Hamburg. Wie die Hansestadt von der Einigung über die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzen profitiert. Scholz: “Historische Leistung“.
Der sogenannte Spiegel am oberen Ende der Senatstreppe direkt vor der Ratsstube, ist der Ort für die wirklich wichtigen politischen Momente im Rathaus. Deswegen war es naheliegend, ja fast zwingend für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), seinen Kommentar zur Einigung über die Bund-Länder-Finanzen genau hier in Kameras und Mikrofone zu sprechen – eingerahmt von den Marmorstatuen der Gnade und der Gerechtigkeit.
„Mit dem Wort ,historisch‘ sollten Politiker vorsichtig umgehen: Doch die jetzt erreichte Einigung über die Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern ist wahrlich eine historische Leistung“, sagte Scholz. „Das ist ein guter Tag für Deutschland.“ Scholz’ Worte waren ein Stück weit auch Selbstlob, denn der SPD- Politiker ist einer der Architekten der umfassenden Finanzreform. Zunächst hatte der Bürgermeister die 16 Länder – finanzstarke wie Bayern und finanzschwache wie Bremen – im Oktober 2016 auf einen gemeinsamen Kurs gebracht und sich dann als Verhandlungsführer der Länder im Dezember mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verständigt.
Bund investiert zehn Milliarden Euro in Länder
Der Bund wird sich danach mit knapp zehn Milliarden Euro von 2020 an daran beteiligen, dass die Lebensbedingungen überall in Deutschland gleichwertig bleiben. „Das ist kein kleiner, aber sicherlich angemessener Beitrag“, sagte Scholz. Im Gegenzug wird der Bund mehr Kompetenzen erhalten. So funktioniert der Länderfinanzausgleich
Ein zentrales Element der Neuordnung ist die Aufhebung des Kooperationsverbots, das dem Bund künftig erlaubt, trotz der Kultushoheit der Länder in deren Bildungsinfrastruktur zu investieren. Allein für die Sanierung der Schulen vorrangig in finanzschwachen Ländern und Kommunen stehen künftig 3,5 Milliarden Euro bereit. „Wenn wir Schüler mit erstklassigen Lernerfolgen haben wollen, sollten wir ihnen erstklassige Lernbedingungen ermöglichen. Marode Bausubstanz passt nicht dazu“, sagte Scholz.
Hamburg erhält dreistelligen Millionenbetrag
Auch das finanzstarke Hamburg wird von der Einigung über die Bund-Länder-Finanzen profitieren. „Hamburg wird 2020 zunächst einen dreistelligen Millionenbetrag erhalten, der im unteren Bereich liegt“, kündigte der Bürgermeister an. Ursprünglich war von 117 Millionen Euro die Rede gewesen, die darauf basierende Rechnung dürfte aber überholt sein. „In den dann folgenden Jahren wird der zusätzliche Betrag, den Hamburg erhält, auf viele Hundert Millionen Euro anwachsen“, setzte Scholz hinzu.
Eigentlich sollte die Reform der Bund-Länder-Finanzen in dieser Woche mit den Stimmen der Großen Koalition vom Bundestag verabschiedet werden. Doch nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hatten die Fraktionen von SPD sowie CDU/CSU noch einmal Beratungsbedarf angemeldet und das Thema von der Tagesordnung genommen.
Auch Unterhaltsvorschuss wird neu geregelt
Es waren vor allem die Sozialdemokraten, die auf die Bremse traten. Die SPD befürchtete, die bereits beschlossene Gründung der Autobahngesellschaft, die künftig Planung und Bau der Straßen länderübergreifend beschleunigen soll, könnte letztendlich zu einer Privatisierung von Autobahnen führen. Union und SPD hatten sich am Mittwochnachmittag auf nicht weniger als vier Änderungen des Grundgesetzes verständigt, die eine Privatisierung von Autobahnen ausschließen sollen. „Das ist ein echter Verhandlungserfolg“, lobte Scholz seine Berliner Parteifreunde.
Neu geregelt wird auch der Unterhaltsvorschuss. Künftig müssen Alleinerziehende nicht mehr den Unterhalt bei säumigen Expartnern eintreiben, das übernimmt jetzt der Staat. Diese Regelung soll bereits zum 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Das gesamte, komplizierte Gesetzgebungsverfahren, das insgesamt allein 13 Änderungen des Grundgesetzes enthält, kann nun noch vor der Bundestagswahl am 24. September abgeschlossen werden.
FDP: „Lösung mit Milliarden des Bundes erkauft“
„Erstmals seit der Großen Finanzreform 1969 haben wir eine Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzen auf dem Verhandlungsweg erreicht, ohne ein vorheriges Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, sagte Scholz. Die FDP, die an der Einigung nicht beteiligt war, sieht das Ergebnis deutlich nüchterner. „Die gefundene Lösung ist schlicht mit Milliarden des Bundes erkauft“, sagte FDP-Bürgerschaftsfraktionschefin Katja Suding. Was die Einigung für Hamburg genau bedeute, bleibe noch abzuwarten. „Darüber hinaus fehlen uns Weichenstellungen in strukturellen Fragen des Länderfinanzausgleichs“, sagte Suding.