Hamburg. Der 52-jährige Hamburger kämpft im Norden für die Energiewende – ein schwieriges Geschäft.

Thomas Bystry steht an der Shell-Tankstelle in der Schnackenburgallee und betankt seinen Toyota Mirai. Drei Minuten dauert es, dann ist die Limousine aufgetankt und bereit für die 150 Kilometer lange Strecke nach Flensburg. Dort soll der Shell-Manager am Abend den rund hundert Besuchern im völlig überfüllten Konferenzsaal des Restaurants Borgerforeningen erklären, wie dieser Planet vielleicht doch noch zu retten ist.

Thomas Bystry steht für saubere Energie. „Clean Energy Partnership“ (CEP), das ist Europas größtes Demonstrationsprojekt für Wasserstoff-Mobilität. Und der 52-jährige Hamburger ist Vorsitzender der CEP. Eine Initiative aus 20 hochkarätigen Industriepartnern, die im Dezember 2002 unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums gegründet wurde, um die Alltagstauglichkeit von Wasserstoffals Kraftstoff zu erproben. 2016 wurde das 1,4 milliardenschwere Förderprogramm NIP, wodurch Deutschland zum Leitmarkt für nachhaltige Mobilität werden soll, noch einmal mit 511 Millionen Euro um weitere zehn Jahre bis 2026 verlängert.

Ehrgeizige Klimaschutzziele

Thomas Bystry ist ein ziemlich wichtiger Mann für die Energiewende der Bundesregierung und deren ehrgeizige Klimaschutzziele: Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen von mindestens 40 Prozent bis 2020 – und von 80 bis 95 Prozent bis 2050, um die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dafür müsste der Straßenverkehr nach Schätzungen von Experten zu 95 Prozent auf alternative Antriebe umgestellt werden.

Viel Zeit bleibt also nicht mehr. Und Bystry ist der Mann, der die saubere Mobilität von morgen vorantreiben soll. Er hat an der Tankstelle kein Benzin getankt. Sein Toyota Mirai fährt mit Wasserstoff. Vier Kilo passen in den Tank, das Kilo für 9,50 Euro. Die Reichweite beträgt bis zu 500 Kilometer. Eine Brennstoffzelle unter dem Fahrersitz verwandelt Wasserstoff in elektrische Energie für den Motor. Statt CO2 und Schadstoffen stößt das Auto nur Wasserdampf aus. Ist das der Zapfhahn der Zukunft? Der große Vorteil gegenüber batteriebetriebenen Elektroautos, die rund 150 Kilometer mit einer mehrere Stunden dauernden Ladung schaffen, besteht in der schnellen Betankung und in der Reichweite.

350 Wasserstoff-Autos in Deutschland

Thomas Bystry ist völlig emissionsfrei und geräuschlos nach Flensburg gefahren, um den Zuhörern die noch relativ junge Wasserstoff-Welt näherzubringen. Was ist der Stand der Technik? Wie sieht es mit dem bundesweiten Tankstellennetz aus? Wo hakt es noch? Welche Hürden müssen überwunden werden? Seine Kernaussage: „Es geht nur gemeinsam.“ Politik, Autohersteller, Tankstellenbetreiber, Gasanbieter, Anlagenbauer und Verkehrsbetriebe müssen Synergien eingehen und an einem Strang ziehen, sonst werde es schwierig. „Wir befinden uns jetzt gerade an der Schwelle von der Forschung zur Marktaktivierung.“

Die Zahlen belegen das: Rund 350 Wasserstoff-Autos gibt es derzeit in Deutschland, was bei einem Preis von knapp 80.000 Euro für den Toyota Mirai wenig überrascht. Der Hyundai ix35 kostet immerhin noch 66.000 Euro. Daimler folgt erst im nächsten Jahr mit einem Brennstoffzellen-Auto.

Hier oben im Norden aber, wo der Wind so heftig weht, dass der überschüssige und ungenutzte Ökostrom langsam zum teuren Problem wird, rennt Thomas Bystry offene Türen ein. Geladen hat der Verein Erneuerbare Energie & Speicher (EES), der sich seit Jahren für die Energiewende in der Region mit grünem Wasserstoff, lokal erzeugt und gespeichert, einsetzt. „Flensburg braucht dringend eine Wasserstofftankstelle“, sagt der Vorsitzende Peter Helms unter lautem Beifall.

Es gebe längst genügend Interessenten für Wasserstoff-Fahrzeuge. „Mutige und visionäre Pioniere“, die aber natürlich erst zu Käufern würden, wenn sie ihre Autos vor Ort auch auftanken könnten. Der Druck auf die Regierenden, so Helms, dürfe jetzt nicht nachlassen. Da besteht sogar Einigkeit mit Schleswig-Holsteins CDU-Spitzenkandidat. „Bei der Speicherung von überschüssigem Strom, beispielsweise in Form von Wasserstoff, tut die Landesregierung viel zu wenig“, kritisierte Daniel Günther jüngst.

23 Wasserstoff-Tankstellen

Mit einer Wasserstoff-Tankstelle für Flensburg kann Bystry an diesem Abend noch nicht dienen. Derzeit gebe es bundesweit etwa 50 Tankstellen, sagt der Hamburger. 23 in Betrieb, zwölf warteten auf die Freigabe, 13 seien im Bau. Das ehrgeizige Ziel: 400 Wasserstoff-Tankstellen bis zum Jahr 2023, was dann für eine bundesweite Grundversorgung ausreichen würde. Manche Experten schätzen, dass bis dahin eine sechsstellige Anzahl Wasserstoff-Autos in Deutschland zugelassen sein könnte.

Das dauert manchem in dem Bundesland mit den zwei Küsten alles viel zu lange. Reinhard Christiansen, Geschäftsführer der „ENERGIE des Nordens“, kündigt an, bis zum kommenden Jahr mit Partnern eine eigene Wasserstoff-Tankstelle bei Flensburg zu bauen. Ove Petersen, der mit seiner Firma GP Joule Konzepte mit erneuerbaren Energien entwirft, stellt ein Projekt mit zwei Wasserstoff-Tankstellen in Husum und Niebüll mit zunächst zwei Brennstoffzellen-Bussen für den öffentlichen Personennahverkehr vor. Kosten: rund zwölf Millionen Euro.

Akuter Handlungsbedarf

Da ist Hamburg mit aktuell vier Wasserstoff-Tankstellen schon ein bisschen weiter. Seit 2011 ist bei der Hamburger Hochbahn eine neue Generation von vier Brennstoffzellenbussen von Daimler-Benz im Einsatz, seit 2015 zusätzlich zwei Batteriebusse mit Brennstoffzelle. Denn auch in Hamburg besteht akuter Handlungsbedarf: Regelmäßig werden die EU-Grenzwerte mit zu hohen Stickstoffdioxid-Werten überschritten. Bis Ende Juni muss der Senat jetzt einen neuen Luftreinhalteplan mit Maßnahmen zur Luftverbesserung vorlegen.

„Der Umstieg auf eine Wasserstoffökonomie ist ein Jahrhundertprojekt“, sagt Thomas Bystry auf der Rückfahrt. Ganzheitlich betrachtet, biete Wasserstoff viele Vorteile: Der Stromsektor rücke mit dem Mobilitätssektor zusammen. „Und außerdem ist man unabhängiger von Drittstaaten.“ Deutschland gebe jährlich 100 Milliarden Euro allein für den Import von fossilen Brennstoffen aus. „Mit Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen schafft man eine eigene Wertschöpfungskette im Land. Langfristig wird das unverzichtbar sein“, sagt Thomas Bystry.