Hamburg. An keinem Ort der Welt trainieren so viele Spitzenläufer wie um das kenianische Rift Valley. Auf Spurensuche irgendwo im Nirgendwo.

Der Himmel über Afrika ist noch schwarz, als ein lautes „Come on“ die Nachtruhe stört. Sechs Uhr morgens, auf die Minute. „Europäer haben die Uhr und Afrikaner die Zeit“, lautet ein afrikanisches Sprichwort, von dem James Kwambai offenbar so gar nichts hält. Der 37 Jahre alte Kenianer steht neben seinem weißen Toyota-Pick-up und hält eine Stoppuhr in der Hand. Es dauert nur wenige Sekunden, ehe Kwambai von 17 Läufern und einer Läuferin, die sich zuvor warm gemacht hatten, umzingelt ist. Ein paar Sätze, dann ist für den Morgen genug gesagt. Nur das noch: „And go“, ruft der drahtige Mann den Sportlern zu, ehe sich die 18-köpfige Athletengruppe mit schnellen Schritten auf dem staubigen Sandweg im Nirgendwo nahe Eldoret in Bewegung setzt.

Trainer James Kwambai (l.) mit Hamburg-Starter Joel Kimurer und Abendblatt-Chefreporter Kai Schiller
Trainer James Kwambai (l.) mit Hamburg-Starter Joel Kimurer und Abendblatt-Chefreporter Kai Schiller © Kai Schiller | Kai Schiller

Viel zu bieten hat die Hauptstadt nicht

„Welcome to Eldoret – Home of the Champions“, steht ein paar Kilometer weiter auf einer Mauer am Ortseingang der 290.000-Einwohner-Stadt geschrieben. Die Hauptstadt des Uasin Gishu Countys im Westen Kenias nahe der Grenze zu Uganda ist nach dem Massai-Wort für „steiniger Fluss“ benannt, viel zu bieten hat sie nicht. Außer: die besten Läufer dieses Planeten. Eldoret und die Gegend um das Rift Valley sind das Eldorado der Laufelite. Nirgendwo sonst auf der Welt tummeln sich so viele Spitzenläufer. Allein acht der Top 14 beim ­Haspa-Marathon, der an diesem Sonntag in Hamburg stattfindet, kommen aus dem weit entfernten Eldoret, aus der „Welthauptstadt des Laufens“.

Im Camp Rosa nahe Eldoret leben derzeit 18 Athleten
Im Camp Rosa nahe Eldoret leben derzeit 18 Athleten © Kai Schiller | Kai Schiller

Der Himmel scheint es an diesem Morgen genauso eilig zu haben wie die Läufer in der Einöde vor den Toren Eldorets. Minütlich bieten Wolken, aufgehende Sonne und der noch immer hell leuchtende Vollmond ein neues Schauspiel, das die rasende Athletengruppe aber keines Blickes würdigt. Gegen 6.30 Uhr türmen sich die Wolken zu einem wattegrauen Gebirge, das in kurzer Zeit die Farbe wechselt zu Rosa, Orange und Blau. Fünf Kilometer des heutigen 25-Kilometer-Laufes sind geschafft, als der erste Athlet der Gruppe seine Trainingsjacke ohne zu verlangsamen auszieht und in die Höhe hält. James Kwambai reagiert sofort, signalisiert mit einem kurzen Hupkonzert, dass er die Läufer mit seinem Pick-up-Truck links auf dem roten Erdweg überholt. Eine Hand am Steuer, mit der anderen greift Kwambai aus dem Fenster nach der neongelben Trainingsjacke. „Langsam werden die Jungs warm“, sagt er und dreht das Radio mit kenianischer Popmusik auf.

Hamburg-Teilnehmer Joshua Kipkorir wird im Camp Rosa durchgeknetet
Hamburg-Teilnehmer Joshua Kipkorir wird im Camp Rosa durchgeknetet © Kai Schiller | Kai Schiller

Im Camp gibt es Hühner, Kühe und Maisanbau

James Kwambai kennt das Spiel. Er ist selbst Marathons in Afrika, Amerika, Asien und Europa gelaufen. Zwei Stunden, vier Minuten und 27 Sekunden hat er für die 42,195 Kilometer in Rotterdam gebraucht. Acht Jahre ist seine Bestzeit nun schon her. Auch den Hamburg-Marathon ist er schon gelaufen, musste aber bei Kilometer 39 aufgeben. „Damals war ich 23 Jahre jung. Ich war noch nicht erfahren genug“, sagt Kwambai, nachdem er auch die letzte Trainingsjacke seiner Jungs eingesammelt hat. Als Läufer-Trainer-Manager in Personalunion ist der vierfache Familienvater mittlerweile der erfahrenste Athlet im Camp Rosa.

Gleich fünf professionelle Athletencamps gibt es in Eldoret und in der näheren Umgebung, fünf weitere im 35 Kilometer entfernten Iten. „Unseres ist das größte und beste Camp Kenias“, versichert Kwambai. Die Anlage, die an eine einfache Jugendherberge erinnert, hat Platz für 60 Athleten, derzeit leben 18 Läufer in einem Teil der 30 Doppelzimmer. Zwei einfache Betten, ein Schrank, ein Nachttisch. Es gibt ein paar Hühner und ein paar Kühe, Mais wird selbst angebaut. „Viele Athleten würden alles dafür geben, einen Platz hier zu bekommen“, sagt Joel Kimurer, der Glück hatte. Und Können.

Die beiden Hamburg-Starter Kimurer und Kipkorir nach dem Training
Die beiden Hamburg-Starter Kimurer und Kipkorir nach dem Training © Kai Schiller | Kai Schiller

28 Jahre alt ist Joel Kimurer, an diesem Morgen hetzt er im grün-schwarz gestreiften Shirt vorbei an Kuh- und Ziegenherden. Er gilt als eines der größten Talente vom Camp Rosa. „Mein Traum ist es, eines Tages der beste Läufer der Welt zu werden“, sagt der Kenianer. Auch für den ­Haspa-Marathon in Hamburg hat er eine vollmundige Ankündigung parat: „Hamburg hat einen schnellen Kurs. Ich will das schnellste Rennen aller Zeiten in Hamburg laufen.“

Dem Sieger von Hamburg winken bis zu 60.000 Euro

Kimurer ist einer von zwei Läufern, die aus dem Camp Rosa in Hamburg dabei sind. Mit seiner bisherigen Topzeit von 2:07:48 ist er an Nummer acht gesetzt, Joshua Kipkorir geht mit einer Spitzenzeit von 2:09:50 an Nummer 14 an den Start. „Schon in der Schule haben mir meine Lehrer gesagt, dass ich einer der Besten meiner Generation werde“, sagt der selbstbewusste Kimurer, der in Kapcherop, einem Dorf 60 Kilometer entfernt von Eldoret, aufgewachsen ist. Was seiner Meinung nach das Geheimnis vom Eldorado Eldoret ist? „Wir haben eine gute Umgebung, gutes Wetter und gute Gene“, sagt er. „Alle Kenianer sind gute Läufer, das hat die Natur so gemacht.“

So ganz abwegig ist der einfach dahingesagte Satz nicht. In Eldoret und rund um das Rift Valley ist der Stamm der Kalenjin ansässig, seit Jahrhunderten ein Läufervolk. Extrem schlanke Menschen, nicht allzu groß, pechschwarze Haut, markante Gesichtszüge mit mandelförmigen Augen. Trainer-Manager James Kwambai ist ein Kalenjin, genauso die Athleten Joel Kimurer und Joshua Kipkorir. „Es gibt tatsächlich einen anthropologischen Erklärungsansatz, warum so viele Kenianer so gute Läufer sind“, sagt Marc Roig, der kein Kalenjin ist. Nicht mal ein Kenianer, geschweige denn Afrikaner. Roig lebt und arbeitet in Eldoret, ist mit einer Kenianerin verheiratet, ist aber selbst Spanier.

Jeden Morgen um 6 Uhr treffen sich die Läufer zu ihrem Training
Jeden Morgen um 6 Uhr treffen sich die Läufer zu ihrem Training © Kai Schiller | Kai Schiller

Die Kenianer können laufen, aber nicht Auto fahren

„Die Kenianer können laufen wie niemand anderes, aber sie können kein Auto fahren“, sagt Roig und flucht, als er seinen Wagen durch den chaotischen Rushhour-Verkehr im Zentrum Eldorets steuert. „Es gibt eine ganze Reihe von Erklärungen für die Stärke der Kenianer“, sagt er. Der 33 Jahre alte Katalane läuft auch selbst Marathon, arbeitet aber in erster Linie als Physiotherapeut für das Camp Global, das nur wenige Minuten entfernt von Camp Rosa liegt. „Anthropologie ist ein Grund, Morphologie ist ein anderer. Die Kalenjin haben ein perfektes Last-Kraft-Verhältnis. Und natürlich sollte man auch nicht den soziologischen Ansatz vergessen“, sagte Roig, der in Hamburg als sogenannter Pacemaker, als bezahlter Tempomacher, an den Start geht. „Das Laufen ist eine der wenigen Möglichkeiten in Eldoret, einen gewissen Wohlstand zu erlangen.“

Eldoret ist nicht nur die fünftgrößte Stadt Kenias, sondern vor allem die am schnellsten wachsende Provinzmetropole des Landes. Während vor allem am ruhigeren Stadtrand echte Häuser gebaut werden, schießen in unmittelbarer Nachbarschaft Wellblechhüten wie die Pilze aus dem Boden. Und jeder möchte nur allzu gern vom „Home of the Champions“ profitieren. Dabei hat Eldoret auch ein sehr dunkles Kapitel. Gerade einmal zehn Jahre ist es her, dass hier mindestens 35 Menschen am Neujahrstag verbrannten. Anhänger des unterlegenen Oppositionskandidaten Raila Odinga hatten eine der zahlreichen Freikirchen in Kiambaa bei Eldoret entzündet, wo viele Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Mwai Kibaki erfolglos Unterschlupf vor den marodierenden Milizen gesucht hatten. Zehn Jahre später ist derzeit erneut Wahlkampf. Doch vom Massaker von damals will kaum noch jemand etwas wissen. Viel lieber reden die Menschen auf der Straße über ihre Wunderläufer, über den nächsten Marathon und über das Geld, das man da wohl verdienen kann.

Der Sieger erhält in Hamburg 30.000 Euro

Das liebe Geld also. Das Athletenbudget des Haspa-Marathons liegt bei 300.000 Euro. Der Sieger erhält 30.000 Euro, der Zweite 15.000 Euro, der Dritte 10.000 Euro. Außerdem loben die Veranstalter einen Jackpot von 30.000 Euro aus, der durch alle geteilt wird, die eine Zeit von unter 2:06:30 Stunden laufen. Dies ist in der Geschichte des Hamburg-Marathons bislang nur zwei Läufern gelungen: dem Kenianer Eliud Kipchoge und dem Äthiopier Shami Abdulahi.

Kenia und Äthiopien sind das Real Madrid und der FC Barcelona des Marathons – in den vergangenen zehn Jahren kamen fünf Sieger in Hamburg von hüben und fünf Champions von drüben. In diesem Jahr könnte ein Athlet von hier oder dort im Bestfall 60.000 Euro verdienen, was angesichts der Qualen und des ewigen Trainings nicht nach viel klingt. In Deutschland. In Kenia, wo das durchschnittliche Jahreseinkommen nach Angaben der Weltbank 2015 bei 1300 Euro lag, ist es viel. Verdammt viel. „Ich habe früher immer nur an das Geld gedacht“, sagt Stephen Kiprotich, der wie der Spanier Roig zum Camp Global gehört und in Hamburg als Favorit an den Start geht. Der Olympiasieger von 2012 und Weltmeister von 2013 ist kein Kalenjin aus Kenia, sondern gehört zum Stamm der Sebei aus Uganda. Für ihn ist das Geheimnis des Erfolgs von Eldoret schnell beantwortet: „Die Höhe ist gut für das Training, und die Bedingungen hier sind gut für die Athleten: das Essen, die Strecken, die Trainer.“

Luxus gibt es hier nicht – auch keine Waschmaschine. In den Camps wird per Hand gewaschen
Luxus gibt es hier nicht – auch keine Waschmaschine. In den Camps wird per Hand gewaschen © Kai Schiller | Kai Schiller

Eldoret liegt 2116 Meter über dem Meeresspiegel. Vereinfacht gesagt will der Körper in solchen Sphären die verringerte Sauerstoffaufnahme ausgleichen, indem er mehr rote Blutkörperchen produziert, die für den Transport des Sauerstoffs im Blut zuständig sind. Es ist eine Art natürliches Doping.

Zum Frühstück gibt’s Tee mit viel Zucker und Weißbrot

Die Natur also. Doch ist es möglich, dass Mutter Natur auch in Eldoret etwas nachgeholfen wird? „Natürlich ist Doping auch in Kenia ein großes Pro­blem“, sagt der Spanier Marc Roig, als er sein Auto nach langem Suchen endlich vor dem Restaurant Sunjeel im Zentrum Eldorets abstellt. „Es ist aber weniger ein Problem der großen Camps als eines der Athleten, die in diese großen Camps unbedingt rein wollen.“

Tatsächlich stand das Camp Global vom Niederländer Jos Hermens, dem wahrscheinlich wichtigsten Laufagenten der Welt, zuletzt nicht im Fokus der Dopingfahnder. Ganz im Gegenteil zum Camp Rosa des Italieners Gabrielle Rosa. Jemima Sumgong, die Olympiasiegerin von Rio de Janeiro, die vor Kurzem positiv auf das Blutdopingmittel Epo getestet wurde, war eine Rosa-Athletin. Genauso wie Rita Jeptoo, Gewinnerin des Boston- und des Chicago-Marathons, und die 800-Meter-Läuferin Agatha Jeruto, die 2015 erwischt wurden. „Selbstverständlich wird leider auch in Kenia gedopt“, sagt James Kwambai, von einem systematischen Doping wie im Radsport in den 90er-Jahren will er trotzdem nichts wissen. „Bei uns im Camp Rosa kann niemand verstehen, warum manche Läufer zu diesen Drogen greifen. Man wird doch sowieso irgendwann erwischt.“

Das Tagewerk liegt bei 25 Kilometern

Eine Stunde, 22 Minuten und zehn Sekunden sind um, als James Kwambai an diesem Morgen seinen Toyota irgendwo im Nirgendwo abstellt. In der Ferne kann man eine Ziegenherde erspähen, ansonsten ist nur rote Erde zu sehen. Die Besten der Trainingsgruppe um Joel Kimurer und Joshua Kipkorir haben ihr Tagewerk geschafft. 25 Kilometer. Der Rest trudelt nach und nach an Kwambais Pick-up ein. „Als Kind habe ich immer davon geträumt, ein professioneller Läufer zu werden“, sagt Hamburg-Läufer Kipkorir, nachdem er sich den Schweiß von der Stirn gewischt hat und wieder zu Atem gekommen ist.

Joshua Kipkorir ist 23 Jahre alt. Also genauso alt wie James Kwambai, als der seinen ersten Hamburg-Marathon lief. Und es nicht schaffte. „Ich freue mich sehr auf Hamburg“, sagt nun Kipkorir. „Ich will meine persönliche Bestzeit laufen, aber es wird ein harter Kampf.“

Dank Ausrüstervertrag braucht sich niemand um Schuhe Gedanken zu machen
Dank Ausrüstervertrag braucht sich niemand um Schuhe Gedanken zu machen © Kai Schiller | Kai Schiller

Der Schulweg summiert sich auf 16 Kilometer – täglich

Kipkorir war sechs Jahre alt, als er wusste, dass er kämpfen will. Bei seinem Onkel, der im Gegensatz zu seiner Familie einen Fernseher hatte, schaute er sich Haile Gebrselassies Olympiasieg von 2000 in Sydney an. Auch der Äthiopier, der als einer der besten Läufer aller Zeiten gilt, stand einst beim Italiener Gabrielle Rosa unter Vertrag. „Jedes Kind in Kenia will so einen Erfolg schaffen“, sagt Kipkorir anderthalb Stunden nach seinem Morgenlauf, als er sein Frühstück beendet hat. Weißbrot und kenianischer Tee mit viel Milch und noch mehr Zucker.

Der jüngste Kenianer der Gruppe ist schüchtern, taut im Laufe des Gesprächs aber zunehmend auf. „In Deutschland will doch jedes Kind Fußballer werden, oder?“, fragt er – und strahlt plötzlich genauso wie sein gelbes T-Shirt. Nun, in Kenia wolle jedes Kind Läufer werden. Er sei auch jeden Morgen zu seiner Schule gelaufen. Vier Kilometer. Mittags zum Essen zurück. Wieder vier Kilometer. Dann erneut zur Schule. Noch mal vier Kilometer. Und abends schließlich nach Hause. Ein letztes Mal vier Kilometer. Macht zusammen 16 Kilometer. Jeden Tag.

Der Stolz seiner Eltern ist Kipkorir wichtig

In Hamburg sind es nicht 16, sondern 42,195 Kilometer, die Kipkorir laufen muss. Erst einmal hat er diese Strecke unter Wettkampfbedingungen im Ausland zurückgelegt. Im Januar lief er in Indien den Mumbai-Marathon. 2:09:50. Eine sehr ordentliche Debützeit. Nur eine Minute langsamer als der deutsche Rekord. Aber eben auch weit weg von den Zeiten der kenianischen Topläufer. Für Hamburg hat sich Kipkorir nun vorgenommen, die von den Veranstaltern vorgegebene Jackpot-Zeit von 2:06:30 Stunden zu unterbieten. „Ich will unbedingt, dass meine Eltern stolz auf mich sind“, sagt der Nachwuchsläufer.

Der Stolz der ganzen Nation sitzt nur einen knappen Kilometer entfernt von Kipkorir und dem Camp Rosa im Camp Global in einem weißen Gartenstuhl. Eliud Kipchoge (32) lächelt milde, als auch er die Frage nach dem Geheimnis von Eldoret beantworten soll. Der einstige Weltmeister im 5000-Meter-Lauf hat 2013 sein Marathondebüt gefeiert – und in Hamburg mit Streckenrekord direkt gewonnen. Er siegte bei den Marathons von Rotterdam, Chicago (beide 2014), London, Berlin (beide 2015) und noch einmal London (2016), ehe er auch noch in Rio de Janeiro Olympiasieger wurde. Nun hat der 1,67 Meter große Kenianer ein neues großes Ziel: „Ich will der erste Mensch sein, der einen Marathon schneller als in zwei Stunden läuft.“

Das große Ziel: 42 Kilometer in weniger als zwei Stunden

Seit einem halben Jahr trainiert Kipchoge nur noch für das sogenannte Projekt „Breaking2“. Die Idee: Unter klinischen Bedingungen und mit großem finanziellen Aufwand von Sportartikelhersteller Nike soll zwei Wochen nach dem Hamburg-Marathon unter optimalen Bedingungen auf der Rennstrecke in Monza der Rekord für die Ewigkeit aufgestellt werden. „Ich habe ein gutes Gefühl, ein richtig gutes Gefühl“, sagt Eliud Kipchoge. Am Morgen war er zwölfmal 1200 Meter gesprintet.

2016-Olympiasieger Eliud Kipchoge (l.), 2012-Sieger Stephen Kiprotich (2. v.r.) und Kai Schiler (4.v.l. hinten)
2016-Olympiasieger Eliud Kipchoge (l.), 2012-Sieger Stephen Kiprotich (2. v.r.) und Kai Schiler (4.v.l. hinten) © Kai Schiller | Kai Schiller

Aktuell steht der Weltrekord des Kenianers Dennis Kimetto bei 2:02:57 Stunden. Diese Zeit um fast drei Minuten zu unterbieten entspricht einer Steigerung von mehr als drei Prozent. Zum Vergleich: Wer den 100-Meter-Weltrekord von Usain Bolt von 9,58 Sekunden prozentual genauso verbessern wollte, der müsste nach unglaublichen 9,30 Sekunden durch das Ziel laufen. Was im Sprint schier unvorstellbar klingt, halten die meisten Experten im Marathon für möglich.

In Eldoret werden die Athleten in Ruhe gelassen

„Ich bin ein bisschen aufgeregt“, sagt Kipchoge und wirkt durch und durch unaufgeregt. „Aber ich bin mir sicher, dass ich es schaffen kann.“ Der Kenianer ist wahrscheinlich aktuell der größte Laufheld des Landes, muss sich aber um seine Privatsphäre keine Sorgen machen. „In Eldoret wird man in Ruhe gelassen. Es gibt hier nicht einen Star, es gibt hier unzählige Stars. Deswegen ist es ganz normal“, sagt Kipchoge, der längst mehrfacher Millionär ist. Und obwohl sich der wahrscheinlich derzeit beste und am besten verdienende Läufer der Welt in Kenia so ziemlich alles kaufen könnte, bleibt auch er wie alle anderen Läufer unter der Woche im spartanischen Camp Global wohnen.

Nur die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis von Eldoret hat Kipchoge noch nicht beantwortet. „Das Geheimnis ist Training“, sagt er nach einigem Nachdenken.

Das Geheimnis ist Ugali, ein Maisbrei

Training, die Höhe, Anthropologie, Morphologie, Soziologie oder doch etwa nur Doping? James Kwambai schüttelt seinen kahl geschorenen Kopf, als er Zimmer 108 im Camp Rosa aufschließt und sich auf sein kleines Bett setzt. „Das Geheimnis von Eldoret also?“, fragt Kwambai noch einmal und lacht. „Eigentlich gibt es nur ein Geheimnis: Ugali.“

Der eher geschmacksarme Maisbrei wird hier fast täglich zum Abendessen serviert. Auch heute Abend gibt es Ugali. Um 19 Uhr. Pünktlich. Wenn die Sonne untergegangen ist. In Eldoret, der Heimat der Sieger.

Das Video zum Abendblatt-Besuch in Eldoret können Sie unterwww.abendblatt.de/Eldoret anschauen.