Hamburg. Fünf Millionen Euro und Projekte von Bürgern sollen die Horner Geest zur neuen Attraktion machen. Ein Entdeckungsspaziergang.

Ganz am Anfang, vor dem Museum für Kunst und Gewerbe, braucht die Wandergruppe vor allem eines: sehr große Vorstellungskraft. Nur mit ganz viel Fantasie ist von hier aus ein grünes Band zu erkennen. Aber irgendwo zwischen Zentralem Omnibusbahnhof und vierspuriger Kurt-Schumacher-Allee soll er beginnen, Hamburgs längster Park, die Horner Geest. Noch befinden sich die 40 Teilnehmer im Stadtteil St. Georg. „Hier gibt’s kaum Grün“, sagt ein Wanderer. Dementsprechend skeptisch macht sich die Gruppe auf den Weg. Immerhin: Auf dem Carl-Legien-Platz stehen Bäume.

Die Umweltbehörde hat eingeladen, die weitgehend unbekannte Landschaftsachse Horner Geest kennenzulernen. „Weil mit diesem Namen aber kein Mensch etwas anfangen kann, haben wir das Projekt ,Hamburgs längster Park‘ genannt“, sagt Cornelia Peters, Leiterin des Vorhabens. „Klingt gleich griffiger“, befindet eine ältere Dame im Publikum. Insgesamt stehen fünf Millionen Euro für die Neuausrichtung des neun Kilometer langen Grünstreifens zwischen St. Georg und dem Öjendorfer See zur Verfügung. Fünf Stadtteile durchzieht er, für seine Aufwertung wurden keine Mühen gescheut.

Der Wanderung in den grünen Stadt-Osten ist eines der größten Bürgerbeteiligungsprojekte Hamburgs vorausgegangen. Ein Budget von einer Million Euro stand ausschließlich für Bürgerideen zur Dekoration des neuen Parks zur Verfügung. Aus 233 eingereichten Vorschlägen wurden am Ende zwölf genommen. Sie werden nun entlang der Grünachse verwirklicht. Darunter eine mobile Grillstation mit dem Namen „Geschmacksträger“, ein Erwachsenenspielplatz „Fit for Geest“ oder eine „Fledermausliegewiese“. Mehr Sichtbarkeit, mehr Attraktivität, mehr Durchgängigkeit – diese Ziele hat sich die Stadt gesteckt, um die Horner Geest als zusammenhängenden Park erkennbar zu machen.

Früher waren hier nur Junkies

Am Berliner Tor stellt die Wandergruppe fest, dass dieser Plan hier absehbar zur Herausforderung wird. Viel Asphalt, viel Beton, wenig Park. Möglicherweise hilft an dieser Stelle nur eine grüne Linie, um die Landschaftsachse nicht aus den Augen zu verlieren. kein Wunder, dass im Frühjahr 2018 hier der erste Blickfang des neuen Grünstreifens stehen soll, der „Kletteorit“, ein vier Meter hoher Boulderfelsen, der aus der Bürgerbeteiligung hervorgegangen ist.

Erdacht hat ihn Maike Gennis aus St. Georg, die wie viele Ideengeber den Spaziergang begleitet. Gennis kennt diese Ecke natürlich: „Früher waren hier nur Junkies. Die sind jetzt immer noch da, aber eben auch etwas Neues.“ Es soll ein Ort zum Entspannen und Sporttreiben werden. Im langsam grüner werdenden Grünstreifen.

Mehr als 8000 Menschen hatten über die Bürgerprojekte abgestimmt und damit ihre Lieblingsideen gekürt. „Mit einer solch überwältigenden Resonanz, geprägt von Engagement und Begeisterung, die Geest aktiv mitzugestalten, hätte ich nicht gerechnet“, sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Die Umsetzung aller Projekte ist bis Ende 2018 geplant.

Im inzwischen erreichten Borgfelder Grünzug, wo die Geest ihrem Namen als höher gelegene Ebene mit leicht ansteigendem Fußweg alle Ehre macht, erklärt Eric Mielke den Fitness-Parcours für alle. Losung: „Während Papa pumpt, übt der Nachwuchs präzise Sprünge.“ Schon davor kann „hoch gesessen“ werden. Beim Projekt „Hoch sitzen“ führt hier bald ein Steg bis unter die Baumwipfel. Die Eichhörnchen werden sich über Gesellschaft freuen.

Der Star soll zum Leitvogel werden

Danach, auf dem nun deutlich zu erkennenden und schon gut ausgebauten grünen Pfad, wird noch das Insektenprojekt des Nabu am Hang besprochen. Interessanter Aspekt am Rand: Mit einigen Hundert Brutkästen soll der Star als „Leitvogel“ der Horner Geest etabliert werden. Als die Reisegruppe kurz vor der U-Bahn-Station Burgstraße steht, wo das Projekt Geestschaukel das Rennen gemacht hat, ist wieder Vorstellungskraft gefragt. In Kürze entsteht dort die womöglich größte Schaukellandschaft der Stadt, und zwar für Kinder und Erwachsene.

Der Park zieht sich von hier, grob gesagt, bis zur Horner Rennbahn über die Linie der U 2, immer entlang der Hammer Landstraße. Wer nicht alles abspazieren möchte, kann also auch an einer U-Bahn-Station aussteigen und Hamburgs längsten Park abschnittsweise erwandern. Manchmal ist er nicht breiter als zehn Handtücher, an anderen Stellen, wie am Thörls Park in Hamm, weitet sich das Gelände.

Flicken sollen zum grünen Teppich werden

Im Thörls Park spielen Kinder (Spielplatz) und Erwachsene (Beachvolleyball) bald nebeneinander oder machen es sich auf der „Fledermausliegewiese“ bequem. Einige der 13 in Hamburg vorkommenden Arten sollen dort gern jagen. Komplettiert wird der Abschnitt in Hamm vom zehn Meter hohen Hammer Turm. Was zum Gucken.

Tenor der Wandergruppe: Hamburg könnte seinen Bürgern ruhig öfter die Gestaltung der Stadt überlassen. Zu­mindest stellenweise. Bis zur Horner Rennbahn fügen sich die Projekte („Spray&Dance“ als Chill-Ort für Jugendliche oder die „Horner Paradiese“ als City-Landwirtschaft) gut in die Landschaftsachse. Angesichts einiger Hindernisse (Bahnstrecke) wird beim „Patchwork-Grün“ allerdings auch deutlich, dass Hamburgs längster Park bis zur Fertigstellung ein Langzeitprojekt ist.

Das grüne Netz

Elf große Landschaftsachsen, zusammenhängende Grün- und Freiflächen, ziehen sich wie ein Netz vom Umland in die Hamburger Innenstadt. Die bekannteste Achse ist dabei der Alsterlauf.

Je weiter die Grünachsen ins Zen­trum reichen, desto schmaler und lückenhafter werden sie. Ziel der Stadt ist es, diese natürlichen Strukturen wie jetzt an der Horner Geest wieder sichtbar zu machen und Lücken zu schließen.