Hamburg . Verhandlungen mit US-Investor sollen kurz vor dem Abschluss stehen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Mit dem Slogan „In Gemeinschaft leben. Seit 1619“ wirbt Pflegen & Wohnen auf seiner Homepage – eine Anspielung auf die wechselvolle Historie der Pflegeeinrichtung, die im 17. Jahrhundert als Armenhaus am heutigen Gerhart-Hauptmann-Platz ihren Anfang nahm. Alles spricht dafür, dass in wenigen Tagen ein neues Kapitel der Unternehmensgeschichte beginnt. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum geplanten Verkauf.

Was wird aus den Bewohnern der Heime?

Derzeit bietet Pflegen & Wohnen in 13 Einrichtungen Plätze für 2691 Bewohner. Ein Sprecher der derzeitigen Eigentümer von Pflegen & Wohnen versicherte dem Abendblatt, dass ihnen sehr wichtig sei, dass „ein möglicher neuer Eigentümer ein ernsthaftes Interesse daran zeigt, die in den letzen Jahren erreichten hohen Qualitätsstandards in Pflege und Betreuung kontinuierlich auszubauen“. Allerdings ist es nach Abendblatt-Recherchen auch möglich, dass die Geschäftsbereiche Immobilien und Pflege getrennt werden. Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) kündigte an, dass der Senat „sicherstellen werde, dass auch in Zukunft auf den Grundstücken ausschließlich Alten- und Pflegeeinrichtungen betrieben werden“.

Was wird aus den Beschäftigten?

Beim langjährigen Betriebsratschef Rolf in der Stroth stand gestern das Telefon nicht still. Dennoch sieht er einen möglichen Verkauf weitgehend entspannt: „Jeder neue Eigentümer wäre mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn er aus dem Haustarifvertrag aussteigen würde. Dieser Vertrag ist für alle Seiten gut.“ Der Verdienst lehnt sich an die Gehälter an, die von kommunalen oder diakonischen Trägern gezahlt werden, ist in Details sogar noch besser.

So können sich die Mitarbeiter anonym bei einer Agentur von Psychologen coachen lassen. Ver.di hatte den Vertrag 2012 mit einem 44-tägigen Streik erkämpft. Das Verhältnis zwischen Geschäftsführer Thomas Flotow und dem Betriebsrat gilt als ausgesprochen fair, Ver.di spricht von einer „sehr guten Tarifpartnerschaft“. Angesichts des hohen Anteils von Personalkosten in Heimen ist zwar jeder private Träger bei einer Übernahme in der Versuchung, diese zu senken. Andererseits werden gute Altenpfleger verzweifelt gesucht, manche Heime zahlen Prämien, wenn Mitarbeiter einen Kollegen der Konkurrenz abwerben. Entsprechend riskant wäre eine Tarifflucht.

Was sagt die Politik?

„Alten- und Pflegeeinrichtungen sollten keine Spekulationsobjekte sein“, sagt Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks unmissverständlich und steht mit ihrer Meinung nicht allein. „Für uns ist es wichtig, Umfang und Qualität in der Pflege zu erhalten“, sagt Christiane Blömeke, Vize-Fraktionschefin der Grünen in der Bürgerschaft. Und verspricht: „Wir werden dafür sorgen, dass auch langfristig die Grundstücke ausschließlich für Alten- und Pflegeeinrichtungen genutzt werden dürfen, indem wir sie als Gemeinbedarfsfläche ausweisen.“

Die Linke fordert den rot-grünen Senat auf, Pflegen & Wohnen zurückzukaufen. „Die Pflege älterer Menschen darf nicht den Finanzhaien überlassen werden und muss wieder Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge werden“, sagt der Linken-Abgeordnete Deniz Celik. „Die SPD-Fraktion erwartet, dass ein neuer Investor und Arbeitgeber in die bestehenden Tarifverträge einsteigt und die Tarifpartnerschaft fortsetzt“, sagt der SPD-Abgeordnete Wolfgang Rose. Das sei auch eine „zwingende Voraussetzung“ zur Verringerung der Fachkräftelücke in der Altenpflege.

Wer ist Oaktree?

Der US-Finanzinvestor Oaktree mit Hauptsitz im kalifornischen Los Angeles, mit dem die jetzigen Eigentümer nach Abendblatt-Informationen exklusiv über einen Verkauf verhandeln, gilt wegen seiner risikobetonten Anlagestrategie als Hedgefonds. In Deutschland wurde Oaktree 2010 durch den Einstieg bei der Bremer Beluga-Reederei bekannt. Der US-Investor entmachtete Beluga-Geschäftsführer Niels Stolberg, meldete Insolvenz des Unternehmens an und zerschlug den damaligen Weltmarktführer bei Schwergut-Transporten letztlich. Kompetenz beim Betrieb von Pflegeheimen wird Oaktree bislang nicht nachgesagt.

Wie lief der Verkauf 2007?

Der Verkauf durch den CDU-geführten Senat sorgte für ähnlich erbitterte Diskussionen wie der Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) an Asklepios. Die SPD kritisierte den „Privatisierungswahn“ des Senats, der auf dem Rücken der Pflegebedürftigen ausgetragen werde. Die CDU wiederum erklärte, die SPD habe die Einrichtung beim Regierungswechsel in einem „katastrophalen Zustand“ hinterlassen. Die Heime seien hoch verschuldet und im hohen Maß sanierungsbedürftig gewesen.

Warum sind Pflegeheime bei Investoren so beliebt?

In Zeiten der Null-Zins-Politik suchen Kapitalanleger nach sicheren Investments mit guter Rendite. Pflegeheime haben zwei unschätzbare Vorteile: Der Markt wird wachsen, 2050 werden in Deutschland zehn Millionen Senioren über 80 Jahre leben, mehr als doppelt so viele wie jetzt. Damit steigt das Risiko der Pflegebedürftigkeit. Zudem gibt es kaum Mietausfälle: Für Pflegebedürftige, die sich die Kosten des Heims nicht leisten können, springen in aller Regel das Sozialamt oder gut verdienende Kinder ein.

Dennoch ist die Investition in ein Heim mitnichten eine sichere Bank. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Heime in die Pleite gerutscht, darunter auch gemeinnützige Träger. 2014 etwa musste in Hamburg die Caritas GmbH mit fünf Pflegeeinrichtungen sowie der Berufsschule für Pflege in Eimsbüttel einen Insolvenzantrag stellen. 2015 waren immerhin zehn Prozent der insgesamt 18.051 Plätze in Hamburger Heimen nicht belegt. Die Auslastung schwankt allerdings stark, bei besonders gefragten Heimen gibt es lange Wartelisten.