Hamburg. Wegen Ärger auf Trinidad und Tobago rutscht Hamburger Konzern in Verlustzone. Texanisches Gas und ein Osteoporose-Mittel sollen helfen.

Wer an Trinidad und Tobago denkt, dem schießen normalerweise Bilder mit Sonne, Strand und leckeren Cocktails in den Kopf. Wenn Hans-Christian Sievers den Namen des Karibikstaates vor der Küste Venezuelas hört, ist er derzeit weit entfernt davon, sich in eine entspannte Atmosphäre mit Mixgetränken unter blauem Himmel zu versetzen. Der Chef der Helm AG, des weltweit größten unabhängigen Chemikalienhändlers, hat ein Problem in Trinidad und Tobago – und zwar ein geschäftliches.

Ein Minus von 15,6 Millionen Euro in 2016

Seit rund 25 Jahren sind die Hamburger in dem Karibikstaat aktiv, lassen dort mit einem Partnerunternehmen im großen Stil Methanol, den wohl wichtigsten Grundstoff der chemischen Industrie, herstellen. Aber derzeit können die fünf Anlagen nur äußerst eingeschränkt produzieren. Wartungsarbeiten und vor allem das Fehlen von Gas, dem wichtigen Grundstoff zur Methanolproduktion, führen zu Verlusten – und zwar für das gesamte Unternehmen mit seinen weltweit rund 1500 Beschäftigten. Nach Steuern musste die Helm AG für 2016 nun ein Konzernergebnis von minus 15,6 Millionen Euro ausweisen. Ein Jahr zuvor stand noch ein Plus von 35,5 Millionen Euro.

Gasmangel im Karibikstaat

Dass in den Anlagen in der Karibik Gas fehlt, ist ungewöhnlich. Denn die Helm AG hat sich vor einem Vierteljahrhundert in Trinidad und Tobago genau wegen der großen Rohstoffvorkommen engagiert. Und Gas lagert auch weiterhin unter der Erde. Allerdings gibt es derzeit massive Förderprobleme und einen harten Poker mit der Regierung über den Lieferpreis. Auch persönlich war Sievers schon mit seinen Geschäftspartnern in der Hauptstadt Port of Spain – doch die Verhandlungen mit den Machthabern vor Ort gestalten sich nicht einfach. Dennoch ist der Chef der Helm AG optimistisch. „Ich denke, wir werden eine Lösung finden“, sagt er. Die Gasversorgung habe sich in den ersten Monaten des laufenden Jahres bereits verbessert.

Aber damit gibt sich Sievers nicht zufrieden. Um sich unabhängiger von der Karibikinsel zu machen, lenkt die Helm AG derzeit große Investitionssummen in die USA. Gemeinsam mit einem langjährigen Partner bauen die Hamburger in Beaumont (Texas) die größte Methanolanlage Nordamerikas. 680 Millionen Dollar fließen in das Projekt, die Helm AG ist mit 170 Millionen Dollar dabei.

Helm setzt auf texanischen Rohstoff

Schon von 2018 an soll dort Methanol produziert werden. „Das ist unsere Chance in der Krise“, sagt Sievers. Der betriebswirtschaftliche Vorteil für die Hamburger gegenüber Trinidad und Tobago: In den USA sind nicht nur die Gaslieferungen langfristig garantiert, der dort gewonnene Rohstoff für die Methanolproduktion ist auch deutlich günstiger. Denn es handelt sich um Schiefergas, das über das ökologisch umstrittene Fracking aus dem Boden gewonnen wird. Während Deutschland über den Sinn und Unsinn des Frackings noch diskutiert, pressen die Amerikaner das Gas bereits kräftig mit einem Mix aus Wasser, Sand und Chemikalien aus dem Boden und revolutionieren damit eine komplette Rohstoffindustrie.

An eine geschäftliche Revolution glaubt die Helm AG 2017 zwar nicht, aber zumindest wieder an einen positiven Nachsteuergewinn. „Das sollte in diesem Jahr klappen“, sagt Sievers. Denn neben Fortschritten bei den Verhandlungen in der Karibik verzeichnet die Helm AG auch höhere Preise für ihre chemischen Produkte. So dürfte sich nicht nur der Nachsteuergewinn ins Positive drehen, sondern auch der Weltumsatz, der im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf rund 6,9 Milliarden Euro gesunken war, wieder steigen. Zumindest der Start ins Jahr 2017 macht Mut: „Wir erwarten ein gutes erstes Halbjahr und rechnen mit einer Umsatzsteigerung von 14 Prozent“, sagt Sievers.

2019 kommt Osteoporose-Mittel auf den Markt

Neben den Grundchemikalien sollen zu dieser Entwicklung auch der Handel mit Dünger, Pflanzenschutz­mitteln und der noch vergleichsweise kleine, aber stark wachsende Pharma­bereich beitragen. Hier steht die Helm AG tatsächlich vor einer Revolution: Denn gemeinsam mit einem Partner haben die Hamburger nun die Marktzulassung der EU für ein Medikament zur Behandlung von Osteoporose erhalten, das bei bestimmten Patienten das Risiko von Knochenbrüchen reduziert. Von 2019 an soll es verkauft werden. Und auch ein bereits bewährtes Schilddrüsenmedikament gehört seit Kurzem zum Produktportfolio der Hamburger.

500 Millionen Euro für neue Geschäftsfelder

„Handeln statt abwarten“, sagt Sievers zu seiner Strategie. Insgesamt eine halbe Milliarde Euro investiert die Helm AG unter diesem Motto innerhalb von zwei Jahren in den Ausbau aller Geschäftsfelder. Und die Tatsache, dass das Unternehmen zu 100 Prozent in Besitz der Hamburger Kaufmannsfamilie Schnabel ist, hilft gerade in Zeiten, in denen der Gewinn mal nicht so sprudelt. Während in einem börsennotierten Konzern in solchen Situationen schnell Hektik oder gar Panik ausbricht, um den Anteilseignern wieder eine schnelle Rendite zu gewährleisten, kann Sievers konzentriert weiterarbeiten.

„Unser Eigentümer hat mich sogar eher beruhigt und mir klargemacht, dass Verluste zum Geschäft auch mal dazugehören“, sagt Sievers. Bei einer Eigenkapitalquote von weiterhin mehr als 50 Prozent und einem operativen Gewinn (Ebitda) von 20,2 Millionen Euro ist für Panik offensichtlich auch kein Anlass gegeben.

So werden in den kommenden Monaten denn auch die rund 620 Beschäftigten in der Hamburger Zentrale in der City Süd in den Genuss einer Modernisierungsmaßnahme kommen. Im Herbst eröffnet die neue Kantine inklusive Konferenzraum. 4,5 Millionen Euro hat sich das Unternehmen dieses Projekt kosten lassen.