Hamburg. Fleisch aus dem Reifeschrank und Gasgrills für 7000 Euro – auf der Messe Internorga lässt sich die Zukunft des Brutzelns beobachten.
Mit Brutzeln im herkömmlichen Sinn hat das, was Dirk Alberts da vor den Messehallen macht, kaum noch etwas zu tun. Edle Entenbrustfilets liegen auf dem Rost des Chefs des Hamburger Grill-Kontors, als Zutaten gibt es Rucola-Salat, Spezialsaucen und Burgerbrötchen. Wer es lieber vegetarisch mag, bekommt statt Fleisch einen Quinoabratling. Grillen 2.0.
Zum ersten Mal gönnt sich die Hamburger Gastro-Messe Internorga von Freitag an einen Ausstellungsbereich, in dem sich alles um den Trend zum schnell zubereiteten Fleisch und Gemüse dreht: den „Grill & BBQ Court“. Die „German Barbecue Association“ schätzt den Umsatz, der 2016 allein mit Grill-Zubehör gemacht wurde, auf rund 1,2 Milliarden Euro. Der Umsatz, den die Fleischindustrie mit Grillprodukten mache, sei darin noch nicht enthalten, erklärt ein Sprecher. „Generell lässt sich ein Trend zu mehr Technikeinsatz beobachten“, sagt Vereinspräsident Ebbo Christ. „Früher war Grillen ja ziemlich rudimentär: Fleisch auf Metallrost. Heute ist das ganze fast religiös: Grillen oder Smoken? Holzkohle oder Gas? Darüber lässt sich endlos diskutieren“, sagt der gelernte Koch Dirk Alberts.
Die Technik wird beim Grillen immer wichtiger
„Grillen ist eine Mischung aus ganz archaischen Elementen. Das war natürlich immer eine Männerdomäne. Inzwischen geht es nicht mehr nur um Fleischberge. Das Technische wird immer wichtiger“, erklärt die österreichische Food-Trendforscherin Hanni Rützler. Statt unprätentiöser Würste im Plastikdarm und knochiger Koteletts gibt es im Grillbereich der Messe Edelfleisch aus dem High-Tech-Reifeschrank zu sehen. Restaurants mit Stockbrot-Spezialisierung sind als Aussteller vertreten. Und die vorgestellten Gasgrills gleichen eher einer Küchenzeile als den althergebrachten Grillmodellen. „Vorsprung durch Technik“ – dieser Slogan eines deutschen Autoherstellers würde auch zu den modernen Grillanlagen passen, die die Hersteller auf den Markt bringen. Vom „ Infrarot-Heckbrenner“ für die perfekte Zubereitung von Drehspießen, über die separate Räucherkammer, das integrierte Eisfach, die punktgenaue Temperaturregelung bis zur vollausgestatteten und wetterfesten Outdoorküche – von der Einfachheit, die das Grillen laut Food-Expertin Rützler traditionell ausmacht, bleibt so nicht viel übrig.
Während ein klassischer Holzkohle-Rundgrill aus dem Baumarkt schon ab zehn Euro zu haben ist, kann ein Premium-Grill der neuesten Generation mehrere tausend Euro kosten. Für einen Gasgrill mit Namen „Summit S-670 GBS“ beispielsweise fallen rund 4200 Euro an. Für eine Gasgrill-Outdoorküche mit Infrarot-Brenner und elektronischer Zündung eines anderen Herstellers sind es sogar bis zu 7000 Euro. Bei einer derartigen Materialschlacht scheint es nur folgerichtig, dass der zeitgenössische Grillmeister zum Fachmann werden muss, um die vielen Veredelungsmöglichkeiten beim Barbecue überhaupt richtig einsetzen zu können.
Es gibt auch Seminare fürs richtige Grillen
Für die Akademisierung der alten Kochtechnik, auf die – mit etwas einfacherer Ausstattung – laut Historikern bereits Frühmenschen setzten, findet sich unter den Ausstellern deshalb auch eine Grillschule. „Sie werden erstaunt sein, was Sie sich alles am Grill zutrauen und was sich alles an leckeren Gerichten auf einfache Weise zubereiten lässt“ verspricht die laut eigenen Angaben „erste Grillschule in Norddeutschland“.
Welches Zubehör für die mehrgängigen Menüs gebraucht wird, die bei den Seminaren entstehen sollen, ist Teil der Ausbildung. Grill-Experte Alberts hat noch einen weiteren Wandel in der Grillkultur ausgemacht, der fast wie ein Gegentrend zur Technisierung wirkt: „Die Herkunft der Produkte spielt eine viel größere Rolle als noch vor zehn Jahren.“ Dass sich auch neben hochpreisigen Grillrosten über bewussteren Konsum nachdenken lässt, zeigt sich zudem an Ausstellern, die beim klassisch eher fleischlastigen Grillen komplett auf vegetarische Kost aus Seitan, Tofu oder Erbsenprotein setzen.