Eldoret. In Eldoret/Kenia darf Abendblatt-Redakteur Kai Schiller mit Hamburg-Favorit Stephan Kiprotich - mitlaufen - und erzielt einen Achtungserfolg.
Als ich Coach Richard frage, ob ich versuchen dürfte, beim Training eine Weile das Tempo von Weltmeister und Olympiasieger Stephen Kiprotich mitzulaufen, muss ich erst einmal die buchstäblichen Hosen runterlassen. „Läufst du denn in deiner Heimat?“, fragt mich der 50 Jahre alte Trainer, als er meine weißen Beinchen in Sporthose mustert. Na klar, sage ich. Jeden Morgen mit dem Hund und Sohnemann zum Bäcker, denke ich. Ich spiele auch zweimal in der Woche Fußball, sage ich. In der Halle mit Freunden im Durchschnittsalter von Ü40, denke ich. Und ich bin sogar den Marathon gelaufen, sage ich. Vor 16 Jahren, denke ich. „Oh“, sagt Coach Richard. Er selbst ist auch schon einmal in Hamburg gestartet. „Was war denn deine Zeit?“ Drei Stunden und 50 Minuten, sage und denke ich nicht ohne Stolz. Und Coach Richard? Der lacht. „Jogging“, sagt er.
Das Trainingsprogramm für Kiprotich und die anderen 39 Männer und fünf Frauen hat es an diesem Morgen in sich: Zwölf mal 1200 schnelle Meter, dazwischen 200 Meter langsames Jogging zum Ausruhen. Und das Ganze in einer Höhe von 2200 Metern über dem Meeresspiegel. Ich entscheide, dass ich mir zunächst einmal zunächst alles in Ruhe anschaue, ehe ich gegen Ende der Einheit miteinscheren will. Mein Kalkül: Auch Weltmeister und Olympiasieger müssen irgendwann ein bisschen kaputt werden. Doch je länger die Einheit auf der staubigen Aschenbahn um den nicht weniger staubigen Fußballplatz der University Moi vor den Toren Eldorets dauert, desto mehr zweifle ich meine Theorie an. Von Müdigkeit istweder um 6.30 Uhr morgens noch eine Stunde später um 7.30 Uhr etwas zu erkennen. Nach elf mal 1200 Metern gibt es dann kein Zurück mehr. Als Mzungu, als einzige weiße Läufer, schere ich während der letzten 200 Meter Jogging direkt hinter Kirpotich im neongelben Shirt ein. „Hi“, sagt der Spitzenathlet grinsend – und dann mit ernster Miene: „Pass aber auf, dass Du nicht hinfällst und sich einer deinetwegen verletzt.“
Ein paar Sekunden später weiß ich, was Kiprotich meint. Sobald die Gruppe das Tempo nach den 200 Metern Jogging anziehtund auch ich sprinten muss, merke ich erst richtig, wie rutschig die staubige Aschenbahn ist. Egal. Konzentrieren. Laufen. Rennen. Sprinten. Und bloß nicht blamieren.
Die ersten 100 Meter bleibe ich direkt im Windschatten des Weltmeisters. Auch auf der Geraden der Runde bleibe ich dran und habe das Gefühl, dass mir hier ein echter Achtungserfolg gelingen könnte. Als nach 200 Metern die Bahn wieder in die Kurve geht, merke ich bereits, dass es nun doch schneller hart werden dürfte als erhofft. Mein Plan, die letzten drei Runden à 400 Metern mitzulaufen, habe ich nach meinen ersten 300 Metern verworfen. Jetzt zähle nur noch eines: Zumindest die erste 400-Meter-Runde mit Anstand zu Ende laufen. Gerade mal 50 Meter später ist es soweit: ich muss abreißen lassen – schleppe mich aber irgendwie die letzten 50 Meter ins Ziel zu Coach Richard. „69 Sekunden“, sagt er, als er eine kurze Lachpause macht und die anderen Läufer schon wieder ein paar hundert Meter weiter sind. „Gar nicht mal so schlecht für einen Mzungu.“