. Das Wasser plätschert gegen die Kaimauer, bunte Wimpel flattern im Wind: Hier ist das Reich von Eva Johannsen – jedenfalls montags, wenn es sich beim „Jazzraum“ eine Band für ein paar Stunden auf der kleinen Bühne gemütlich macht.

Die Saxofonspielerin Anna-Lena Schnabel im Hafenbahnhof an der Großen Elbstraße
Die Saxofonspielerin Anna-Lena Schnabel im Hafenbahnhof an der Großen Elbstraße © Michael Rauhe

Vor zehn Jahren hat Johannsen die Reihe ins Leben gerufen, lokale Größen wie San­dra Hempel, Gabriel Coburger oder Nathan Ott spielen regelmäßig bei ihr. Von Modern über Free Jazz bis zum Jazzpunk reicht an der Großen Elbstraße 276 das musikalische Spektrum. Neues entdecken, Experimente wagen, darum geht es Eva Johannsen, die ihre Wurzeln im Punk hat und früher jahrelang Konzerte im Planet Subotnik veranstaltete. Eine Herzensangelegenheit, die kein Geld, aber viel Freude bringt. Den Eintritt von gerade mal sechs Euro kassiert Johannsen mit der erste Getränkebestellung, Salznüsse und Gemüseschnitze hat sie da längst auf den etwas abgerubbelten Holztresen gestellt. Bei Preisen von 2,20 für eine Astra-Knolle oder 2,80 Euro für eine Club Mate lässt sich der Durst preisgünstig stillen.

Etwa 50 „Jazzraum“-Konzerte finden im Jahr statt, mehr als 800 Band-Bewerbungen, auch aus dem Ausland, gehen ein. Da kann der „Jazzraum“ noch sehr lange seine Türen öffnen.

Hafenbahnhof Jazzraum: jeden Montag 21.30, Große Elbstraße 276, Eintritt: 6,-;
www.hafenbahnhof.com