Hamburg. Hamburg und Hannover übernehmen den Düsseldorfer Wettbewerber und seine günstige Handelsplattform.

Für die Betreiber der Regionalbörsen ist das Umfeld in den zurückliegenden Jahren immer ungemütlicher geworden. Denn in dem lu­krativen Geschäft des Aktienhandels für Großanleger ist die Dominanz der elek­tronischen Plattform Xetra, betrieben von der Deutschen Börse in Frankfurt, inzwischen erdrückend. Mehr als 90 Prozent des gesamten börslichen Handels mit Aktien in der Bundesrepublik werden darüber abgewickelt.

Zudem zweigt ein neuer – ebenfalls elektronischer – Wettbewerber nun auch noch immer höhere Anteile des Geschäfts mit Privatanlegern zu sich ab: Seit dem Start im Jahr 2010 hat der Berliner Plattformbetreiber Tradegate Exchange den Handelsumsatz von anfangs 18 Milliarden Euro auf zuletzt mehr als 70 Milliarden Euro gesteigert.

Kräfte bündeln

Aus dieser misslichen Situation haben die Börsen in Hamburg und Hannover, die unter dem Dach der Muttergesellschaft Böag agieren, die Konsequenzen gezogen: Sie übernehmen den Düsseldorfer Konkurrenten und bündeln somit die Kräfte. Im September 2016 waren entsprechende Pläne bekannt geworden, nun haben die beiden Seiten den notariellen Kaufvertrag unterzeichnet.

„Wir gehen davon aus, dass im Herbst alle Genehmigungen von Gremien und Behörden vorliegen“, sagte Thomas Ledermann, Geschäftsführer der Börse Hamburg und Vorstand der Böag, dem Abendblatt. Der Kaufvertrag gilt allerdings rückwirkend zum 1. Januar 2017, und operativ arbeiten die drei Regionalbörsen schon jetzt zusammen.

Deutliche Synergieeffekte

Von der Fusion versprechen sich die Beteiligten deutliche Synergieeffekte. „Kooperationen bieten sich zum Beispiel bei der Bearbeitung von Zulassungen und bei der Handelsüberwachung an“, so Ledermann. Von den zuvor 14 Beschäftigten der Börse Düsseldorf scheiden fünf aus, wobei man einvernehmliche Lösungen gefunden habe. In Hamburg und Hannover fallen keine Stellen weg. Aktuell hat die Böag rund 20 Mitarbeiter, etwa zwei Drittel davon in Hamburg.

Es geht bei dem Zusammenschluss aber nicht nur um Synergien. Denn durch die Fusion wird die Böag Betreiberin der von den Düsseldorfern gestarteten elektronischen Handelsplattform Quotrix. „Sie ist im gleichen Segment tätig wie Tradegate“, so Ledermann. Beide Plattformen konzentrieren sich auf das „sehr preissensible“ Geschäft für Privatkunden; beide erheben keine Börsengebühren, sie verdienen an der Spanne zwischen den Kauf- und den Verkaufskursen.

 Präsenzbörsen deutlich teurer

Was das für Privatanleger bedeutet, hat die Direktbank OnVista in einem Vergleich verschiedener Handelsplätze am Beispiel eines Aktien-Ordervolumens von 2500 Euro zusammengestellt. Demnach berechnet Xetra für einen solchen Auftrag 0,75 Euro, bei den Börsen Hamburg, Düsseldorf und München kostet diese Leistung je 1,19 Euro.

Die Präsenzbörsen in Frankfurt (3,75 Euro) und Stuttgart (mindestens 6,00 Euro) sind dagegen nach Angaben von OnVista deutlich teurer, während Tradegate und Quotrix überhaupt keine derartigen Gebühren berechnen – allerdings sind Transaktionsgebühren, die die Banken darüber hinaus selbst erheben, im Vergleich nicht berücksichtigt.

Verschiedene Nischen

Angesichts der Kostenvorteile von Quotrix hat die Düsseldorfer Börse im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben die Zahl der Orderausführungen um 76 Prozent auf 483.000 gesteigert. Gemessen an dieser Größe sei man damit der viertgrößte Handelsplatz nach Xe­tra, Tradegate und Stuttgart. Nicht nur Direktbanken wickeln Wertpapieraufträge gerne über Quotrix ab, auch von der Postbank und den Sparkassen wird diese Plattform inzwischen für einen Teil ihres Geschäfts bevorzugt.

Auf die Herausforderungen durch die elektronischen Handelsplätze haben die Regionalbörsen reagiert, indem sie sich verschiedene Nischen suchten. Die Hamburger haben erfolgreich ein Handelssegment für offene Fonds etabliert und außerdem Handelsplattformen für Finanzprodukte, die bisher nicht an Börsen gehandelt wurden, eingerichtet – etwa für geschlossene Fonds und zuletzt für Schuldscheine.

Börse Hamburg setzt auf Innovationen

Düsseldorf hingegen hat sich auf den Handel mit Wertpapieren kleinerer und mittelgroßer Unternehmen, von denen es in Nordrhein-Westfalen sehr viele gibt, spezialisiert. Zwar hat gerade dieses Geschäft zuletzt unter dem Debakel mit den sogenannten Mittelstandsanleihen gelitten. „Wir glauben aber, dass es auch in Zukunft einen großen Bedarf für Papiere mittelgroßer Firmen geben wird“, sagte Ledermann. „Den Markt dafür wollen wir in Zusammenarbeit mit den Unternehmen weiter entwickeln.“

Die Börse Hamburg setzt unterdessen weiter auf Innovationen. So hat man vor wenigen Tagen eine Möglichkeit geschaffen, geschlossene Fonds auf einer Erstmarktplattform elektronisch zu zeichnen – einen Zweitmarkt dafür gab es ja schon. Doch die Ideen sind damit noch längst nicht erschöpft: „Wir wollen nicht stehen bleiben, wir arbeiten an mehreren weiteren Neuerungen.“