Hamburg. Bedenken gegen Marsch von 150.000 Teilnehmern. Anmelder sprechen von „demokratiefreier Zone“. 55 Straftaten vor dem Gipfel.

Das Treffen von Polizei und Linken verlief genau so lange harmonisch, bis die Beamten eine Karte ausbreiteten. Sie zeigt die Innenstadt. Mit blauem Filzstift sind die kritischen Bereiche markiert. St. Pauli, das Schanzenviertel, der Bahnhof Berliner Tor, die Willy-Brandt-Straße, die gesamte Innenstadt. Das alles komme nicht infrage. Nach aktuellem Stand will die Polizei verhindern, dass die zentrale Großdemonstration gegen den G20-Gipfel mit bis zu 150.000 Teilnehmern am 8. Juli wie geplant in der City stattfindet.

Die Anmelder machten ihrer Empörung am Freitag bereits unmittelbar nach Ende des „Kooperationsgespräches“ Luft: „Polizei und Stadt wollen Hamburg während des G20-Gipfels offenbar demokratiefrei machen“, sagte Emily Laquer, Sprecherin des Bündnisses „Grenzenlose Solidarität statt G20“.

Gibt es eine „blaue Zone“, in der Protest untersagt ist?

Sie sprach von einer „blauen Zone“ während des G20-Gipfels, in der Protest untersagt sei. Zu der zentralen Großdemonstration rufen Organisationen wie Attac, die Partei Die Linke, Gewerkschaften sowie linksextreme Gruppen wie die „Interventionische Linke“ auf. Einen Vorgang wie diesen habe es „noch nie gegeben“, sagte der Linke-Bundestagsabgeordnete Jan van Aken, ebenfalls Sprecher der Organisatoren.

Die Polizei reagierte mit einer schriftlichen Mitteilung. Man habe in dem Gespräch die „sicherheitsbezogenen Überlegungen“ dargestellt: „Dazu gab es einen offenen Meinungsaustausch mit dem Anmelder.“ Inhaltlich wollte sich ein Polizeisprecher nicht näher äußern. Er betonte aber: „Entschieden wurde heute nichts.“

Polizei hat massive Sicherheitsbedenken

Tatsächlich hat die Polizei nach Abendblatt-Informationen mehrere Bedenken gegen die zentrale Großdemonstration. Die Menschenmassen könnten in kürzester Zeit die Zufahrtswege für die Staatsgäste zum Tagungsort in den Messehallen und zum Flughafen blockieren. Zudem stünden im Falle von Krawallen oder einer Massenpanik an einigen Plätzen nicht genügend Rettungs- und Fluchtwege zur Verfügung. Als mögliche Lösung stellte die Polizei eine Route entlang des nördlichen Elbufers bis zur Helgoländer Allee in Aussicht – nun müssten sich die Organisatoren der Großdemonstration dazu verhalten.

Dass die Anmelder den Zwischenstand der Verhandlungen öffentlich machten, sorgte im Präsidium für Unverständnis. Von den Sprechern des Bündnisses hieß es dagegen, der jetzige Vorschlag biete keine geeignete Fläche für eine Auftakt- und Abschlusskundgebung der Großdemonstration. Auch rechtliche Schritte seien denkbar. Die Polizei habe sich auf „Konfrontationskurs“ begeben, sagte Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft.

Einschränkungen für weitere Demonstrationen denkbar

Die am Freitag erhobenen Bedenken betreffen aber zunächst nur die Großdemonstration am 8. Juli. Von einem generellen Protestverbot in der Innenstadt während des Gipfels ist pauschal keine Rede. In Polizeikreisen heißt es aber, dass große Teile der betroffenen Bereiche auch bei den anderen Protestmärschen mit weniger Teilnehmern an den markierten Stellen kritisch seien. Dazu laufen ebenfalls noch „Kooperationsgespräche“ mit den Anmeldern. Die striktesten Auflagen sollen an den unmittelbaren Tagen des G20-Gipfels am 7. und 8. Juli gelten.

Die Polizei hatte bereits angekündigt, das Treffen der Staatsgäste und ihrer Delegationen mit einem Aufgebot von mehr als 15.000 Beamten sichern zu wollen. Seit April sind allein 500 Mitarbeiter aus der Verwaltung damit beschäftigt, die Versorgung und Unterbringung der auswärtigen Polizeikräfte vorzubereiten. Für die Versorgung der Einsatzkräfte müssten zum Gipfel Anfang Juli rund 150.000 Lunch-Pakete bereitliegen. Der Vorbereitungsstab, gestartet mit 15 Mitarbeitern, besteht mittlerweile aus 80 Beamten. Neben der größten G20-Demonstration am 8. Juli bereitet der Polizei ein Protestmarsch von Linksextremen mit bis zu 8000 gewaltbereiten Teilnehmern, der vom Fischmarkt aus ebenfalls in die City führen soll, die größte Sorge.

CDU kritisiert Innensenator: „Keine Schönrednerei mehr“

Bereits gut 90 Tage vor dem Gipfel häufen sich Angriffe von Linksextremen in Hamburg massiv. Bislang wurden bereits 55 politische Straftaten im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg registriert, wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator hervorgeht. Überwiegend handelt es sich dabei um kleinere Delikte wie Schmierereien und Farbanschläge – zuletzt hatten Linksextreme aber auch Mannschaftswagen der Polizei, Gewerkschaftsautos sowie die Privatfahrzeuge von Unternehmern am Falkensteiner Ufer in Blankenese in Brand gesetzt.

„Protest, Kritik und jede friedliche Form der Auseinandersetzung mit der Politik der G20 gehört zum Kern unserer Demokratie. Aber es gibt eine rote Linie, die überschritten wurde“, sagte Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Er warf Innensenator Andy Grote (SPD) vor, zwar intern die Gefahr durch Linksextreme zu erkennen, die Lage vor dem G20-Gipfel aber öffentlich „schönzureden“. Die Anmelder der Großdemonstration sollten sich zunächst von jeglicher linksextremer Gewalt distanzierten, bevor sie Kritik an polizeilichen Auflagen übten. „Es braucht eine Allianz gegen linksextremen Terror“, sagte Gladiator.