Hamburg. Seit dem Beschluss zum Brexit beantragen viele Briten die deutsche Staatsbürgerschaft. Ungewöhnlich hoch ist die Zahl in Hamburg.
Seit sich Großbritannien im Juni vergangenen Jahres in einem Referendum für einen EU-Austritt entschieden hat, beantragen deutlich mehr Briten als zuvor die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein Trend, der sich in diesem Jahr verstärkt fortsetzt, wie das Einwohner-Zentralamt auf Abendblatt-Anfrage mitteilte. Bis zum 10. März habe es bereits 99 Anträge gegeben. Im vergangenen Jahr zählte das Amt für Hamburg 280 Anträge, davon seien 206 nach dem Referendum im Juni gestellt worden. Im Jahr 2015 gab es hingegen lediglich 52 Anträge – ungefähr so viele wie in den Jahren zuvor auch schon.
Ähnliche Steigerungen nach der Entscheidung zum "Brexit" gibt es auch in anderen großen deutschen Städten. Im bundesdeutschen Vergleich aber ist die Zahl der Anträge in Hamburg auch noch ungewöhnlich hoch. Zum Vergleich: In Hamburg leben laut Einwohnerzentralamt rund 4300 britische Staatsangehörige. In Berlin hingegen rund 14.000: Dort aber wurden 2016 lediglich 60 Einbürgerungsanträge gestellt. Insgesamt beantragten in Deutschland 480 Briten die deutsche Staatsangehörigkeit, wobei eben deutlich mehr als die Hälfte in Hamburg wohnt.
Hamburg ist eher Lebensmittelpunkt
Woran diese Häufung liegt, ob sich Briten in Hamburg besonders wohl fühlen – darüber gibt es nur Vermutungen. Im Einwohnerzentralamt heißt es beispielsweise, dass möglicherweise die "Einbürgerungsoffensive" des Senats einen Beitrag zu der hohen Zahl geleistet hat. Der frühere britische Generalkonsul in Hamburg und Präsident des Anglo-German-Clubs, Claus-G. Budelmann, vermutet indes einen anderen, eher pragmatischen Grund: In Hamburg würden viele Firmen Briten beschäftigen. Und einige davon beantragen "vorsorglich" den deutschen Pass, um mögliche Probleme mit einer Arbeitserlaubnis nach dem Brexit zu vermeiden. "Die wollen nicht ihrem Land den Rücken kehren, sondern sehen das ganz praktisch", so Budelmann.
Eine ähnliche Erklärung hat auch Wendy Sprock, die Vorsitzende des Hamburger Vereins "Friends of Britain". In Hamburg hätten viele Briten tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt, ihre Jobs und Familien - und dann würde man sich bei einem EU-Austritt lieber für die Stadt, in der man lebt, entscheiden. In Berlin hingegen, in der Hauptstadt würden mehr Briten nur vorübergehend leben. Das ist für viele eine "Durchlaufstation", so die Vereinsvorsitzende.