Hamburg. Schriftliche Urteilsbegründunglässt auf sich warten. Wichtiger Experte für Schierlings-Wasserfenchel geht.
Bereits am 9. Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht sein wichtiges Urteil zur Elbvertiefung gesprochen. Der Senat wertete den Richterspruch damals als Erfolg, obwohl Nachbesserungen gefordert worden waren. Doch auf die geplanten Baggerarbeiten wird Hamburg wohl noch längere Zeit warten müssen. Denn nach Abendblatt-Informationen liegt bis heute die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor. Sie aber ist dringend notwendig für die Planungsbehörden, um die vom Gericht geforderten zusätzlichen Ausgleichsmaßnahmen umsetzen zu können.
Der politische Druck ist groß
Innerhalb weniger Monate wollte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) die planerischen Nacharbeiten abschließen, damit möglichst noch in diesem Jahr ein neuer Planergänzungsbeschluss veröffentlicht werden kann. Dies hatte Horch mehreren europäischen Reedern vor wenigen Wochen auf einer Reise persönlich in Aussicht gestellt. Und schon bald fliegt der Senator nach Asien, um die Reedereien dort zu beruhigen. Das Signal: Die Elbvertiefung kommt bald.
Der politische Druck ist entsprechend groß und bereitet vor allem denjenigen Probleme, die die Vorgaben umsetzen sollen: den Planern der Elbvertiefung. Sie arbeiten derzeit mit Hochdruck – aber eben ohne konkrete schriftliche Vorgaben des Leipziger Gerichts. Und nach Informationen des Hamburger Abendblatts werden diese auch noch eine ganze Zeit auf sich warten lassen. Das Gericht lässt sich mit der schriftlichen Urteilsbegründung ungewöhnlich viel Zeit, weil es ein Grundsatzurteil zum Wasserrecht verkünden will. Das Verfahren zur Elbvertiefung gilt nämlich als richtungsweisend für die entsprechende Rechtsprechung.
Richter monierten unklare Dokumentation
Vor rund sechs Wochen hatte der zuständige Richter beim Bundesverwaltungsgericht, Rüdiger Nolte, sein Urteil gesprochen. Sein mündliches Fazit: Die Elbvertiefung ist in weiten Teilen zulässig, aber wegen einiger Mängel dennoch rechtswidrig und nicht vollziehbar. Zum einen bemängelte das Gericht, dass die Beklagten nicht ausreichend dokumentiert hätten, welche Auswirkungen ein durch den Umbau der Fahrrinne ansteigender Salzgehalt des Wassers auf die bedrohte Pflanzenart Schierlings-Wasserfenchel habe. Zum anderen monierten die Richter eine unklare Dokumentation der Ausgleichsmaßnahmen in Niedersachsen. Und schließlich verwarfen sie eine Ausgleichsmaßnahme auf Hamburger Gebiet komplett.
Nach Informationen des Abendblatts wird Richter Nolte das schriftliche Urteil womöglich nicht mehr persönlich unterzeichnen. Er geht Ende April in den Ruhestand. In diesem Fall wird die schriftliche Urteilsbegründung mit einem entsprechenden Vermerk versehen. Bisher habe er dazu keine Erkenntnisse, sagte ein Sprecher des Gerichts. Das Urteil brauche aber Zeit, bestätigte er: „Es handelt sich um ein umfangreiches Verfahren, bei dem die Rechtsprechung zum Wasserrecht Neuland betritt. Zudem muss sich die Urteilsbegründung mit denjenigen Einwänden der Kläger befassen, bei denen sie kein Recht bekommen haben.“
Offiziell will sich seitens der Planer derzeit niemand äußern
Aus Kreisen heißt es lediglich: „Wir arbeiten bereits an der Behebung der Mängel aus der mündlichen Urteilsverkündung. Wenn das schriftliche Urteil vorliegt, werden wir möglicherweise nacharbeiten müssen.“
Neben den juristischen Fallstricken wird das Verfahren noch durch eine überraschende Personalie belastet: Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung verliert einen wichtigen Spezialisten für den Schierlings-Wasserfenchel. Um einen Ausgleich für genau diese Pflanze geht es dem Gericht. Der Biologe hatte eine auf fünf Jahre befristete Anstellung. Nun hat der Experte eine unbefristete Stelle im Zusammenhang mit dem Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals angenommen. Die Folge für die Elbvertiefung: Ein neuer Ökologe muss gefunden und in das schwierige Thema eingearbeitet werden.
„Damit ist klar, dass die Bagger zur Elbvertiefung in diesem Jahr keinesfalls mehr loslegen können“, sagt der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, Gunther Bonz. „Wir haben immer gesagt, dass wir von einer weiteren Dauer von zwei Jahren ausgehen. Das bewahrheitet sich jetzt.“
Weitere Verzögerungen sind wahrscheinlich
Die Wirtschaftsbehörde bestreitet die Vorgänge nicht, sieht aber keine Auswirkungen auf die Verfahrensdauer: „Es wird keine weiteren Verzögerungen geben“, sagt Behördensprecherin Susanne Meinecke. „Seit dem 9. Februar wird intensiv an den notwendigen Korrekturen gearbeitet, und wir sind richtig weit.“ Ergebnisse will Meinecke noch nicht nennen: „Wir geben keine Wasserstandsmeldungen zu den einzelnen Punkten ab.“
Doch selbst wenn irgendwann der neue Planergänzungsbeschluss vorliegen sollte, könnte es zu weiteren Verzögerungen kommen. Der neue Beschluss darf nämlich wieder beklagt werden. Dann müsste das Bundesverwaltungsgericht erneut urteilen.