Hamburg. Eine Abendblatt-Redakteurin hat sich ans Steuer des Zwölf-Meter-Gefährts gesetzt – und jetzt viel Respekt vor den Profis.

Selten hatte ich das Gefühl, ein Lob so zu Unrecht bekommen zu haben. Da sagt Fahrtrainer Klaus Gehring doch tatsächlich, dass das mit dem Rückwärtseinparken ja ganz gut geklappt habe. Wenn der wüsste, dass ich zwischenzeitig nicht mehr den Hauch einer Ahnung hatte, wo genau noch mal die Parklücke sein sollte, wäre er wohl zurückhaltender gewesen.

Aber vielleicht ist das auch alles ganz normal. Schließlich sitze ich nicht in einem Auto, sondern in einem zwölf Meter langen und 2,55 Meter breiten HVV-Bus und absolviere gerade meine erste Fahrstunde auf dem Hochbahn-Betriebshof-Gelände in Langenfelde. Das fühlt sich ein bisschen so an wie fahren auf einem Verkehrsteppich. Denn echten Straßenverkehr gibt es hier natürlich nicht. Geschweige denn Gegenverkehr, Ampeln, Kreisverkehre, komplizierte Kreuzungen oder – das vielleicht Naheliegendste – Bushaltestellen. Hier geht es heute nur darum zu lernen, dieses Ungetüm halbwegs elegant durch die Gegend zu lenken. Jeder Busfahrer hat einmal so angefangen, das ist doch schon mal ganz beruhigend.

Nur zehn Prozent der Busfahrer sind weiblich

Aber ein bisschen was Besonderes ist es offenbar doch. Allein schon, weil es sonst recht selten vorkommt, dass mal eine Frau hinter dem Steuer sitzt. Während ich gemütlich über das Gelände juckel, erzählt mir mein Fahrlehrer, dass nur etwa zehn Prozent der rund 500 Busfahrer des Betriebshofs Frauen sind. Schicht-, Wochenend- und Nachtdienst würden viele davon abhalten, diesen Beruf in Erwägung zu ziehen. Viele wüssten nicht, dass Teilzeit auch hier möglich sei. In vielerlei Hinsicht gebe es aber tatsächlich Nachholbedarf. Um mehr Frauen ins Unternehmen zu holen, arbeitet die Hamburger Hochbahn deshalb derzeit an neuen Konzepten, um weitere Anreize für Frauen zu schaffen.

Wer das erste Mal auf dem Fahrerstuhl Platz nimmt, der bemerkt sofort allerlei Dinge, die anders sind als beim Autofahren. Zum Beispiel gibt es keinen Anschnallgurt. Und auch sonst gibt es allerlei neue Knöpfe. Zum Beispiel zum Türöffnen und -schließen, zum Absenken des Busses für den Fall, dass jemand mit einem Rollstuhl ein- oder aussteigen möchte. Auf dem Armaturenbrett wird außerdem angezeigt, wenn ein Fahrgast auf den Haltewunsch-Knopf gedrückt hat. Weiter ist der Bus mit drei Kameras ausgestattet, deren Aufnahmen nach 24 Stunden automatisch gelöscht werden. Und dann gibt es noch drei weitere Schalter, mit denen ich zwar in meiner Fahrstunde nichts zu tun habe, die im Ernstfall aber wichtig sind.

Der Fahrer kann drei Alarmknöpfe drücken

Das ist zum einen der sogenannte Event-Knopf, dann der Unfallruf und der Überfall-Schalter. „Der Event-Schalter ist dann wichtig, wenn der Busfahrer eine unübersichtliche und potenziell gefährliche Lage im Fahrgastbereich beobachtet, die unter Umständen polizeirelevant sein könnte. Drückt er die Event-Taste, stellt er sicher, dass die Aufnahmen 15 Minuten vor und nach dem Drücken auch über die 24 Stunden hinaus gespeichert werden“, so Gehring. Der Unfallruf stellt direkt in die Leitzentrale durch, und der Überfallschalter löst einen Alarm in der Leitzentrale aus. „Im Bus ist von diesem Alarm allerdings nichts zu hören. Der Überfallschalter stellt sicher, dass die Kollegen sich per Kamera und Lautsprecher zuschalten können und dass die Polizei umgehend alarmiert wird“, so der 50-Jährige. „Auch wenn es auf den ersten Blick so ausschaut, der Busfahrer ist nie allein.“

Das bin ich zum Glück auch nicht – ansonsten hätte ich auch nicht dafür garantieren können, dass das Fahrzeug im Wert vom 250.000 Euro mein Rumgekurve unbeschadet überstanden hätte. Das liegt zum einen natürlich daran, dass die Ausmaße dieses Busses für mich schlecht abschätzbar sind, und vor allen Dingen auch daran, dass sich die Vorderräder nicht wie beim Auto vor, sondern zwei Meter hinter dem Fahrersitz befinden.

Hochbahn stellt ein

Das wiederum hat zur Folge, dass man bei Kurven mit dem Einschlagen des Lenkrads deutlich später beginnen muss, als man es sonst tun würde. Dann kann es auch schon mal sein, dass sich der Fahrersitz über einer Verkehrsinsel befindet oder einer Rasenfläche, während die Räder noch auf der Fahrbahn sind. Gut zu wissen ist in jedem Fall, dass Klaus Gehring wie bei einem normalen Fahrschulwagen auch über eigene Pedale jederzeit eingreifen könnte.

In der Regel sind etwa 70 Fahrstunden nötig, bis die Führerscheinprüfung abgelegt werden kann, darunter jeweils eine bestimmte Anzahl an Stadt-, Überland-, Autobahn- und Nachtfahrten. Und die Durchfallquote kann sich im Vergleich zur normalen Führerscheinquote sehen lassen: 93 Prozent der angehenden Busfahrer bestehen gleich beim ersten Mal.

Fahrgäste fordern Aufmerksamkeit ein

Allerdings macht Gehring auch klar, dass ein guter Busfahrer mehr können muss, als ein Fahrzeug sicher zu bedienen. Die eigentliche Herausforderung sei es, den Bus sicher durch den Verkehr zu lenken, auch wenn er proppevoll ist. Denn Fahrgäste wollen in der Regel nicht nur Tickets kaufen oder Fahrscheine vorzeigen, sondern fordern auch sonst jede Menge Aufmerksamkeit ein.

„Fahrgäste kommunizieren heute viel häufiger mit dem Busfahrer, wollen Verbindungen wissen, fragen nach Anschlussmöglichkeiten, wollen sich über Tickets und Tarife beraten lassen und vieles mehr“, so Gehring. „Auch wenn es stressig wird, müssen wir dabei freundlich bleiben. Das wird von uns so erwartet, und das ist auch richtig so.“ Aber es gebe auch Situationen, in denen es wichtig sei, dass die Busfahrer eingreifen. Etwa, wenn es zu Gerangel und Streitigkeiten kommt oder zu Beschwerden über Lärm- oder Geruchsbelästigungen. „Da müssen wir mit klaren Worten für Ordnung sorgen.“

Während ich über das Gelände fahre, bin ich ganz froh, dass ich mich nicht auch noch aufs Wechselgeld konzentrieren oder die Fahrgäste im Bus im Auge haben muss. Aber eine Regelung gilt laut Klaus Gehring zum Glück ohnehin seit eh und je: Während der Fahrt bitte nicht mit dem Busfahrer sprechen.