Hamburg. Otto Waalkes im Interview über seine neue Tour, den US-Präsidenten, die Elbphilharmonie und wer ihn am Bühneneingang abholt.
Otto Waalkes (68) ist 2017 wieder auf Tour gegangen. Wie bitte? Der kann noch gehen? Das fragen sich viele. Über diese und andere Unverschämtheiten rund um den in Hamburg-Blankenese lebenden deutschen Ur-Komiker haben wir mit ihm gesprochen. Am 22., 23. und 24. Mai tritt Otto mit seiner Holdrio-Tour in Hamburg im Mehr! Theater am Großmarkt auf, es gibt noch Karten. Hier sehen Sie Ottos Video-Selfie für die Abendblatt-Leser und das Interview, das fast aus dem Ruder lief.
Hamburger Abendblatt: Was wurde eigentlich aus dem rasenden Reporter Harry Hirsch? Wir fragen aus Eigeninteresse, denn das Hamburger Abendblatt wird im nächsten Jahr 70! Und wir ahnen, wer auch.
Otto: Ja, der hat‘s auch nicht leicht. In dem Alter in der Branche! Das kennen Sie ja dann selbst. Er kommt jetzt mit mir auf Tournee. Er darf vor der Show die Mikrofone testen. Da fühlt er sich fast wie früher. Und was wurde eigentlich aus Print? Lebt es noch?
Hamburger Abendblatt: Print lebt und wirkt! Sieht man gerade an US-Präsident Donald Trump. Kein Wunder, dass Sie sich auf Ihre neue Tour in Florida vorbereitet haben. Welche Trump-Pointen bringen Sie aus den USA mit?
Otto: Ich finde Scherze über geistig Benachteiligte nicht gut, das mache ich nicht. Und blöde Witze über Frisuren, das ist mir auch zu haarig. Außerdem lassen sich Scherze aus dem Englischen nur ganz schlecht ins Plattdeutsche übersetzen.
Hamburger Abendblatt: Ernsthaft: Kann es bei so viel scheinbar Absurdem in der Realität überhaupt noch neue Gags in der Welt des Humors geben?
Otto: Na klar. Gerade in dieser Zeit ist Humor doch umso wichtiger!
Ottos Klassiker-Gags – das muss sein!
Hamburger Abendblatt: Wenn man Freunden erzählt, dass Sie wieder auf Tour gehen, fragen die oft: Was, der kann noch gehen? Welche Strafe haben diese Leute verdient?
Otto: In meine Show, erste Reihe, gnadenlos. Aber Recht haben die ja schon. Ich sitze und hüpfe und springe - ob ich noch gehen kann, weiß ich eigentlich gar nicht.
Hamburger Abendblatt: Wie groß ist der Anteil an neuen, wie groß der an alten und beim Publikum beliebten Gags in Ihren Shows?
Otto: Wenn ich 70 Prozent neu mache, sind viele Zuschauer enttäuscht. Die wollen überrascht werden, aber auch Gags hören, die sie schon selber mitsprechen können. Und die Jungen haben viele Klassiker noch gar nicht live gesehen. Die wollen natürlich ja auch mitreden können bei ihren Großvätern am Sterbebett.
Hamburger Abendblatt: Ihre Tour heißt Holdrio again – schon mal auf der Bühne gestanden und den nächsten Gag vergessen?
Otto: Das nicht. Aber ich hab mal vergessen, dass ich einen Gag vor der Pause schon gebracht hatte – und denselben Witz nochmal gemacht. Totenstille im Saal. Das war hart. So viel Altes wollen die Leute dann auch wieder nicht.
Hamburger Abendblatt: Was getan? Mit Yolla-di-hit-ti überspielt? Den Otto-Maten angemacht?
Otto: "Wenig gelacht wurde auch über folgenden Scherz" sagen und weitermachen! Muss ja immer weitergehen.
Otto live auf der Tour 2017
"Meine Notizen kann ich manchmal selbst nicht lesen"
Hamburger Abendblatt: Haben Sie einen Teleprompter oder einen Souffleur?
Otto: Nur einen Notizzettel mit Stichwörtern und kleinen Zeichnungen, den nur ich lesen kann. Und oft auch nicht mal ich.
Hamburger Abendblatt: Schon mal gedacht, das war jetzt der Mega-Brüller und keiner hat gelacht?
Otto: Ich hab mal eine lange Anekdote gebracht, die ich tierisch witzig fand. Aber die hatte ich selbst irgendwo aufgeschnappt und die hatte eben keine Otto-Pointe. Alle haben gewartet und gewartet, was da wohl noch kommt.
Hamburger Abendblatt: Die Rolling Stones sind (ohne Begleitband) noch zu viert. Wie kann man alleine eine solche Tournee körperlich durchstehen?
Otto: Keine Ahnung, ich war nie mit den Stones auf Tour. Ich schaffe das allein überraschend gut, obwohl ich ja jetzt schon über 40 bin. Ich hab am Anfang aber ja auch extra langsam gemacht, damit ich das Tempo dann auch ewig halten kann.
Hamburger Abendblatt: Wer nervt mehr? Leute, die sagen, Otto erzähl mal ´nen Witz? Oder die, die sagen: Otto, jetzt mal ohne Witz?
Otto: Wenn das mal jemand sagen würde! Es ist schon ganz schön, wenn man mal ernst genommen wird.
In Emden nur Witze auf Platt
Hamburger Abendblatt: Wann das letzte Mal dem Sohn peinlich gewesen? Und warum?
Otto: Nee, die Phase ist zum Glück vorbei. Irgendwann hat er gemerkt, dass er Mädchen beeindrucken kann, wenn ich zu Hause rumblödele.
Hamburger Abendblatt: Wann war Ihr Sohn das letzte Mal megastolz auf Otto?
Otto: Ich hoffe, er war stolz, als ich in Emden aufgetreten bin. Das ist ja meine Heimat, da kann ich Platt reden mit dem Publikum und da reagieren die Leute nochmal ganz anders auf mich. Schön, wenn er das auch mal mitbekommt.
Hamburger Abendblatt: Sie wohnen in Blankenese, testen Sie da Ihr neues Material an den Nachbarn, um nah am Fan von heute die Street Credibility zu behalten?
Otto: Ja, wo könnte man seine Street Credibility besser testen als im Getto von Blankenese! Wenn es denen zu hip ist, ist es für die Bühne genau richtig.
"Die Westdeutschen sind Fröhlichkeit auf Kommando gewohnt"
Hamburger Abendblatt: Wir Hamburger gelten ja als zurückhaltend und verziehen bei Ekstasen dezent die Mundwinkel. Wie reagieren die Osnabrücker, die Münchener, die Leipziger auf Otto?
Otto: Manchmal rutscht selbst dem kühlsten Hamburger die Hand aus und er applaudiert nach einem Scherz, aus Versehen. Die Westdeutschen sind immer ein gutes Publikum, die sind Fröhlichkeit auf Kommando ja vom Karneval gewohnt. Die Süddeutschen sind herzlich, verstehen mich aber so schlecht, ist ja auch eine ganz andere Sprache. Und die Ostdeutschen sind so dankbar, dass ich vorbeikomme –die klatschen sogar schon, wenn ich auf die Bühne komme!
Hamburger Abendblatt: Hamburgs größter Gag ist ja fast jeden Abend ausverkauft, auch wenn das Jugendfeuerwehr-Orchester Barmbek-Süd Werke von Hatschinsky spielt. Wann treten Sie in der Elbphilharmonie auf?
Otto: Ist die denn schon fertig? Dann komm ich doch gern! Ich stecke zurzeit leider noch in Berlin fest – weiß jemand, wann der nächste Flug vom BER nach Hamburch geht?
Hamburger Abendblatt: Vor Kurzem ist Chuck Berry verstorben. Als Sie in einer Ihrer ersten Fernsehshows aufgetreten sind, haben Sie Johnny B. Goode gespielt, Willy Brandt war Bundeskanzler, es gab, wenn die Antenne richtig ausgerichtet war, drei Fernsehprogramme, und der neue Elbtunnel war noch nicht fertiggebaut. Sehnen Sie sich bisweilen nach den wilden Anfangsjahren Ihrer Karriere zurück? Oder mochten Sie die Karrierephase lieber, in der Sie Kinofilme machten (mit Steffi Graf in der Nebenrolle)?
Otto: Ich hab nix dagegen, dass Zeit vergeht. Alles war zu seiner Zeit genau richtig, ich hatte ja auch viel Glück. Und Kinofilme mache ich doch noch immer! Ich hab da auch noch was vor, wartet‘s ab!
Hamburger Abendblatt: Was ist heute besser, abgesehen von der Bezahlung?
Otto: Eigentlich gar nix. Aber es gibt mehr Auswahl, man muss heute nicht immer nur Nachrichten oder Otto gucken, wie früher. Schön, dass die Leute es trotzdem weiter so machen.
"A new Selfiestick – ein neuer Vibrator"
Hamburger Abendblatt: Würden Sie mit jungen Künstlern oder Youtubern gerne mal tauschen und mit wem?
Otto: Ich würde auch mal gern ein Tutorial machen. Einen Englischkurs, vielleicht? "WhatsApp? – Was geht ab? Nicht zu verwechseln mit: Wash App – Kümmere dich bitte um das Geschirr. Her boyfriend is now on Twitter –Ihr Freund steht neuerdings auf Zwitter. But she has a new selfiestick –Sie hat einen neuen Vibrator". Na ja oder vielleicht doch ein Beauty-Tutorial für langes, gesundes Haar?
Hamburger Abendblatt: Haben Sie schon mal wen wegen Plagiaten verklagt, weil zum Beispiel Nachwuchsleute Ihr Material verwendet haben?
Otto: Ach was, man inspiriert sich doch gegenseitig, das ist doch toll. Durch Plagiate lebt man ewig weiter. Eigentlich sollten die Leute gar nichts eigenes machen.
Hamburger Abendblatt: Wenn Sie – außer für den eigenen Bühnenauftritt – eine Eintrittskarte kaufen, für welche Band, welche Künstler ist das?
Otto: Sting wäre ja mal toll! Den verehre ich ja sehr.
Hamburger Abendblatt: Ganz privat gefragt: Wer holt Sie am Bühneneingang ab, wenn Ihr Auftritt vorbei ist?
Otto: Der Pfleger, der eben gerade Dienst hat.
Hamburger Abendblatt: Das wollten Sie den Hamburgerinnen und Hamburgern längst mal gesagt haben, trauten sich aber noch nicht – bis jetzt...
Otto: Moin! Ich mag gar nicht so gern Franzbrötchen essen. Aber Matjes könnt ihr mir jederzeit vorbeibringen. Braucht ihr noch die Adresse?