Hamburg. Die Zahl der von wirtschaftlicher Not bedrohten Rentner hat sich in zehn Jahren von 5,9 auf 13,6 Prozent mehr als verdoppelt.
Fast jeder sechste Hamburger – vor allem Kinder, Alleinerziehende, Arbeitslose und Senioren – ist von Armutbedroht. Die Quote liegt bei 15,7 Prozent und damit auf dem hohen Niveau des Vorjahres (15,6 Prozent). Das geht aus dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hervor, der in Berlin vorgestellt wurde. Während das Armutsrisiko in Hamburg bei Familien mit drei und mehr Kindern deutlich gesunken ist, stieg es bei Rentnern auf einen neuen Höchststand. Der Paritätische fordert den Hamburger Senat zu einer offensiveren Armutsbekämpfung auf, da die positive wirtschaftliche Entwicklung bei vielen Menschen nicht ankomme.
Kommentar: Die Tücken der Armutsstatistik
„Das Alter wird in Hamburg immer stärker zum Armutsrisiko“, sagt Joachim Speicher, Geschäftsführender Vorstand des Paritätischen Hamburg. Waren 2006 noch 5,9 Prozent der Rentner von Armut bedroht, habe sich die Quote im Jahr 2015 auf 13,6 Prozent mehr als verdoppelt.
Der Rentner, der von 400 Euro lebt
Die Rentnerin, die mit weniger als 300 Euro auskommt
Diese negative Entwicklung werde sich weiter fortsetzen, da zunehmend Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, hohen Teilzeitarbeitsquoten und niedrigen Löhnen das Rentenalter erreichen. „Das Dramatische an Altersarmut ist, dass es für die Betroffenen kaum Hoffnung auf Besserung gibt. Während Jüngere noch aus eigener Kraft Wege aus der Armut finden können, haben Ältere mit dem Eintritt in den Ruhestand kaum Chancen, ihre finanzielle Situation zu verbessern“, so Speicher.
Erfreulich sei, dass die Armutsrisikoquote von Familien mit mehr als zwei Kindern stark rückläufig sei. Waren 2013 noch über 40 Prozent dieser Familien von Armut bedroht, ist die Quote im Jahr 2015 auf 30 Prozent gesunken. „Die Einführung der beitragsfreien, fünfstündigen Kita-Betreuung scheint sich besonders positiv auszuwirken. Trotz der erfreulichen Entwicklung zählen Familien mit mehr als zwei Kindern weiter zu den Hauptrisikogruppen“, so Speicher. Genau wie Erwerbslose (58 Prozent), Alleinerziehende (36,4) und Hamburger mit Migrationshintergrund (30,3).
12,9 Millionen Menschen sind armutsgefährdet
Arme Eltern bedeuten zwangsläufig auch arme Kinder, so der Verband. In Hamburg sind rund 60.000 Kinder unter 18 Jahren (21 Prozent) von Armut bedroht. „Armut bedeutet mehr als fehlende finanzielle Mittel. Wer in Armut aufwächst, hat schlechtere Bildungschancen und weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Kinder müssen auf vieles verzichten, was für andere selbstverständlich ist. Ein Besuch im Fußballstadion oder ins Kino bleibt für viele Kinder unmöglich“, sagt Speicher.
Der Senat könne die Armut in einer der reichsten Städte Europas – jeder achte Hamburger gilt als reich – bekämpfen: durch mehr öffentlich geförderte Beschäftigung für Langzeitarbeitslose, den Ausbau von bezahlbarem Wohnraum, Unterstützungsangebote für Alleinerziehende und Mehrkind-Familien sowie die Stärkung der Quartiere, in denen besonders viele arme Menschen leben.
Auch bundesweit Quote auf neuem Rekordwert
Bundesweit stieg die Armutsquote von 15,4 auf den neuen Rekordwert von 15,7 Prozent, vor zehn Jahren lag sie bei 14,7 Prozent. 2015 galten somit in Deutschland 12,9 Millionen Menschen als armutsgefährdet. „Leider ein neuer Höchststand seit der Wiedervereinigung“, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider. Der Verband beruft sich auf das Statistische Bundesamt, das den Anteil der Menschen mit einem Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens misst. Bei Einpersonenhaushalten betrug diese Armutsschwelle 942 Euro, bei Familien mit zwei Kindern 1978 Euro netto im Monat.