Hamburg. Personenschützer des türkischen Präsidenten gehen hart gegen Demonstranten vor. Polizei versucht bei Gipfel, beide Lager zu trennen.

Plötzlich preschen die Männer in schwarzen Anzügen vor. Eine Frau nehmen sie in den Schwitzkasten. Sie prügeln auf die kleine Gruppe von Demonstranten ein. Ein Mann mit einem Megafon liegt schon am Boden, doch zwei Anzugträger treten gegen seinen Kopf. Das zeigen Videoaufnahmen, keine zwei Wochen alt. Es ist die Entourage des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die mit dessen Gegnern in Washington zusammenprallt.

Brutales Vorgehen gegen Demonstranten

Die verstörenden Bilder haben auch die Hamburger Behörden registriert. Ist das ein Vorgeschmack darauf, was in der Hansestadt im Juli passieren könnte?

Videobild eines Verletzten nach dem Zusammenstoß in Washington
Videobild eines Verletzten nach dem Zusammenstoß in Washington © Reuters

Neben den Präsidenten Russlands und der USA berge der Besuch Erdogans beim G20-Gipfel das größte Konfliktpotenzial, heißt es von der Polizeispitze. Der Vorfall in den USA ist noch nicht aufgeklärt, es gibt keine konkret Beschuldigten, Gegner und Anhänger Erdogans schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Die Hamburger Beamten müssen sich nun darauf einstellen, dass nicht nur Demonstranten die Staatsgäste attackieren könnten, sondern auch andersherum.

Die Polizei setzt darauf, mit dem eigenen massiven Aufgebot eine Eskalation zu verhindern. „Unser Ziel ist, dass sich solche konfrontativen Situationen während des G20-Gipfels nicht ergeben“, sagt Polizeisprecher Timo Zill. Nach Abendblatt-Informationen wird bislang in der großen kurdischen Gemeinschaft in Hamburg noch nicht intensiv für eigene G20-Proteste mobilisiert, mehrere Hundert bis tausend Personen wollen aber an der geplanten Großdemonstration am 8. Juli in der Innenstadt teilnehmen.

Der Bereich um Erdogans Hotel wird abgeriegelt

Innensenator Andy Grote (SPD) sieht ein Risiko darin, dass die Anfahrtswege blockiert werden könnten. „Man möge sich einmal vorstellen, die Kolonne des türkischen Präsidenten mit einer entsprechenden Zahl an auch bewaffneten Personenschützern gerät in eine Kolonne meinetwegen militanter Kurden. Dann haben wir ein Szenario, das sozusagen alles sprengt“, sagte Grote zuletzt im Innenausschuss der Bürgerschaft.

Nach Abendblatt-Informationen werden Erdogan und ein Teil seiner Delegation während des Gipfels im Sofitel am Alten Wall wohnen. Der Bereich wird besonders intensiv bewacht. Formal ist die Aufgabenteilung eindeutig: Deutsche Polizisten sind für den gesamten öffentlichen Raum zuständig, die ausländischen Agenten sorgen nur in den Hotels für Sicherheit – die Beamten des Hamburger Staatsschutzes dienen ihnen als Ansprechpartner.

Wie es aus Polizeikreisen heißt, ist es aber schwer abzuschätzen, wie viele Sicherheitsleute Erdogan tatsächlich mitbringt. In der Vergangenheit hätten sich vielfach auch vermeintliche Mitglieder der Delegationen als Agenten des türkischen Geheimdienstes entpuppt. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind etwaige Alleingänge der ausländischen Dienste. So ist etwa von den Amerikanern bekannt, dass sie mitunter in der allerletzten Minute eine völlig neue Fahrtroute vom Flughafen zum Hotel oder zum Tagungsort wählen, welche die deutschen Beamten zuvor nicht kannten und eingeübt hatten.

Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir glaubt, dass die Gegner des türkischen Präsidenten ihrerseits wohl nicht versuchen würden, so dicht wie möglich zu Erdogan zu gelangen. „Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat eher gelehrt, den Abstand zu wahren, da bei kurdischen Demonstrationen auch viele Kinder dabei sind.“ Allerdings könne schon eine flüchtige Begegnung mit Erdogans Entourage Folgen haben. „Er hat eine extreme Phobie gegenüber bestimmten Fahnen“. Die Furcht vor „militanten Kurden“ hält Özdemir für unbegründet. Das Bundesinnenministerium teilte auf Abendblatt-Anfrage dagegen mit, man erwarte „auch unangekündigte Aktionen und Störungen“.

Kaum Sonderrechte für ausländische Sicherheitsleute

Rechtlich stehen den Sicherheitsleuten des türkischen Präsidenten dabei kaum Befugnisse zu. Die deutsche Polizei sei auch für mögliche Störungen wie Sitzblockaden zuständig, sagt Sascha Braun, Rechtsexperte der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deshalb seien direkte Zusammenstöße „sehr unwahrscheinlich“.

Zudem genießen die ausländischen Beamten keine Polizeirechte. „Das heißt: Sie dürfen nur aus Nothilfe Gewalt anwenden – etwa wenn ihr Präsident von Gewalttätern in einer Menschenmasse von Unbekannten attackiert wird“, so Braun. Ihr Status als Diplomaten schützt die Agenten jedoch häufig vor Strafverfolgung.