Hamburg. Beschuldigte äußern sich im Prozess um versuchte schwere Brandstiftung bei der “Hamburger Morgenpost“. Polizei hatte sie abgehört.
Eine religiös-extremistische Motivation für die Brandanschläge streiten die Angeklagten ab. Einer geriert sich als Mitläufer; ein anderer will nur die Handys der Täter aufbewahrt haben. Und ein Dritter erwähnt zwar Chat-Kontakte mit dem in Syrien ums Leben gekommenen Hamburger Dschihadisten Florent alias Bilal. Er sei aber ein „liberaler“ Muslim, kein Islamist. Einer, der komplett gegen Gewalt sei. Mit den Anschlägen habe er „nichts zu tun“.
Seit Montag verhandelt das Landgericht gegen vier junge Männer wegen versuchter schwerer Brandstiftung. Zwei von ihnen sollen versucht haben, am 10. Januar 2015 die Max-Brauer-Schule anzuzünden. Alle gemeinsam sollen in der folgenden Nacht das Verlagsgebäude der „Hamburger Morgenpost“ an der Griegstraße in Bahrenfeld mit Brandsätzen und Gullydeckeln angegriffen haben.
Archiv der "Mopo" brannte aus
Während die Molotow-Cocktails beim Anschlag auf die Schule, wo sich auch die Hausmeister-Wohnung befand, selbst erloschen und kaum Schaden anrichteten, brannte das im Keller untergebrachte Archiv der „Mopo“ zu einem guten Teil aus. Nur das schnelle Einschreiten der Feuerwehr verhinderte Schlimmeres.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, sie hätten aus Verärgerung darüber gehandelt, dass im ersten Fall Schüler Mohammed-Karikaturen in der Max-Brauer-Schule aufgehängt hatten und im zweiten Fall die „Mopo“ unter der Schlagzeile „So viel Freiheit muss sein“ Mohammed-Karikaturen der Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ veröffentlicht hatte. Wenige Tage zuvor hatten zwei Gefolgsleute des Terror-Netzwerks al-Qaida elf Mitarbeiter von „ Charlie Hebdo“ in Paris ermordet.
Die Polizei hörte die Angeklagten ab
Um die Angeklagten zu überführen, wandte die Polizei eine List an: Einige von ihnen wurden zu einem Vernehmungstermin ins Polizeipräsidium geladen. Im Warteraum unterhielten sie sich, wurden dabei aber auf richterlichen Beschluss hin abgehört. Dabei kam offenbar auch zur Sprache, dass der Ärger über die Mohammed-Karikaturen durchaus eine Rolle spielte.
„Da hat man schon den Eindruck, dass es über das hinausgeht, was hier gesagt wurde“, sagte die Vorsitzende Richterin mit Blick auf die Abhörprotokolle. Zumal von vollumfänglichen Geständnissen am Montag keine Rede sein kann.
Keiner will den Brand gelegt haben
Keiner der Angeklagten will selbst Hand an einen Molotow-Cocktail oder ein anderes Geschoss gelegt haben, niemand ein religiöser Fanatiker sein. In einer Erklärung, verlesen von seinem Verteidiger, berichtet Emre K., wie er in der Nacht zum 10. Januar 2015 nach einem Trinkgelage mit seinen Freunden zur Max-Brauer-Schule aufbrach. Zuvor hätten sie Wodka-Flaschen zu Molotow-Cocktails umgebaut. Er sei mitgekommen, weil er „nicht als Feigling“ dastehen wollte. Am Tag darauf hätten sich alle Beteiligten erneut getroffen. Man sei „sauer gewesen, dass es nicht geklappt hat“.
Da sei auch der Begriff „Mopo“ gefallen. „Damit konnte ich erst gar nichts anfangen“, so Emre K. Auch in dieser Nacht habe er die Täter begleitet. Brandsätze will er allerdings nicht geworfen haben. Dass der Angriff etwas mit den Karikaturen zu tun haben könnte, sei ihm nicht bewusst gewesen. Die satirischen Bilder vom Propheten Mohammed seien ihm „ziemlich egal“ gewesen, sagt auch der Angeklagte Burak A.
In der Nähe des Verlagsgebäudes habe er in der Nacht zum 11. Januar die späteren Brandstifter getroffen. „Sie hatten vor, die ,Mopo’ zu attackieren, daran wollte ich mich nicht beteiligen.“ Jedoch habe er sich bereit erklärt, ihre Handys einzusammeln, um sie vor einer Funkortung durch die Polizei zu schützen. „Das tut mir heute unendlich leid.“
Ein Chat mit dem Dschihadisten
Der Mitangeklagte Malcolm R. macht aus seinem tiefen Glauben indes keinen Hehl. Er sei als Jugendlicher vom Christentum zum Islam konvertiert. Von den gedruckten Karikaturen sei er zwar „nicht begeistert“ gewesen. Von Gewalt aber halte er nichts, er sei „liberal und für die Meinungsfreiheit“. Es sei richtig, dass er mit dem Hamburger IS-Schergen Bilal auch über einen Anschlag auf die „Mopo“ gechattet habe. „Das war aber nicht ernst gemeint, ich hielt das für Dumme-Jungs-Gespräche“, so Malcolm R.
In der Tatnacht sei auch ihm das Handy abgenommen worden. Er sei dann aber nach Hause gegangen. Der vierte im Bunde, Mustafa S., will sich zu den Vorwürfen am kommenden Prozesstag in zwei Wochen äußern. Weil alle Angeklagten zur Tatzeit Heranwachsende waren, könnten sie noch nach Jugendrecht bestraft werden. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.