Hamburg. Exklusiv: Es ist sein erstes Interview in der neuen Funktion. Marc Opelt erzählt, welche Pläne er für den Hamburger Versandhändler hat.

Seit dem 1. Januar führt Marc Opelt die wichtige Otto Einzelgesellschaft, den früheren Otto Versand, mit bundesweit insgesamt 4350 Beschäftigten. Das Büro hat der 54-Jährige, der bereits seit 1990 bei Otto angestellt ist, nicht gewechselt. „Warum auch?“, fragt der Topmanager. Schließlich habe er schon zuvor den Vertrieb bei Otto verantwortet und deshalb seine wichtigsten Ansprechpartner weiterhin in unmittelbarer Nähe. An der Wand hängt eine riesige Farbfotografie – Reifenwechsel in der Formel 1. Eine Nahaufnahme aus den 1970er-Jahren. Opelt mag Geschwindigkeit, wie er selbst sagt. Na, dann. Los geht’s ...

Herr Opelt, haben Sie in Ihrer neuen Funktion als Otto-Chef Ihren Traumjob gefunden?

Marc Opelt: Ja, das ist mein absoluter Traumjob.

Worauf legen Sie als Chef besonders viel Wert? Haben Sie spezielle Macken? Ist Ihnen Pünktlichkeit wichtig?

Mir ist besonders wichtig, dass ich möglichst die besten Leute in meinem Team habe. Das bedeutet für mich als Chef, dass ich mich auf sehr verschiedene Charaktere einstellen muss. Das kann ich – so glaube ich – recht gut. Beim Thema Pünktlichkeit bin ich eher old school. Ich empfinde es als unhöflich, wenn jemand zu einem Termin zu spät kommt und die anderen warten lässt.

Sind Sie nachtragend als Chef?

Opelt: Nein. Wenn ein Kollege einen Fehler macht, dann erwarte ich allerdings, dass er zu dem Fehler steht – und ihn möglichst nicht wiederholt. Aber grundsätzlich kann jeder mal etwas falsch machen. Wenn jemand aber einen Fehler versucht zu vertuschen, das mag ich überhaupt nicht. Das passt auch nicht zu unserer Kultur bei Otto.

Was muss ein Bewerber von außen mitbringen, damit er bei Ihnen im Team Karriere machen kann?

Opelt: Zunächst einmal schaue ich mir ganz genau den beruflichen Werdegang an, also was der Bewerber schon geleistet hat. Dann muss er Lust auf Innovationen haben, motiviert sein – und in unser Team passen. Das heißt: Er muss respektvoll und kollegial mit anderen Menschen umgehen.

Apropos kollegial: Wie wird die Duz-Offensive bei Otto mittlerweile angenommen? Schließlich kann sich ja nun jeder im Konzern beim Vornamen nennen – unabhängig von der Position.

Opelt: Das Duzen ist ja nur ein Baustein unserer neuen Kultur. Wir wollen bei Otto flachere Hierarchien und mehr Offenheit. Deshalb stellen wir zum Beispiel alle Vorstandsprotokolle ins Intranet, sodass sie alle Mitarbeiter lesen können. Und wir als Vorstandsteam stehen mindestens einmal im Monat den Beschäftigten bei einer großen Versammlung persönlich Rede und Antwort – unter der Überschrift „Otto unplugged“. Aber zurück zum Duzen: Anfangs wurde dieses Thema sehr kontrovers diskutiert. Zwei meiner Kollegen sind sogar zu mir gekommen und haben klar gesagt: Herr Opelt, ich kann Sie nicht duzen.

… und die beiden dürfen immer noch für Sie arbeiten?

Opelt: (lacht) Klar. Und einer der beiden duzt mich mittlerweile sogar. Das Du bringt aus meiner Sicht mehr Nähe und erleichtert den Zugang zum Vorgesetzten. Das hilft bei der Arbeit im Team.

Otto hatte lange Zeit große Probleme, ausreichend junge Computerexperten zu finden. Ist das immer noch so?

Opelt: Ja, das ist weiterhin ein Problem. Allerdings geht es anderen Unternehmen diesbezüglich genauso wie uns. Gute Softwareentwickler, IT-Spezialisten und Fachleute für Online-Marketing sind in ganz Deutschland extrem schwer zu finden. Wir könnten allein in diesen technischen Bereichen 300 Stellen besetzen.

Wo genau wollen Sie als Chef der Otto Einzelgesellschaft in den nächsten Jahren Akzente setzen?

Opelt: Wir wollen unseren Service weiter ausbauen – zum Beispiel in dem bei uns stark boomenden Möbelbereich. Dazu gehört auch, dass der Kunde, wenn er bei uns anruft, nicht mit einer Maschine kommuniziert, sondern schnell einen kompetenten Menschen aus Fleisch und Blut am Apparat hat. Zudem wollen wir noch früher erkennen, was Nutzer unserer Website bei Otto suchen, sodass wir dem potenziellen Kunden individualisierte Angebote machen können. Da steckt unheimlich viel Technologie dahinter. Des Weiteren habe ich den Ehrgeiz, noch mehr Besucher auf unsere Website zu holen. Derzeit sind es bis zu zwei Millionen am Tag, ich kann mir durchaus vier, fünf Millionen Besucher täglich vorstellen. Und wir wollen den Markt immer wieder mit Innovationen überraschen – so wie vor wenigen Monaten mit unserer neuen Mietplattform OttoNow.

Wie ist OttoNow angelaufen?

Opelt: Wir sind sehr zufrieden und von der großen Resonanz positiv überrascht.

Gibt es Bestseller?

Opelt: Durchaus. Auf Platz eins liegen Fernseher, es folgen Kaffeevollautomaten und dann Laufbänder.

Insgesamt legte der Umsatz bei Otto in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2016/17 um mehr als fünf Prozent zu, der Gewinn wuchs zwischen drei und fünf Prozent. Wie lief die zweite Hälfte, die im März endet?

Opelt: Die genauen Zahlen kann ich noch nicht nennen. Sie werden erst am 22. März auf unserer Bilanzpressekonferenz veröffentlicht. Aber so viel kann ich bereits sagen: Die Entwicklung des ersten Halbjahres hat sich in etwa fortgesetzt.

Vor allem Möbel hatten sich im ersten Halbjahr gut verkauft. Hält der Trend an?

Opelt: Ja, kein anderes Unternehmen in Deutschland verkauft mehr Möbel über das Internet als Otto – und wir wollen den Bereich Wohnen unbedingt weiter ausbauen. Dabei geht es nicht nur um Möbel, sondern auch um Wohnaccessoires wie zum Beispiel Decken, Kissen, Vorhänge – und um Unterhaltungselektronik, Küchenequipment und Ähnliches.

Also kommt demnächst der Otto-Dekorateur zum Kunden nach Hause und gibt konkrete Einrichtungstipps?

Opelt: Bisher geben wir schon Einrichtungstipps über das Telefon. Ich verspreche: Wir bei Otto haben noch viele spannende Pläne – nicht nur in diesem Bereich.