Hamburg. Die „Rebellen“ wollen sparen und Arbeitsplätze abbauen. Die Personalrätin ist alarmiert und fassungslos.
Im Streit um die Zukunft der Handelskammer meldet sich jetzt deren Personalrätin Sabine Lurtz-Herting erstmals öffentlich zu Wort. Nach dem erdrutschartigen Sieg der sogenannten Kammerrebellen bei den Plenarwahlen übt sie im Abendblatt scharfe Kritik am Umgang mit den hauptamtlichen Kammermitarbeitern.
Im Gespräch mit dem Abendblatt berichtet sie sogar von verbalen Attacken gegen das Hauptamt der Kammer. Vor allem die Ankündigung des Sprechers des Bündnisses „Die Kammer sind WIR“, Tobias Bergmann, das Personal deutlich zu reduzieren, sorgt für erhebliche Unruhe.
Verwundert über Drohszenario
„Uns bringt das in eine ganz neue Situation“, so Lurtz-Herting, die zugleich Leiterin der Commerzbibliothek ist. „Wir sind eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Personalvertretung und Führungsebene gewohnt, auch wenn es um Einschnitte geht, wie zuletzt bei der Reform der Betriebsrenten.
Ich bin verwundert darüber, dass jetzt über die Presse ein Drohszenario aufgebaut wird, ohne dass man je direkt miteinander gesprochen hat. Herr Bergmann hat gesagt, dass die Handelskammer unter seiner Führung ein seriöser Arbeitgeber bleiben wird. Dazu gehört aus meiner Sicht, dass man über Themen wie Personalabbau erst intern spricht, bevor man sie an die Öffentlichkeit trägt“, so Lurtz-Herting.
Arbeitsplatzabbau belastet Mitarbeiter
Insbesondere der drohende Arbeitsplatzabbau belaste die Mitarbeiter. „In der Presse war zuletzt von einer Halbierung der Stellenzahl die Rede. Das würde für rund 140 Kolleginnen und Kollegen die Kündigung bedeuten.“ Früher habe das Wahlbündnis „Die Kammer sind Wir“ aber auch schon andere Zielzahlen genannt. Deshalb richte sich der Personalrat jetzt auf den Versuch ein, im größeren Stil Stellen abzubauen und Mitarbeiter zu entlassen.
Lurtz-Herting weiter: „Als langjährige Personalrätin weiß ich aber, so einfach geht das nicht – insbesondere nicht in einer Körperschaft öffentlichen Rechts.“ Arbeitsverträge der Kammermitarbeiter waren lange Zeit an den BAT angelehnt, hier gelten die Kündigungsfristen des öffentlichen Dienstes, die je nach Beschäftigungsdauer zwischen einem und sechs Monaten liegen. In neueren Verträgen finden die gesetzlichen Kündigungsfristen Anwendung.
Falsche Zahlen?
Insgesamt arbeiten in der Handelskammer Hamburg derzeit 226 Mitarbeiter in Vollzeit und 66 in Teilzeit. Nach den Vorstellungen der Kammerrebellen ist das Personaltableau aufgebläht. Sie wollen jetzt die Pflichtbeiträge abschaffen. Dann muss die Kammer mit deutlich weniger Geld auskommen – und mit weniger Mitarbeitern.
Lurtz-Herting zufolge wird mit falschen Zahlen operiert: „In der Diskussion über den Personalstand wird ja gerne auf die Industrie- und Handelskammer Berlin verwiesen, und behauptet diese käme mit der Hälfte der Mitarbeiter aus. Dort gibt es aber 256 sogenannte Vollzeitäquivalente.“ Es gebe auch IHKs, die mehr Mitarbeiter beschäftigen als Hamburg, nämlich München und Stuttgart, so Lurtz-Herting
Stimmung im Hause ist angespannt
Die Stimmung im Hause sei angespannt. „Wer aus der Zeitung erfährt, dass er seinen Job verlieren soll, hat natürlich Angst“, sagt die Personalrätin und spricht von persönlichen Anfeindungen: „Was uns belastet, ist die Tatsache, dass die Diskussion über die Kammerzukunft zum Teil nicht gerade wertschätzend geführt wird. Auf Facebook schlägt einem als Kammermitarbeiter zuweilen blanke Gehässigkeit entgegen. Kollegen haben E-Mails erhalten, die ich als beleidigend empfinde, oder wurden am Telefon beschimpft.“
So sollen Mitarbeiter als „Lügner“ bezeichnet worden sein, die für einen „Verbrecherschuppen“ arbeiten und sich damit strafbar machen würden. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie nachts schlecht schlafen“, „Sie sind der Erste, der gefeuert wird“, hieß es in einer E-Mail. Um das direkte Gespräch zu suchen, hat der Personalrat nun beschlossen, Bergmann, der voraussichtlich zum neuen Kammerpräses gewählt wird, als Gast zur nächsten Personalversammlung einzuladen. Diese Einladung hat er inzwischen angenommen.
„Ich möchte betonen, dass die Mitarbeiter der Handelskammer für Veränderungen offen sind. Allerdings werden wir sicher nicht den Kopf hinhalten für unrealistische Wahlversprechen. Die Pläne der neuen Führung müssen zunächst einmal Hand und Fuß haben“, sagte Lurtz-Herting.
Einschnitte bei der Altersversorgung, wie von den Kammerrebellen gefordert, seien auch nicht bei jedem Mitarbeiter möglich. „In der Kammer gibt es drei Versorgungsregelungen“, so Lurtz-Herting. Die älteste orientierte sich stark an der Vollversorgung, wie sie auch Beamte in jener Zeit erhielten. Langjährige Mitarbeiter können bis zu 75 Prozent ihres Bruttogehalts als Rente beziehen, die gesetzliche Rente miteingerechnet. „Dieses Versorgungswerk, dem 63 lang gediente Kolleginnen und Kollegen angehören, wurde 1994 geschlossen. Die Leistungen wurden vor einigen Wochen noch einmal abgespeckt“, sagt die Personalrätin.
Zweite Versorgungsregelung
Für Arbeitsverträge, die zwischen 1994 und 2015 geschlossen wurden, gilt die zweite Versorgungsregelung. Die Mitarbeiter erwerben zwischen 0,5 und 0,7 Prozentpunkte pro Dienstjahr, maximal für 35 Jahre. Mit Renteneintritt erhalten sie so viel Prozent ihres letzten Gehalts als Betriebsrente. Seit 2016 ist die dritte Rentenregelung in Kraft. Vereinfacht gesagt schließt die Handelskammer für jeden Mitarbeiter, der seither eingestellt wurde, eine Lebensversicherung ab und zahlt dafür vier Prozent des monatlichen Gehalts bei einem Versicherungsunternehmen ein.