Hamburg. Ein historischer Tag für die Handelskammer Hamburg. Auf eine persönliche Erklärung folgt ein Schlagabtausch – und viel Applaus.

Da sitzt er nun und liest laut. Hans-Jörg Schmidt-Trenz (60) trägt seine persönliche Erklärung Wort für Wort vor – akribisch formuliert. Knapp zwei DIN-A4-Seiten lang. Seine letzte Erklärung als Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handelskammer – nach mehr als 21 Jahren an der Spitze der wichtigsten Wirtschaftsvertretung der Stadt. Mit „voller Kraft und Leidenschaft“ habe er sich über die Jahrzehnte für Hamburgs Wirtschaft und die Kammer eingesetzt – und seinen Vertrag hätte er auch gerne bis Ende 2019 erfüllt, betont er sichtlich angespannt.

Aber am Ende wolle er möglichen Schaden von der Kammer abwenden. Und diesen Schaden befürchtet er durch eine längere Auseinandersetzung mit dem neu gewählten, ehrenamtlichen Plenum und Präsidium – beide werden mittlerweile von den sogenannten Rebellen („Die Kammer sind wir!“) dominiert. Deshalb habe er sich mit dem neuen Präses Tobias Bergmann darauf geeinigt, sein Amt niederzulegen.

Aus von Schmidt-Trenz kostet 1,1 Millionen

Bergmann musste liefern, hatte er doch im Wahlkampf einen deutlich preiswerteren Hauptgeschäftsführer als Schmidt-Trenz mit seinem Jahresgehalt von etwa 500.000 Euro versprochen. Dass der Deal mit Schmidt-Trenz nun insgesamt 1,1 Millionen Euro kostet: egal! Hauptsache, der Hauptgeschäftsführer räumt seinen Posten.

Kommentar: Ein Sieg der Vernunft für die Handelskammer

Schmidt-Trenz soll für die Kammer aber weiter das „internationale Netzwerk pflegen“, Präsident der kammereigenen Hochschule HSBA bleiben und die Vorbereitungen für das von der Kammer organisierte Wirtschaftsforum „Hamburg Summit – China meets Europe“ 2018 mit übernehmen.

Laut Bergmann bekommt Schmidt-Trenz 775.000 Euro Abfindung, 120.000 Euro für seine Summit-Arbeit sowie 11.000 Euro im Monat für seine HSBA-Tätigkeit. Ingesamt würden so 1,1 Millionen Euro fällig.

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Handelskammer-Präses erklärt die Abfindung für Schmidt-Trenz

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    Schmidt-Trenz’ Appell an die Rebellen

    Schmidt-Trenz nutzt seine etwa zehnminütige Rede vor dem Plenum am Ende noch für einen deutlichen Appell an die neuen Machthaber: „Sie tragen nun die Verantwortung für die Zukunft unserer Handelskammer und ihrer tatkräftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Teamstärke ich Ihnen ganz besonders ans Herz lege. Hüten Sie diesen Schatz.“ Und weiter: „Handeln Sie nach den Tugenden des Ehrbaren Kaufmanns, die in dieser Stadt etwas gelten. Dazu gehört auch, was immer wieder von Ihnen betont worden ist, die Einhaltung von Verträgen.“

    Die Rede wird live per Videoschaltung in den Albert-Schäfer-Saal der Kammer übertragen. Mehr als 100 Beschäftigte haben dort Platz genommen, lauschen ihrem – wie sie nun wissen – ehemaligen Hauptgeschäftsführer. Am Ende der Rede gibt es Applaus. Aber einige der mehr als 50 Mitglieder des Plenums stehen nur zögerlich auf, um für Schmidt-Trenz zu klatschen.

    Verlieren zahlreiche Kammer-Mitarbeiter ihren Job?

    Dann ergreift Präses Bergmann, der im Plenum links neben Schmidt-Trenz sitzt, das Wort. Seine Ausführungen sind kurz: „Vielen Dank für Ihre Arbeit“, sagt er und will bereits zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen. Doch nun regt sich Widerstand. Der Vorstandssprecher der Hamburger Sparkasse, Harald Vogelsang, ergreift das Wort. Er ist heute der einzige anwesende Parlamentarier, der nicht zum Wahlbündnis „Die Kammer sind wir!“ gehört. Seine beiden letzten Mitstreiter sind geschäftlich verhindert.

    Vogelsang hält die kurze Danksagung von Bergmann mit Blick auf 21 Jahre Arbeit für nicht angemessen. „Sie haben der Kammer Tag und Nacht zur Verfügung gestanden“, sagt er an Schmidt-Trenz gerichtet. „Und Sie haben sich außerordentliche Verdienste erworben. Dafür möchte ich Ihnen noch mal meinen expliziten Dank aussprechen.“ Die Mitarbeiter im Albert-Schäfer-Saal klatschen. Bergmann will etwas sagen, aber Vogelsang ist noch nicht fertig. Denn auch an den neuen Präses hat der Haspa-Chef eine Frage, die vor allem im Albert-Schäfer-Saal auf großes Interesse stößt: „Wie wollen Sie künftig mit den Mitarbeitern der Kammer umgehen?“

    Der Hintergrund der Frage ist schnell erklärt: Bergmann hatte im Wahlkampf einen strikten Sparkurs angekündigt – und vor allem die Abschaffung der Pflichtbeiträge bis zum Jahr 2020 versprochen. Doch jeder in der Kammer weiß: Sollte es dazu kommen, wäre die Institution ihrer finanziellen Grundlage beraubt. Angst vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze, womöglich ihrer Betriebsrenten geht bei den knapp 300 Beschäftigten um.

    Mitarbeiter stehen hinter Schmidt-Trenz

    Bergmann antwortet auch Vogelsang kurz und knapp: „Wir werden ein seriöser Vertragspartner bleiben.“ Durch den Albert-Schäfer-Saal geht ein Raunen. Die Beschäftigten hatten offensichtlich ein wenig mehr erwartet. Zeit für detaillierte Erklärungen nimmt sich Bergmann aber nicht. Der nächste Tagesordnungspunkt wartet.

    Am Ende der Sitzung strömen die Mitarbeiter der Kammer auf den Gang vor dem Saal. Als Schmidt-Trenz aus der Tür tritt, brandet lang anhaltender Beifall auf. Minutenlang steht Schmidt-Trenz sichtlich gerührt da. Dann geht er durch einen Spalier applaudierender Mitarbeiter zurück in sein Dienstzimmer. Er habe mit seiner Tochter telefoniert, sagt er später, dann versagt ihm die Stimme, und es fließen Tränen.

    Vor der Tür klatschen sie weiter. „Das hat mich beeindruckt“, sagt Präses Bergmann später bei einer Pressekonferenz. „Aber ich habe schon bei meinen Gesprächen in den vergangenen Tagen gemerkt, dass die Mitarbeiter sich sehr für ihren Hauptgeschäftsführer starkmachen.“ Dennoch sei der Wechsel „aus politischen Gründen“ unumgänglich gewesen. „Es gab kein Vertrauen mehr“, so Bergmann. Als der Trubel vorbei ist, sagt Schmidt-Trenz selbstkritisch: „Die Entwicklung zeigt, dass unser vor zwei Jahren aufgelegtes Projekt zur stärkeren Einbindung der Mitglieder in die Handelskammer richtig war. Vielleicht kam es zu etwas zu spät.“