Verantwortung ist keine Einbahnstraße. Die Umweltverbände sind gut beraten, sich nicht als „Nebenregierung“ aufzuführen
„Als Elbvertiefung wird eine 100 Kilometer lange Fahrrinnenveränderung der Unterelbe zwischen der Elbmündung und dem Hamburger Hafen bezeichnet, bei der die Fahrrinne eine größere Breite und eine größere Mindesttiefe erhält.“ (Aus Wikipedia)
Die Fakten: Zwischen Cuxhaven und Altenwerder sollen jene Schlickspitzen abgetragen werden, die das Einlaufen von Schiffen mit einem Tiefgang von maximal 15,6 statt derzeit 14,8 Metern behindern. Das betrifft etwa ein Dutzend Stellen auf den 130 Stromkilometern von der Mündung bis zum Köhlbrand. Und damit große Schiffe sich sicher begegnen können, soll ein acht Kilometer langes Stück der Fahrrinne vor Wedel und Blankenese um 90 auf 385 Meter verbreitert werden.
Die Situation: Wenn alles gut geht mit der Elbvertiefung, können die vom Bundesverwaltungsgericht verlangten Nachbesserungen bis zu einem halben Jahr dauern. Falls es aber nötig wäre, die Öffentlichkeit erneut zu beteiligen, auch bis zu zwei Jahren. Dann kommt noch die Anpassung der Fahrrinne selbst, sie wird ebenfalls gut zwei Jahre benötigen. Noch hat die internationale Reederschaft Hamburg eine Art Gnadenfrist eingeräumt – ein bisschen erinnert einen das an die Eieruhr, die langsam, aber sicher verrinnt.
Denn die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF halten es sich – wohl auch unter dem massiven Erwartungsdruck ihrer Mitglieder – ausdrücklich offen, weiterhin Sand ins Getriebe zu streuen, denn nichts anderes bedeutet ihr Klagevorbehalt.
Nun ist es aber so, dass das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich festgestellt hat: Die Planfeststellungsbeschlüsse leiden weder an beachtlichen Verfahrensmängeln noch an weiteren materiell-rechtlichen Fehlern. Auch bei der Wasserrahmenrichtlinie sahen die Richter kein Problem: Das Vorhaben verstoße „weder gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot, noch läuft es dem Verbesserungsgebot zuwider“. Nachgebessert werden muss dennoch: Zum einen ist erneut zu prüfen, ob höher auflaufendes Wasser und ein veränderter Salzgehalt der Elbe den vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel gefährden. Vor allem aber gilt es, zusätzliche Ausgleichsflächen zu finden, nachdem Kreetsand als Ausgleichfläche vor Gericht keinen Bestand hatte.
Gerade weil der ökonomische und soziale Stellenwert des Hafens für die Metropolregion und für Deutschland vom Gericht anerkannt ist, sind der Hamburger Senat und die Bundesregierung nun gefordert, so geschickt – und in besserem Einklang mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein als bislang – nachzubessern, dass gegen diese Nachbesserungen nicht erneut geklagt wird.
Ob es gelingen wird, die Verbände zum Klageverzicht zu bewegen, ist höchst unwahrscheinlich: Zumindest derzeit wollen sie Gespräche ausschließlich zu ihren Bedingungen führen – die aber liegen knapp unterhalb des Kapitulationsniveaus der Antragsteller. Und ob so perfekte Unterlagen vorgelegt werden können, dass Nabu & Co. kapitulieren, weil sie keine Chance sehen, ihre Klage zu gewinnen, ist ebenfalls wohl auszuschließen.
Wird da nicht das Recht ein bisschen auf den Kopf gestellt? Es gibt ja eben die höchstrichterliche Instanz, die ein – wenn auch bedingtes, so doch grundsätzliches – „Ja“ zur Anpassung der Fahrrinne verkündet hat. Nebenbei: Es war und ist eine überaus breite Mehrheit demokratisch gewählter Volksvertreter, die die Exekutive aus gut erwogenen Gründen aufgefordert hat, die Elbvertiefung auf den Weg zu bringen.
Aber genau das will dieses mehr oder minder selbst ernannte Verbändekonglomerat als „Bündnis Lebendige Tideelbe“ – übrigens ohne Greenpeace – konterkarieren. Sie belasten die nun angeordnete Suche nach neuen Ausgleichsflächen mit weiteren Verhinderungsversuchen und Klagedrohungen.
Deswegen meine Mahnung: Verantwortung ist keine Einbahnstraße. Die Umweltverbände sind gut beraten, sich konstruktiv an der Suche nach Ausgleichsflächen zu beteiligen. Alles andere liefe darauf hinaus, dass sie eine Art „Nebenregierung des guten Gewissens“ bilden. Dafür indes haben sie kein demokratisch legitimiertes Mandat.