Ob die Hamburger am Tag nach dem Gipfel ins Museum wollen? Besser wären Freifahrten mit Bus und Bahn.

Es gibt nichts zu beschönigen: Viele Hamburgerinnen und Hamburger werden die Auswirkungen des G20-Gipfels hautnah zu spüren bekommen. Alltägliche Wege werden an den gut geschützten Sicherheitszonen enden, Haupteinfallstraßen der Stadt immer wieder kurzfristig für die 19 Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter der EU gesperrt, die Fahrt zur Arbeit eine Herausforderung. 20.000 Polizisten werden in der Stadt sein, Hubschrauber in der Luft kreisen, am Airport müssen die Fluggäste mit Verzögerungen rechnen, wenn die Air Force One und andere Regierungsmaschinen landen.

All das nervt viele Bürger schon jetzt gewaltig. Die Skepsis ist zu greifen, wie zuletzt auch unsere (nicht repräsentative) Umfrage unter den Abendblatt-Lesern zeigte: Drei Viertel derjenigen, die sich beteiligten, finden es nicht gut, dass das Gipfeltreffen in der Hansestadt stattfindet. Und vorher gefragt hat sie niemand.

Darauf will die rot-grüne Mehrheit in der Bürgerschaft nun reagieren. Wenn der Senat die Hamburger am Sonntag, dem Tag nach dem Gipfel, in die Museen einlädt, ist das ein Signal. Wir haben verstanden, soll es bedeuten. Verstanden, dass den Bürgern in diesen Tagen im Juli viel Geduld abverlangt wird und dass das Treffen, aber auch drohende Auseinandersetzungen zwischen gewalttätigen G20-Gegnern und der Polizei, für manche Stadtteile zur Zumutung werden dürfte – in der Hoffnung, dass dieses Dankeschön das Verständnis der Bürger wachsen lässt.

Hannover hat es Anfang Mai vorgemacht: Als dort 50.000 Menschen ihre Wohnungen wegen einer Bombenentschärfung verlassen mussten, gewährte die Stadt freien Eintritt in Museen und stellte ein Unterhaltungsprogramm mit kostenlosen Kinovorführungen auf die Beine. Das kam gut an.

Und in Hamburg? Ob die Menschen hier tatsächlich am 9. Juli in Scharen ins Museum strömen werden, an dem Tag, an dem das Gipfelspektakel endlich vorbei ist, aufgeräumt wird und langsam wieder Ruhe einkehrt in der Stadt, steht dahin. Zumal viele Bürger angekündigt haben, Hamburg in diesen Tagen verlassen zu wollen. Es muss sich zeigen, ob die Menschen die Geste von Rot-Grün als großzügig empfinden, ob sie sie mit dem G20-Treffen aussöhnt. Gut gemeint ist das Dankeschön allemal. Etwas lebensnaher wäre es allerdings gewesen, wenn man sich dazu hätte durchringen können, Busse und Bahnen kostenlos fahren zu lassen.

So wäre ein unmittelbarer Zusammenhang zum Gipfel hergestellt worden: Erleichterungen bei Bussen und Bahnen als Antwort auf die Beeinträchtigung des Verkehrs. Zumal die Bürger aufgerufen sind, an den G20-Tagen das Auto stehen zu lassen und auf den ÖPNV umzusteigen. Niemand kann ernsthaft annehmen, dass mehr Leute in die Innenstadt fahren, selbst wenn sie dort nichts zu tun haben – nur weil das nichts kostet.

Ob die Initiative von Rot-Grün nun eine Geste zu nennen ist oder eher ein „Gestchen“: Man kann es nicht einerseits richtig und gut finden, dass die Schwellen- und Industrieländer zusammenkommen, um über die Probleme der Welt zu reden, aber ablehnen, dass sie es vor der eigenen Tür tun. Das passt nicht zu unserem großstädtischen Anspruch. Mitdiskutieren und sich einbringen, die vielen kritisch-informativen Angebote von Kultureinrichtungen, Kirchen, Gewerkschaften und anderen nutzen, Protest gegen Despoten und Fehlentwicklungen der Globalisierung deutlich machen — das sind die richtigen Antworten auf G20.