Hamburg. Seit zwei Jahren regiert die Öko-Partei mit der SPD. Die Erfolge sind überschaubar, aber Bescheidenheit ist Teil der Strategie.

War das ein Erfolg für die Grünen am Montag. „Baumschwund um vier Fünftel verringert“, verkündete die Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan und rechnete vor, dass 2016 nur noch 250 Bäume mehr gefällt als nachgepflanzt wurden. Der Applaus der eigenen Bürgerschaftsfraktion folgte prompt: „So erhalten wir Hamburg als grüne Metropole“, jubelte Umwelt­expertin Ulrike Sparr.

Doch auch der Spott der Opposition ließ nicht lange auf sich warten: „Es ist wohl ein schlechter Witz, dass ausgerechnet ein grüner Senator den anhaltenden Baumschwund als Erfolg verkaufen will“, ätzte die CDU. Das war natürlich etwas gemein, schließlich hat der grüne Senator den Trend, dass jährlich mehr als 1000 Bäume aus dem Stadtbild verschwinden, massiv gebremst. Aber gebremst ist halt nicht gestoppt, geschweige denn umgekehrt.

Den Grünen eine Lehre

Und so ist, zwei Jahre nach dem Eintritt der Grünen in den Senat im April 2015, die Frage erlaubt: Ist die einstige Partei der Öko-Visionäre und Weltverbesserer schon so bescheiden geworden, dass sie eine Party schmeißt, weil „nur“ 250 Bäume verschwunden sind? Die Antwort ist ein klares Jein.

Wer der Partei unterstellt, sie gebe sich demütig mit der Rolle des kleinen grünen „Anbaus“ an den großen roten Senat zufrieden, die Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ihr im Zuge der Regierungsbildung zugewiesen hatte, kennt die Grünen schlecht. Noch vor ihrer Berufung zur Wissenschaftssenatorin und Zweiten Bürgermeisterin hatte Katharina Fegebank Scholz intern klargemacht, dass sie diese Formulierung jetzt nicht mehr hören wolle.

Strategiewechsel bemerkbar

Vielmehr macht sich bei den Grünen durch die Regierungsbeteiligung nun endgültig der Strategiewechsel bemerkbar, den sie als Lehre aus der Koalition mit der CDU vollzogen hatten. Seinerzeit hatte die Partei mit geradezu missionarischem Eifer unter anderem für eine sechsjährige Primarschule und für eine neue Stadtbahn gekämpft. Beide Projekte scheiterten am Ende, weil sie keine Mehrheit in der Bevölkerung hatten, aber auch, weil sich die CDU dem kleinen Partner zuliebe verbiegen musste, bis es krachte.

Die Grünen zogen daraus selbstkritisch die Konsequenz, dass sie die Bürger, aber auch den politischen Partner nicht überfordern dürfen. Weniger Visionen, mehr Realpolitik, lautete das Motto, ohne dass die Grünen ihre Überzeugungen und Ziele aufgegeben hätten.

Sonnenblume im Haar

Die Übersetzung in den politischen Alltag ist vor allem bei Fegebank gut zu beobachten. Sie verfolgt zwar das durchaus visionäre Ziel, Hamburg zu einer „Wissenschaftsmetropole“ zu machen. Aber statt mit Siebenmeilenstiefeln und Sonnenblume im Haar geht sie beharrlich Schritt für Schritt vor. Das angespannte Verhältnis zwischen Senat und Hochschulen hat sie befriedet, ein paar Millionen mehr für ihr Ressort herausgeschlagen und auch den Koalitionspartner überzeugt. Mittlerweile kommt selbst wirtschaftsnahen Sozialdemokraten der Satz über die Lippen: „Der Hafen allein kann die Zukunft der Stadt nicht sichern.“ Allein, ihr Hauptproblem, die Unterfinanzierung der Unis, hat die Senatorin trotz dieser Aufbruchstimmung in der Wissenschaft noch nicht gelöst.

Aufmucken muss sein

Es wäre aber keine Überraschung, wenn ihr das vor der nächsten Wahl 2020 noch gelingen würde. Denn unter einem gewissen Druck, ihren Anhängern dann Zählbares präsentieren zu müssen, sehen sich die Grünen sehr wohl. „Wir wollen zum ersten Mal nach der Wahl in die Verlängerung“, betont ein prominentes Parteimitglied. Tatsächlich endeten beide Regierungsbeteiligungen in Hamburg – Rot-Grün von 1997 bis 2001 und Schwarz-Grün von 2008 bis 2011 – nicht nur damit, dass die Grünen aus dem Senat flogen. Sondern auch der große Partner musste danach jeweils die Macht abgeben. Das „Triple“ wollen die Grünen sich und der SPD ersparen – auch das erklärt, warum sie mittlerweile etwas handzahmer agieren.

Stabile Werte

Die Wähler scheint das zumindest nicht zu stören. Nachdem sie bei der Wahl vor zwei Jahren 12,3 Prozent geholt hatten, lagen die Grünen in Umfragen stabil zwischen 13 und 15 Prozent. Jubel löst das in der Partei aber nicht aus, denn viele Grüne halten das Wählerpotenzial in Hamburg für viel größer. Einige Spitzenfunktionäre um Fegebank denken sogar darüber nach, wie sie die Partei langfristig mehrheitsfähig machen können – nach dem Vorbild Baden-Württembergs, wo seit 2011 der Grüne Winfried Kretschmann regiert.

Allerdings sehen das Teile der Partei kritisch und verweisen auf den schmalen Grat zwischen Mehrheitsfähigkeit und Beliebigkeit. Vor allem mit Rücksicht auf diese Befindlichkeiten der Basis, mitunter aber auch aus Überzeugung oder weil der Bürgermeister mal wieder betont selbstbewusst daherkommt, mucken die Grünen gegenüber dem Koalitionspartner regelmäßig und demonstrativ auf. Mal widerspricht Fegebank Scholz öffentlich in der Frage der Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten, mal denkt Justizsenator Till Steffen über die Legalisierung von Cannabis nach, obwohl Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) das strikt ablehnt. Und immer wieder betont Umweltsenator Kerstan, dass es zu Fahrverboten kommen könnte, wenn man keine anderen Wege finde, die Luftbelastung zu senken. Dass der Bürgermeister Verbote ausgeschlossen hat, ficht ihn nicht an. Im Gegenteil. Denn während Steffen in seinem Ressort relativ wenig Gestaltungsspielraum hat und vor allem darauf bedacht sein muss, die Serie an Justiz-Pannen zu stoppen, hat Kerstan es wie kein anderer Grüner in der Hand, Erfolge zu präsentieren. Und da ist noch viel Luft nach oben.

Mit Radverkehr punkten

Zwar punktete der Umweltsenator damit, dass er Kaffeekapseln und Einwegbechern den Kampf ansagte, aber bei den großen Themen gab es kaum sichtbare Fortschritte: Wie Hamburg künftig mit Fernwärme versorgt werden soll, ist ebenso offen wie die Frage, wie die Luftqualität verbessert werden kann. Immerhin: Im Mai will Kerstan seinen Luftreinhalteplan vorlegen, und einige Grüne frohlocken bereits, dass man der SPD doch einige Zugeständnisse abgerungen habe.

Bleibt die Radverkehrsoffensive. Hamburg zur „Fahrradstadt“ zu machen liegt zwar nicht direkt in der Verantwortung der grünen Senatsmitglieder. Aber das Thema der SPD zu überlassen komme gar nicht infrage, betont ein führendes Parteimitglied: „Oder haben Sie den Bürgermeister schon mal auf dem Fahrrad gesehen?“