Hamburg. Abendessen mit Geflüchteten sind ein großer Erfolg. In zwei Jahren brachte die Initiative 5000 Menschen zusammen. Gastgeber gesucht.
Die Suppe kam am besten an. Katharina Fegebank hatte auch Spinat-Quiche und Waffeln mit Pflaumen gemacht. Aber unschlagbar lecker war die Kürbissuppe für Dania und Dana. Die beiden Frauen aus Syrien und dem Iran waren so begeistert, dass sie hinterher sogar das Rezept von der Zweiten Bürgermeisterin haben wollten. Und auch bei der Gastgeberin hinterließ der Abend einen bleibenden Eindruck.
Für das private Essen hatte Fegebank zuvor den Kürbis sachgerecht zerlegt, den Tisch gedeckt, gekocht und später, beim Essen, viel geredet und noch mehr zugehört. Dabei war die „Erfahrung von Gemeinsamkeit“ das Schönste, sagte sie. Denn: „So unterschiedlich unsere Erfahrungen und Prägungen sind, am Ende stellen wir alle die gleichen Fragen an das Leben, haben die gleichen Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte.“ Es war Fegebanks erstes Welcome Dinner. Und, wie sie fand, sehr bereichernd.
Welcome Dinner? Ja, diese gemeinsamen Abendessen von heimischen Gastgebern und Flüchtlingen gibt es noch. Vor zwei Jahren in Hamburg gegründet, danach republikweit praktiziert und nach wie vor aktuell, wenn man Ines Burckhardt, eine der vier Dinner-Gründer, fragt. Mag der große Zustrom von Flüchtlingen auch abgeebbt sein.
Willkommenskultur im Kleinen
„Die Integrationsarbeit geht ja jetzt erst los“, sagt sie. Insofern sei die Idee, Hamburgs Neubürger zum Dinner einzuladen, um Willkommenskultur im Kleinen zu leben, exakt genauso charmant und angebracht wie vor zwei Jahren. Nicht grundlos wurde die Welcome-Dinner-Idee mit einer Einladung zum Sommerfest des Bundespräsidenten gewürdigt und in 31 anderen Städten übernommen. Auch in Göttingen, Lüneburg, Berlin, München oder Leipzig wurden seither Geflüchtete zum Essen eingeladen, um „den Flüchtlingen“ ein ganz privates Gesicht zu geben.
In der Hansestadt haben in den vergangenen zwei Jahren mehr als 1300 Welcome-Dinner-Einladungen weit mehr als 2000 Gäste aus 37 Ländern in die Esszimmer der Hamburger geführt. „Als jeden Tag hunderte neue Flüchtlinge in die Stadt kamen, hatten wir mehr als 100 Essen pro Woche“, sagt Ines Burckhardt.
Jetzt seien es immer noch bis zu zehn. Insgesamt seien sich so schon 5000 vormals fremde Menschen begegnet. „Mit durchweg positiven Reaktionen“, sagt die Dinner-Gründerin. Abgesehen vielleicht von unterschiedlichen Pünktlichkeitsvorstellungen.
670 Flüchtlinge warten noch auf eine Einladung
Katharina Fegebank war Anfang Februar relativ spät dran mit ihrer Essenseinladung, dafür eine der ersten prominenten Gastgeber der Initiative. „Weitere sollen unbedingt folgen“, sagt Burckhardt. Einerseits, um die Idee wachzuhalten. Andererseits, um weitere Gastgeber zu gewinnen. Dafür schafft das Team aus 20 Ehrenamtlichen immer neue Anreize (siehe Kasten) und holt für Folgetreffen attraktive Partner wie das Miniatur Wunderland, den FC St. Pauli oder die Lange Nacht der Museen an Bord.
Dazu gehört auch ein neues, witziges Imagevideo, das Labskaus als vielleicht größte Hamburger Integrationshürde thematisiert. Im Internet ist der Streifen ein Hit unter www.welcome-dinner.de
Idee kommt aus Schweden
Zumal beim Welcome Dinner noch immer registrierte Geflüchtete auf ein Abendessen bei Hamburgern warten. „Wir haben 670 Gäste, die noch keine Einladung wahrnehmen konnten“, sagt Ines Burckhardt. Auch 2017 sei es für Neuankömmlinge außerhalb dieses privaten Rahmens nicht leicht, mit „normalen Hamburgern“ in Kontakt zu kommen.
Dabei mit besonders vielen Gastgebern hervorgetan haben sich in den vergangenen 24 Monaten vor allem die Innenstadtviertel. „Eimsbüttel, St. Pauli, Ottensen.“ Aber auch Neugraben oder Harburg seien schon dabei gewesen. „Schön für das Essen wäre natürlich, wenn Gast und Gastgeber möglichst nah beieinander wohnen“, sagt die 31 Jahre alte Journalistin Burckhardt.
Gestartet war die Initiative im Februar 2015. Ausgehend von der Idee einer Schwedin, die Neuankömmlinge in Stockholm mit einem Abendessen begrüßte, wurde der Gedanke nach Hamburg geholt. Inzwischen engagieren sich europaweit mehr als 100 Freiwillige bei Welcome Dinners.
Ob es beim Essen bleibt oder daraus mehr entsteht, sei jedem selbst überlassen. „Eine Befragung unserer Gastgeber hat ergeben, dass 55 Prozent der Hamburger mindestens ein zweites Treffen mit den Flüchtlingen hatten“, sagt Ines Burckhardt. Und sei es nur für eine Gegeneinladung.
Freundschaften entstanden
Für viele sei das Dinner aber mehr. „Manchmal kommt dadurch der Stein erst ins Rollen“, sagt Linn Jördens, die sich als Ehrenamtliche engagiert. „Es sind schon Freundschaften entstanden. Über das Dinner hinaus hilft man sich bei Behördengängen, im Jobcenter oder verbringt die Freizeit miteinander.“ Wenn durch das Dinner der Anlass für eine langfristige Beziehung vermittelt werden konnte, so die Kulturwissenschaftlerin, sei Nachhaltigkeit erreicht.
Die Hamburger seien dabei sehr offene Gastgeber. Fragen nach Führungszeugnissen der Gäste oder „Wie sind die drauf?“ seien selten. Die meisten beschäftige vorher, was sie kochen können. Schweinefleisch? Ja? Nein? „Oft wird einfach vegetarisch gekocht“, sagt Burckhardt. Und hinterher sei ohnehin „bereichernd“ das meist benutzte Wort.
Auch Dana und Dania hatten bei Katharina Fegebank einen guten Abend. „Frau Fegebank war unglaublich nett und total herzlich“, schrieben beide. Sogar ein wenig Deutsch hätten sie mit der Zweiten Bürgermeisterin geübt.