Hamburg/Kiel. Der Albaner musste freigelassen werden – und verschwand. Nun wird überlegt, eine gemeinsame Abschiebehaft für den Norden zu bauen.
Weil es in ganz Deutschland keinen freien Platz in einer Abschiebehaftanstalt gab, hat die Kieler Polizei einen ausreisepflichtigen Albaner freilassen müssen. Der 25-Jährige war untergetaucht. Bei einer Schlägerei wurde er festgenommen – und musste dann wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Der Fall ereignete sich am 7. April. Er wirft ein Schlaglicht auf die komplizierte Rechtslage bei Abschiebungen. Der schleswig-holsteinische Innenminister Stefan Studt (SPD) will nun gemeinsam mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern über das Problem reden. „Ich schlage vor, im norddeutschen Länderverbund zeitnah eine neue Lösung für eine gemeinsam zu nutzende Abschiebehafteinrichtung zu erarbeiten“, sagte er.
Hamburg ist dem länderübergreifenden Vorschlag nicht abgeneigt
In Hamburg ist man nicht abgeneigt. Zwar gebe es derzeit „keine konkreten Gespräche über eine gemeinsame Abschiebehafteinrichtung“, sagte Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. „Grundsätzlich würde Hamburg dem aber aufgeschlossen gegenüberstehen.“
Die drei Bundesländer haben keine eigene Abschiebehaftanstalt. Sie nutzen Einrichtungen in anderen Ländern. Schleswig-Holstein schickte Abschiebehäftlinge nach Eisenhüttenstadt in Brandenburg – dort hatte das Land ein vertraglich abgesichertes Kontingent von 15 Plätzen. Doch am 20. März wurde das Gefängnis völlig überraschend von der Bauaufsicht geschlossen.
„Seitdem haben wir unsere Häftlinge in anderen Einrichtungen in Deutschland unterbringen können“, sagt Patrick Tiede, der Sprecher des Innenministeriums. „Im Fall des Albaners hat das erstmals nicht geklappt, zu diesem Zeitpunkt war nirgendwo in Deutschland ein Platz frei.“
Der Ausreisegewahrsam am Hamburg Airport ist nicht geeignet
Der Ausreisegewahrsam am Hamburger Flughafen, den die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein gemeinsam betreiben, ist für solche Fälle nicht geeignet. Hier gelten andere rechtliche Voraussetzungen. Ein Amtsrichter kann eine Unterbringung dort nur anordnen, wenn alle Ausreisedokumente vorliegen und der Flug gebucht ist – und auch dann darf der Gewahrsam vier Tage nicht überschreiten. Auch eine normale Haftanstalt kam für den Albaner nicht infrage. Zwar hatte er sich wohl an einer Schlägerei zwischen Kosovo-Albanern im Kieler Stadtteil Gaarden beteiligt, aber eine konkrete Straftat war ihm nicht zuzuordnen. Für eine Untersuchungshaft reichte es jedenfalls nicht. Deshalb blieb der Polizei am Ende nichts anderes übrig, als den ausreisepflichtigen Mann freizulassen. Der ist jetzt wieder untergetaucht.
Hätte Schleswig-Holstein eine eigene Abschiebehaftanstalt, wäre das nicht passiert. In Rendsburg hatte es einst eine gegeben, aber sie war Ende 2015 geschlossen worden. Nach einem EU-Urteil galten neue, strengere Anforderungen an eine solche Anstalt, die in Rendsburg nicht erfüllt werden konnten. Unter anderem schrieben die Richter vor, dass es eine vollständige räumliche Trennung zwischen Abschiebehäftlingen und Strafgefangenen geben müsse. Seitdem ist es nicht mehr möglich, unter dem Dach eines normalen Gefängnisses auch Abschiebehäftlinge unterzubringen.
Hamburgs Abschiebehäftlinge sind bundesweit untergebracht
Hamburgs zuletzt 23 Abschiebehäftlinge (Stand März) waren bundesweit untergebracht – unter anderem in Eisenhüttenstadt, in Ingelsheim und in Büren.
Derweil wird es in den normalen Hamburger Gefängnissen immer enger. Waren im April 2015 noch 1541 Menschen inhaftiert, so stieg die Zahl bis April 2017 auf einen neuen Höchststand von 1877 Gefangenen. Das ergibt sich aus den Antworten des Senats auf Anfragen des CDU-Justizpolitikers Richard Seelmaecker. Allein seit Jahresbeginn ist die Zahl der Häftlinge demnach um 165 angestiegen.
CDU-Politiker fordert 150 G20-Haftplätze für Demonstranten
Zwar wurde parallel die Zahl der Haftplätze gesteigert, allerdings nicht im gleichen Tempo. Daher ist auch die prozentuale Belegung deutlich angestiegen – von rund 83 Prozent im April 2015 auf jetzt 94 Prozent. Besonders eng ist es in der Justizvollzugsanstalt Billwerder (99,1 Prozent Belegung), der JVA Fuhlsbüttel (95,1 Prozent) – und in der Untersuchungshaftanstalt, die laut CDU-Berechnung sogar überbelegt ist.
„Der grüne Justizsenator Till Steffen muss endlich begreifen, dass der starke Anstieg nicht nur auf vorübergehende Schwankungen zurückzuführen ist“, sagt Seelmaecker. Steffen müsse „dafür sorgen, dass spätestens am 6. Juli zum G20-Gipfel 150 Haftplätze für gewalttätige Demonstranten bereitstehen“.