Stuttgart. Deutsche Supermärkte experimentieren mit Online-Bestellungen. Edeka setzt nun auf Schließfächer an Bahnhöfen und auf Vorbestellungen.
Edeka hat bei einer Werbeveranstaltung im Stuttgarter Hauptbahnhof ein neues Konzept der Lebensmittelauslieferung getestet. In die so genannten „Bahnhofsboxen“ legt die Supermarktkette Pakete mit Lebensmitteln, die Kunden vorbestellt haben. Auf dem Heimweg von der Arbeit oder einer Reise brauchen die Kunden die Pakete nur noch aus dem Schließfach nehmen.
Die Werbeveranstaltung im Stuttgarter Hauptbahnhof ist ein weiterer kleiner Schritt im digitalen Wandel des Handels. Die Lebensmittelbranche ist noch wenig betroffen von den neuen Konsumentengewohnheiten: Während die Online-Konkurrenz stationären Buchläden oder Klamottengeschäften zusetzt, liegt der Versandhandel mit Nahrung nur bei etwa einem Prozent am Lebensmittel-Gesamtumsatz. Die Tendenz ist zwar steigend, aber eben auf sehr niedrigem Niveau.
Weitere „Bahnhofsboxen“ sollen folgen – etwa in Berlin
Mit der „Bahnhofsbox“ will nun Edeka Südwest ein digitales Ausrufezeichen setzen. In der Stadt bringt nun ein Edeka-Markt die im Internet bestellten Waren zu der acht Meter breiten und zweieinhalb Meter hohen Aufbewahrungswand mit 52 Fächern. 7000 Produkte können bestellt werden – ob Fleisch, Milch, Salat oder Eis. Bestellt ein Kunde bis sechs Uhr morgens, so kann er die Ware zwischen 10 und 14 Uhr abholen. Zudem gibt es ein Zeitfenster zwischen 15 und 22 Uhr. Der Service sei praktisch und zeitsparend, wirbt die Bahn.
Es ist die erste Supermarkt-Abholbox an einem Bahnhof in Deutschland, im Mai soll eine ähnliche Station am Berliner Ostbahnhof aufgestellt werden. Die Preise für die Produkte sind ähnlich wie im Supermarkt, pro Bestellung ist aber eine Service-Pauschale von 2,95 Euro fällig.
Bisher schwache „Abholmentalität“ in Deutschland
Branchenexperten äußern sich zurückhaltend zu den Erfolgsaussichten des Pilotvorhabens. „Das ist eine interessante Idee“, sagt der Handelsexperte Sascha Berens vom Kölner Handelsinstitut EHI. Es sei gut, dass der Handel solche Erprobungen macht. „Aber ob die Verbraucher dies annehmen, muss die Zeit zeigen.“
Die Abholmentalität in Deutschland sei schwach. „In Frankreich haben wir sehr große, teils weit entfernte Supermärkte, in die Verbraucher oft nur einmal pro Woche zum Großeinkauf fahren – da bestellen viele lieber im Internet und holen sich das bereitliegende Warenpaket später an Abholstationen ab“, sagt Berens. Hierzulande gebe es mehr Supermärkte, die deutlich kleiner seien. Daher müssten Konsumenten nicht fürchten, in riesigen Märkten ewig suchen zu müssen.
Die Marken hinter No-Name-Produkten
2015 gab es bereits eine Abholbox in München
Das Münchner Start-up Emmasbox hat die Stuttgarter Abholstation hergestellt. 2013 gegründet, hat es bisher acht solcher Stationen ausgeliefert. 2015 stand eine solche Station für ein halbes Jahr am Münchner Flughafen, betrieben von Edeka Südbayern. Fragen hierzu will eine Edeka-Sprecherin nicht beantworten, stattdessen berichtet sie von einem anderen, ähnlichen Projekt - in Gaimersheim bei München steht ein solcher Automat vor einem Supermarkt. Man sei hier zwar noch in der Testphase, so die Sprecherin. Aber: „Bestimmte Kundengruppen schätzen dieses Angebot und nutzen es regelmäßig.“
Benjamin Slotty, Vertriebschef von Emmasbox, erinnert sich noch gut an das Münchner Flughafenprojekt. Das sei nur „ein besserer Verkaufsautomat“ gewesen, sagt er, bei dem man nicht online bestellen konnte. Vielmehr lagen Lebensmittelpäckchen mit festgelegten Zutaten bereit. „Wenn man eine dieser Zutaten nicht mochte, musste man sie trotzdem mitkaufen“, sagt er. In Stuttgart ist das anders.
Hier zahlen Frauen mehr als Männer
Konkurrenz setzt auf Lieferungen und „Drive In“-Schalter
Edeka-Konkurrent Rewe setzt auf Online-Bestellungen samt Lieferdienst und bietet zudem 13 Abhol-Theken für vorbestellte Ware an. Einen Abholautomaten hat der Konzern nicht. Zwei „Drive In“-Abholstellen mit Personal bot Wettbewerber Globus an, schloss diese aber vor kurzem. Zur Begründung hieß es, nur wenige Kunden hätten das „Click & Collect“-Konzept angenommen, es lasse sich nicht wirtschaftlich betreiben. Discounter Lidl nahm 2016 Kurs auf Mini-Abholfilialen, doch Anfang dieses Jahres ließ er die Pläne fallen.
Aus Sicht des Handelsexperten Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein dürfte die Edeka-Bahnhofsbox in Stuttgart ein ähnliches Schicksal haben. „Das ist nicht viel mehr als ein PR-Gag“, sagt er. Edeka habe im digitalen Wandel seine Hausaufgaben nicht gemacht. So mangele es an einem guten Internet-Shop, zudem gelte Edeka in der netzaffinen Kundschaft als altbacken. „Jetzt plötzlich will Edeka mit der Bahnhofsbox den fünften Schritt machen, bevor es die Schritte eins bis vier gemacht hat.“ (dpa)