Hamburg. Auf Finkenwerder ersetzt ein Büro mit nur einer Mitarbeiterin die Niederlassung. Weitere sind auf dem Prüfstand und dürften folgen.

Im Zuge der Digitalisierungführen für die Banken immer mehr Wege zu den Kunden an der Niederlassung in der klassischen Form vorbei. „Man muss nicht mehr unbedingt eine Filiale vor Ort betreiben, um dort verwurzelt zu sein“, sagt Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank. Ein „zukunftsorientiertes Konzept für die lokale Präsenz“ erprobt das genossenschaftliche Institut derzeit auf Finkenwerder. Im Februar ist die dortige Filiale mit drei Beschäftigten angesichts stetig sinkender Kundenfrequenz geschlossen worden.

Stattdessen gibt es auf Finkenwerder nun ein sogenanntes „Finanzhaus“: Eine Volksbank-Mitarbeiterin, die auf der Elbinsel wohnt, steht dort zu festen Zeiten – bis zum frühen Nachmittag – für Beratungsgespräche zur Verfügung. Anders als in einer Filiale gibt es aber keinen Kassenschalter mehr, für die Bargeldversorgung ist außen ein Geldautomat angebracht. Außerhalb der Öffnungszeiten kommt die Mitarbeiterin auf Vereinbarung zu den Kunden ins Haus.

Derzeit noch 37 Niederlassungen

Im Rahmen der Strategie „Smartes Volksbanking in Hamburg 2020+“ werde man nicht nur die digitalen Angebote ausweiten, sondern auch das Niederlassungsnetz auf den Prüfstand stellen, kündigte Brüggestrat an: „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass wir künftig weniger Filialen haben werden als heute.“

Dabei könne das aktuell auf Finkenwerder erprobte Modell eine der Möglichkeiten sein, mit dem Wandel der Kundenbedürfnisse umzugehen – vielleicht auch in Stadtteilen, in denen die Volksbank bisher nicht mit einer Filiale vertreten sei. Derzeit hat das Unternehmen noch 37 Niederlassungen. Im Zeitraum von 2012 bis 2014 sind schon einmal sechs Filialen geschlossen worden.

2016 sei nicht nur auf den Feldern des Sports und der Außenpolitik ein „verdammt spannendes Jahr“ gewesen, so Brüggestrat, sondern auch für die Bankenwelt. Dazu gehörte die Ankündigung der Volksbank, für Kunden mit Tagesgeldbeträgen oberhalb von 500.000 Euro einen Negativzins von 0,2 Prozent einzuführen.

Zuletzt habe das Institut dadurch nur zwischen 1500 und 2000 Euro monatlich eingenommen, erklärte der Volksbank-Chef: „Wir wollten die Negativzinsen aber von Anfang an ausdrücklich nicht als Einnahmequelle verstanden wissen.“ Sie seien als Signal für die Kunden gedacht gewesen, von dem „nicht mehr zeitgemäßen“ Produkt Tagesgeld abzurücken.

Inzwischen habe man mit allen rund 150 Privat- und Firmenkunden, die Beträge von mehr als 500.000 Euro auf einem Tagesgeldkonto hatten, darüber gesprochen, sagte Brüggestrat. Die weitaus meisten der Angesprochenen hätten den Kontobestand unter die genannte Grenze abgesenkt und den darüber liegenden Betrag in 30-Tages-Termingeld umgeschichtet. „Zu dem von uns gewünschten und für die Kunden sinnvollen Ergebnis, nämlich einer Entscheidung für wertpapierorientierte Anlageformen, haben die Gespräche leider in den wenigsten Fällen geführt“, räumte der Vorstandssprecher ein.

Marktanteile gewonnen

Im zurückliegenden Jahr hat die Volksbank die Zahl der Kunden um 1,2 Prozent auf gut 116.000 gesteigert. Angesichts der „Willkommenspakete“ von Wettbewerbern wie der Commerzbank verliert dieses Wachstumsmaß aus Sicht von Brüggestrat aber an ­Bedeutung: „Ich kann die betriebswirtschaftliche Logik einer Geschäftspolitik, die darin besteht, einfach nur Kunden zu sammeln, nicht nachvollziehen.“ Schließlich müsse es darum gehen, eine „ertragsorientierte Beziehung“ zu Kunden aufzubauen.

Während der Einlagenbestand der Volksbank um 10,4 Prozent auf knapp 2,0 Milliarden Euro zunahm, sank er bei allen Kreditinstituten in Hamburg laut Bundesbank-Statistik um gut vier Prozent. Offenbar werde die Volksbank als „Hort der Stabilität“ betrachtet, sagte Brüggestrat dazu. Die Wertpapierumsätze hingegen hätten bei der Volksbank um acht Prozent auf 192 Millionen Euro abgenommen – und das trotz des Nullzinsumfelds: „Da beißt man in die Tischkante.“

Sogar noch etwas stärker als der Einlagenbestand hat das Kreditvolumen zugelegt (plus 10,8 Prozent auf 1,60 Milliarden Euro). Dabei gingen 80 Prozent der neu vergebenen Darlehen an Unternehmen und Selbstständige. Auch im Kreditgeschäft hat das genossenschaftliche Institut nach Angaben seines Chefs „in Hamburg ganz intensiv Marktanteile gewonnen“.

Gleiche Expansionstendenz wie im Vorjahr

Sowohl die Sachkosten als auch die Personalkosten haben sich im Jahr 2016 geringfügig erhöht, obwohl die Mitarbeiterzahl um zwei auf 473 Personen zurückging. Mit dem Teilbetriebsergebnis von 16,1 (2015: 15,6) Millionen Euro zeigte sich Brüggestrat angesichts des schwierigen Umfelds zufrieden.

Allerdings müssen die 58.000 Mitglieder eine Absenkung der Dividende von fünf Prozent auf nunmehr drei Prozent hinnehmen. Die weitere Stärkung des Eigenkapitals – das 2016 um knapp zehn Millionen Euro aufgestockt wurde – habe die höchste Priorität, erklärte Brüggestrat.

Schließlich gehe es darum, auch das künftig erwartete Wachstum mit einem komfortablen Polster an Eigenmitteln unterlegen zu können. In den ersten vier Monaten 2017 habe sich die Expansionstendenz des Vorjahres jedenfalls in ungefähr gleichem Tempo fortgesetzt, hieß es.