Hamburg. Das System Cido löst ein entscheidenes Problem bei der Zustellung. Zusammenarbeit mit Logistikunternehmen geplant.

Wenn Julian Wulf etwas anfängt, macht er es mit vollem Einsatz. Das war auch während seiner Doktorarbeit nicht anders. Den ganzen Tag und manchmal auch die halbe Nacht verbrachte der Hamburger an der Universität. Für Einkäufe blieb kaum Zeit, also orderte er im Internet. „Oft hingen gleich mehrere Benachrichtigungszettel von Lieferdiensten an meiner Wohnungstür, wenn ich spätabends nach Hause kam“, sagt der 32-Jährige. „Es ging dann immer nur darum, welche Bestellungen mal wieder nicht bei mir angekommen waren.“ Ein Problem, dass viele Berufstätige haben. Klar, dass ein Wirtschaftsinformatiker mit Schwerpunkt Logistik und Transport anfängt, sich Gedanken über eine Lösung für dieses Problem zu machen.

Auf der anderen Seite ist die Zustellung auch für die Logistikdienstleister eine der größten Herausforderungen. Die letzte Meile, also das letzte Wegstück beim Transport der Ware bis zur Haustür des Kunden, ist sehr teuer. Besonders dann, wenn der Paketbote erfolglos an der Tür klingelt und wiederkommen muss. „Das Ziel ist, Lieferanten einen geordneten Zugang ins Haus zu verschaffen“, sagt Wulf, der inzwischen seine Promotion in der Tasche hat. Das heißt: Nur der Bote kommt ’rein, um das Paket zuzustellen – sonst niemand.

Come in and drop off!

So weit die Theorie. Gemeinsam mit Felix Ueckermann, den Wulf im Rahmen seiner Tätigkeit an der Universität kennengelernt hatte, begann er an der praktischen Lösung zu arbeiten. „Unsere Grundvoraussetzung war, dass wir etwas machen müssen, dass sich an die Abläufe der unterschiedlichen Logistikunternehmen anpassen muss“, sagt Ueckermann, der das Konzept und den ersten Vorläufer für das Zugangsmanagementsystem Cido im Rahmen seiner Bachelorarbeit entwickelt hat.

Cido steht für: Come in and drop off! Das Duo dockte mit dem Projekt beim Gründernetzwerk der Hamburger Universität an. Inzwischen ist aus ihrer Idee ein Produkt geworden, die Patentanmeldung läuft. Gerade haben die beiden ein Stipendium vom Bundeswirtschaftsministerium bekommen. Und: „Wir führen Gespräche mit den großen Paketdiensten DHL, Hermes und DPD“, sagt Wulf. „Die sind sehr interessiert.“

Prinzip ist vergleichsweise einfach

Denn bislang gab es zwar jede Menge Ideen, Sendungen etwa mittels Paketboxen oder eines speziell gesicherten Taschensystems innerhalb eines Mehrfamilienhauses zuzustellen. „Leider wurde der Postbote aber ausgesperrt und stand vor der verschlossenen Haustür.“ Das Prinzip von Cido ist vergleichsweise einfach. In der Klingelanlage, bei Mehrfamilienhäusern zumeist elektrisch, wird ein kleiner Barcode-Scanner installiert.

Der Platz dafür ist oft vorhanden. Der Paketbote scannt die Sendungsnummer ein, über das Mobilfunknetz, das mittels einer SIM-Karte aufgebaut wird, werden die Daten an den Cido-Webservice übertragen, der dann bei den Logistikern wie DHL, Hermes oder GLS den Status des Pakets abfragt. „Das ist genau das, was jeder bei der Sendungsverfolgung auch machen kann“, erklärt Wulf. Wenn Zustellstatus und Empfänger passen, öffnet Cido schließlich die Haustür.

Gründerduo ergänzt sich perfekt

Das Gründerduo ergänzt sich dabei perfekt. „Wir sind beide mit dem Lötkolben in der Hand aufgewachsen“, sagt Wulf, der aus Harburg kommt und immer wieder neue Projektideen hat. Ein System für den bedarfsgerechten Einkauf hat er konzipiert und Bienenkörbe mit Technik ausgestattet. Felix Ueckermann hat, wie er sagt, schon immer einen Basteldrang. Der gebürtige Buchholzer baut Sensoren für die Temperaturmessung und andere „Dinge, die die Welt nicht braucht“. Oder eben doch.

Ein erster Pilotlauf mit Cido läuft erfolgreich seit einigen Monaten in dem Gründerzeit-Altbau, in dem Julian Wolf mit seiner Lebensgefährtin in Eimsbüttel wohnt. Den Prototypen hatten die Cido-Erfinder über 3-D-Druck bei einem Hamburger Unternehmen herstellen lassen.

Innovatives Konzept

Ein bisschen aufwendiger sei es gewesen, alle Bewohner im Haus von dem innovativen Konzept zu überzeugen. „Das hat dann aber auch geklappt.“ Im Haus bauten Wulf und Ueckermanm eine Paketbox mit unterschiedlich großen Fächern auf, die über individuelle Vorhängeschlösser gesichert sind. Der Paketbote muss die Sendung nur hineinlegen und das Schloss schließen. Der Empfänger öffnet es dann mit dem eigenen Schlüssel.

„Die ersten Erfahrungen sind positiv“, sagt Julian Wolf. Die Boten hätten das Konzept quasi intuitiv erfasst. Eine Schulung sei dafür nicht notwendig gewesen. „Deren Abläufe sind sehr stark zeitoptimiert. Wichtig ist, dass es schnell geht“, sagt der Gründer. Die Bewohner seien auch zufrieden. Niemand muss mehr auf den Zulieferer warten, Pakete für Nachbarn annehmen oder dort abholen, zum Paketshop oder zur Paketbox fahren oder in der Endlos-Schlange bei einer der wenigen Post-Filialen stehen. „Die Pakete kommen an“, sagt Wulf und grinst.

Gründung einer GmbH läuft

Durch das Stipendium, das über das Existenzgründer-Programm Exist läuft, haben die Macher jetzt ein Jahr Zeit, ihr Produkt weiterzuentwickeln und Vertriebsstrukturen aufzubauen. „Inzwischen haben wir einen Partner gefunden, der die Ausweitung unterstützt“, sagt Julian Wulf. Namen will er noch nicht nennen, aber „es ist ein bekanntes Unternehmen“. Auch Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) sei angetan von der Idee, Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) habe Cido in einer Rede als positives Bespiel für die Innovationskraft in Hamburg erwähnt.

Die beiden Wissenschaftler sehen in dem Projekt ihre berufliche Zukunft. Die Gründung einer GmbH läuft. „Das Interessante ist, dass durch unser System die Möglichkeit eröffnet wird, die Zustellungen aus der Hauptverkehrszeit in den frühen Morgen oder späten Abend zu verlegen.“ Wulf und Ueckermann denken aber noch weiter: Die Zugangsmöglichkeiten können auch für Getränkelieferanten, Reinigungsfirmen, Lebensmittelversender und Zeitungszusteller interessant sein.