Delikatessen per Mausklick, Abholboxen am Bahnhof: Wie Unternehmen auch in Hamburg den Lebensmitteleinkauf revolutionieren wollen.

Daniel Olesen-Fett liebt die mediterrane Küche. Eine Pasta mit Trüffeln und edlem Olivenöl genügt schon, um den Chef des Onlinehändlers Delinero glücklich zu machen. Solche ­italienischen Delikatessen finden sich denn auch zahlreich auf der Internetseite des Hamburger Unternehmens: toskanische Salami, 26 Monate lang gereifter Parmigiano Reggiano von Bergbauern aus der Emilia-Romagna, eine Tiramisu-Creme mit Stevia.

„Wir haben uns auf hochwertige Lebensmittel spezialisiert, die in Deutschland nur schwer oder gar nicht zu bekommen sind und die wir den Kunden bequem nach Hause liefern“, sagt der 45-jährige Betriebswirt, der Delinero seit Anfang des Jahres führt. Rund 40 Mitarbeiter kümmern sich darum, immer neue Delikatessen in ganz Europa zu entdecken, sie zu verpacken und von einer Logistikhalle in Hammerbrook aus zu versenden.

Virtuelles Geschäft mit Lebensmitteln ist nicht einfach

Etwa 6000 unterschiedliche Produkte umfasst das Sortiment schon heute. Gerade ist der Chef dabei, den Onlineauftritt des Unternehmens zu überarbeiten und eine Smartphone-App entwickeln zu lassen, um dem Geschäft einen weiteren Schub zu geben. „Wir wollen unsere Produkte optisch noch ansprechender präsentieren und den Kunden mehr Inspiration beim Einkaufen bieten“, sagt Olesen-Fett.

So wie Delinero gibt es immer mehr Unternehmen in Deutschland, die sich in das nicht gerade einfache Geschäft mit Lebensmitteln im Internet wagen. Nach Angaben des E-Commerce-Branchenverbands bevh stiegen die Erlöse im vergangenen Jahr um mehr als ein Viertel auf 932 Millionen Euro. Das ist zwar wenig im Vergleich zu den mehr als elf Milliarden Euro, die jährlich etwa mit Bekleidung im Netz umgesetzt werden. Doch die Marktforschungsgesellschaft GfK rechnet damit, dass die Erlöse bis 2025 auf mehr als sieben Milliarden Euro anwachsen könnten.

Dafür spricht, dass nicht mehr nur Spezialisten das Internet als Absatzkanal nutzen. Einen erheblichen Schub dürften die Pläne des weltgrößten Onlinehändlers Amazon bringen, der nach dem Verkauf von lange haltbaren Artikeln wie Müsli, Tee oder Kaffee nun auch in das Geschäft mit frischen Lebensmitteln in Deutschland einsteigen will. Noch in diesem Monat soll laut „Handelsblatt“ der Service Amazon Fresh in Berlin an den Start gehen. Eine Ausweitung auf andere deutsche Metropolen wie Hamburg dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Edeka liefert Lebensmittel auf Wunsch zu einer Abholstation am Stuttgarter Bahnhof
Edeka liefert Lebensmittel auf Wunsch zu einer Abholstation am Stuttgarter Bahnhof © dpa | Lino Mirgeler

Dabei werden sich die Amerikaner voraussichtlich mit einem anderen Branchenriesen, dem Logistiker DHL, zusammentun. Die Post-Tochter und den Onlinehändler verbinden nicht nur über Jahre gewachsene Geschäftsbeziehungen, DHL verfügt mit dem eigenen Tochterunternehmen Allyouneedfresh auch über reichlich Erfahrung im Versenden von zeitkritischen Produkten wie frischem Fisch, Tiefkühlpizzen, Brokkoli oder Tomaten.

Allyouneedfresh versteht sich als technologischer Vorreiter in der Branche. 22.000 unterschiedliche Artikel – gut doppelt so viele wie in einem großen Supermarkt – werden aus einem Zen­trallager in der Nähe von Nürnberg binnen eines Tages in ganz Deutschland verschickt. Bestellungen sind bei der DHL-Tochter nicht nur über die Internet- und Mobilseite, sondern auch über WhatsApp-Kurzmitteilungen möglich. Auch mit Orders per Sprachbefehl experimentiert das Unternehmen.

Rewe ist bislang am besten auf die neue Konkurrenz eingestellt

Im Mai will Alllyouneedfresh zudem einen intelligenten Mülleimer auf den Markt bringen. Der kann die Barcodes von Verpackungen beim Wegwerfen scannen und die entsprechenden Produkte bei Bedarf gleich auf die nächste Einkaufsliste setzen. „In den nächsten fünf Jahren wird das Online-Einkaufen von Lebensmitteln ganz normaler Alltag für uns werden“, ist der Gründer und Geschäftsführer von Allyouneedfresh, Jan Dübel, überzeugt. Künstliche Intelligenz und neue Technologien würden es erlauben, in Zukunft Artikel auch ganz ohne Smartphone oder Computer zu ordern.

Von den deutschen Supermarktketten ist bislang Rewe am besten auf die neue Konkurrenz eingestellt. Mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro betrachten sich die Kölner im Augenblick als führend im Onlinehandel mit Lebensmitteln. In insgesamt 75 deutschen Städten ist Rewe mit eigenen Kühlwagen unterwegs und liefert Äpfel, Joghurts, Margarine oder Milch direkt bis an die Haus- oder Wohnungstür.

In Hamburger Szenestadtteilen wie Ottensen funktioniert dieser Service weitgehend reibungslos, wie ein Test des Abendblatts ergab. Das Angebot kommt hier überwiegend an das eines normalen Rewe-Marktes heran, auch wenn die Auswahl etwa an Obstsorten oder speziellen Getränken eingeschränkt ist. Bestellt wird per Webseite oder Smartphone-App, die Kunden können zwischen unterschiedlichen Lieferfenstern wählen. Wer seine Lebensmittel in einem eng gefassten Zeitraum wie 8 bis 10 Uhr bekommen möchte, zahlt eine Liefergebühr von 4,90 Euro, bei der Wahl eines längeren Zeitraums wird ein Euro weniger fällig. Enthalten in der Gebühr ist auch die Lieferung von bis zu zwei Getränkekisten, wer mehr bestellt muss noch einmal extra zahlen.

Rewe führt im Onlinehandel, macht aber keinen Gewinn

Um 60 Prozent hat Rewe den Umsatz in Onlinebereich im vergangenen Jahr erhöhen können, schreibt in dem noch jungen Geschäftszweig aber rote Zahlen, wie der zuständige Vorstand Jan Kunath kürzlich einräumen musste. Zu aufwendig ist die Logistik, zu preissensibel sind die Verbraucher.

Die Hamburger Edeka-Gruppe, Deutschlands größte Supermarktkette, experimentiert derzeit zwar mit diversen Onlinekonzepten, eine einheitliche Strategie wie bei Rewe ist aber nicht erkennbar. Die Regionalgesellschaft Südwest erprobt in Stuttgart gerade ein eher ungewöhnliches Geschäftsmodell. Zusammen mit der Deutschen Bahn und dem Start-up Emmasbox haben die Kaufleute eine Art Paketstation für Lebensmittel am Bahnhof aufgebaut.

Die Kunden bestellen ihre Waren über eine Internetseite, ein Edeka-Markt liefert sie dann noch am selben Tag direkt in eines der Paketfächer. 7000 Produkte sind im Angebot – Fleisch ebenso wie Milch, Salat oder Eis. Geöffnet werden die insgesamt 52 Fächer an der Aufbewahrungswand mit einem Code, der den Kunden aufs Handy geschickt wird. Schnell und bequem soll das sein und vor allem Pendler ansprechen. Eine weitere Box soll im Mai in Berlin installiert werden.

Größte Herausforderung ist das Einhalten der Kühlkette

Ob dies allerdings wirklich die Zukunft des Lebensmitteleinkaufs darstellt, ist selbst innerhalb der Edeka-Gruppe umstritten. „Ich glaube nicht, dass dieses Konzept von den Kunden angenommen wird“, sagt Lars Tamme, der in Hamburg die Edeka-Märkte am Hauptbahnhof und am Flughafen Fuhlsbüttel betreibt. Tamme hat selbst mal mit fertig zusammengestellten Paketen mit Lebensmitteln experimentiert, die die Kunden direkt am Airport mitnehmen konnten. „Das haben wir wegen der mangelnden Nachfrage aber wieder aufgegeben. Nach meiner Erfahrung wollen die meisten Deutschen die Lebensmittel, die sie kaufen, vorher ansehen und in die Hand nehmen.“ Solch eine vorherige Qualitätskontrolle sei im Internet aber nicht möglich.

Die Qualitätssicherung ist denn auch die größte Herausforderung für alle Onlinehändler beim Versenden von frischen Lebensmitteln. In einer Untersuchung von 32 Versendern von Frischeprodukten attestierte die Verbraucherzentrale Brandenburg diesen zwar einen grundsätzlich professionellen Umgang mit den Kunden und eine weitgehende Einhaltung der Lieferfristen. Kritisch war aber die Einhaltung der Kühlkette. Bei mehr als jedem zweiten bestellten Produkt, bei dem die Temperatur unmittelbar nach der Lieferung gemessen wurde, lag diese teils deutlich über dem Normwert. Auch ein Test des ZDF-Magazins Wiso offenbarte Mängel in diesem Bereich. Von den vier untersuchten Anbietern Allyouneedfresh, Rewe, myTime und food.de gelang es nur der DHL-Tochter, Tiefkühlartikel nicht angetaut zum Kunden zu bringen.

Am besten nichts übers Wochenende verschicken

Der Hamburger Delikatessen-Spezialist Delinero hat sein ursprüngliches Geschäftsmodell, als Marktplatz zu agieren und das Versenden den Produzenten zu überlassen, schon vor Jahren aus Qualitätsgründen umgestellt. Heute kommen die Waren überwiegend aus dem Hamburger Zentrallager. „Bei frischen Produkten verwenden wir spezielle Styropor-Inlays mit Kühlelementen“, sagt Geschäftsführer Olesen-Fett. „Über den Versand mit DHL stellen wir sicher, dass die Lieferung am nächsten Werktag beim Kunden ankommt.“

Übers Wochenende verschickt Delinero am liebsten gar nicht. Denn sonst könnte es passieren, dass die edle Lammbrust in einer Paketstation oder beim Nachbar liegen bleibt und ein Eigenleben entwickelt – trotz Kühlung.