Hamburg. Das umstrittene Theaterstück „Letzte Festung Türkei“ wird am Sonntag in Wilhelmsburg gezeigt. Neue Aufregung um Islamverband Ditib.
Die Stadt Erlensee in Hessen hat es verboten, weil sie „Hass und Nationalismus keine Bühne bieten“ wolle. Die Stadt Augsburg hat sich von der „menschenverachtenden Ideologie“ der Darbietung scharf distanziert – doch in Hamburg darf das umstrittene Theaterstück „Letzte Festung Türkei“ am Sonntag aufgeführt werden.
Die geplante Aufführung, die von dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016 handelt, im Hotel Class in Wilhelmsburg sei „der Polizei Hamburg bekannt“, antwortete der Senat auf eine Kleine Anfrage von Cansu Özdemir, Fraktionschefin der Linkspartei in der Bürgerschaft. „Erkenntnisse zum Veranstalter“, so räumt der Senat jedoch ein, „liegen den zuständigen Behörden nicht vor. Die Beurteilung der Veranstaltung durch das Landeskriminalamt ist noch nicht abgeschlossen.“ Eine Einmischung der Stadt sei „derzeit nicht geplant“, denn Kunst sei „ungeachtet ihrer Inhalte“ durch das Grundgesetz geschützt.
„Menschenverachtende Ideologie“
„Die Antwort des Senats schockiert mich“, sagte Özdemir dem Abendblatt. Obwohl die Veranstaltung seit Wochen durch Deutschland toure und überall für Diskussionen sorge, habe die Polizei noch keine Meinung dazu, während der Senat aber schon auf die Kunstfreiheit verweise. „Man sollte sich doch die Inhalte anschauen“, fordert Özdemir. „Das Stück transportiert eine menschenverachtende Ideologie, es wird gehetzt, aufgestachelt und der Westen als Gründer der Terrororganisation Islamischer Staat verunglimpft.“
Nach Özdemirs Informationen stecken ultranationalistische Gruppierungen, die Wahlkampf für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und die von ihm geplante Stärkung seiner Stellung machen, hinter der Theateraufführung. Dazu passt die Aussage eines Managers des Hotels Class, der auf Abendblatt-Anfrage sagte, die Anmietung des Saals sei „direkt aus der Türkei“ erfolgt.
Für Wirbel sorgte unterdessen ein TV-Bericht des NDR-Magazins „Panorama 3“ über Äußerungen aus Kreisen des türkisch-islamischen Verbands Ditib Nord. Demnach schrieb der Vorsitzende einer Ditib-Moschee in Wilhelmsburg auf Facebook: „Demokratie ist für uns nicht bindend. Uns bindet Allahs Buch, der Koran.“ Ebenfalls bei Facebook schrieb der Mann, er „spucke auf das Gesicht der Türken und Kurden, die nicht islamisch leben“. Vom NDR auf die Posts angesprochen, sagte der Mann, er sei halt „ein bisschen emotional, das ist normal“.
Zu sehen ist auch das Video eines jungen Manns, der für Ditib in der Jugendarbeit aktiv sein soll und Erdogan offen bittet: „Mein Führer, gib uns den Befehl, und wir zerschlagen Deutschland.“ Der Moscheevereinsvorsitzende aus Wilhelmsburg kommentiert das in dem Beitrag mit den Worten: „Das sind Jugendliche, die vielleicht etwas ein bisschen emotional geschrieben haben. Die Tatsachen sind immer wichtiger, da passen wir schon auf.“
AfD: Staatsvertrag sofort aufkündigen
Der Verband Ditib Nord will sich erst heute zu dem Thema äußern. CDU-Fraktionschef André Trepoll nahm die Vorfälle bereits zum Anlass, erneut die Aussetzung des Staatsvertrags zu fordern, den Hamburg mit Ditib geschlossen hat: „Widerlegt ist nun die Aussage des Bürgermeisters und von führenden Vertretern von SPD und Grünen am 1. Februar in der Bürgerschaft, dass es keine Hinweise auf antiwestliche, antichristliche, antisemitische und demokratiefeindliche Entwicklungen bei Ditib Nord gebe“, so Trepoll. „Die fortschreitende religiöse Intoleranz und Ablehnung der Demokratie bei Ditib sind eine ernsthafte Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Hamburg.“
AfD-Fraktionschef Jörn Kruse ging noch weiter und forderte, den Staatsvertrag mit sofortiger Wirkung aufzukündigen: „Die Vorstellung, dass der Senat eine Institution durch einen Staatsvertrag begünstigt, deren Funktionäre öffentlich erklären, auf die Demokratie in Deutschland zu spucken, und zudem den Wert von Andersgläubigen infrage stellen, ist unerträglich.“
Beschluss der Bürgerschaft
Senatssprecher Jörg Schmoll verwies auf den Beschluss der Bürgerschaft vom 1. Februar, wonach der Senat Gespräche mit den Vertragspartnern führen solle, an deren Haltung zu unseren Wertegrundlagen Zweifel bestünden. Dieser Beschluss, so Schmoll, „wird eins zu eins umgesetzt“.